Geht es um die Digitalisierung der Finanzbranche, kommt man um Fintechs nicht herum. Während Banken noch damit beschäftigt sind, bestehende Geschäftsmodelle zu digitalisieren, erweisen sich Start-ups als Innovationstreiber im Bereich Banking. Kein Grund für Konkurrenzdenken, finden die Etablierten. Laut dem aktuellen „Retail Banking Survey“ der Unternehmensberatung Roland Berger sehen 42% der befragten Banken Fintechs als wichtige Impulsgeber in Sachen Digitalisierung. 86% wollen in Kooperationen mit den Gründerteams zusammenarbeiten.
Fintechs wurden in der Diskussion um die Digitalisierung der Finanzbranche als Disruptoren betitelt. Die 56,6-Mio.-EUR-Runde der Plattform Solarisbank und die 160 Mio.-USD-Finanzierung für N26 verdeutlichen, dass junge Anbieter in der Lage sind, das gesamte Geschäft der Etablierten zu übernehmen: Sie bieten beinahe das komplette Spektrum an Dienstleistungen digital, kundenorientiert und kosteneffizient an. Der Aufstieg der Start-ups schien den Abgesang auf traditionelle Banken einzuleiten. Begründet wurde der Hype mit zunehmender Digitalaffinität aller Generationen, vielversprechenden Zukunftstechnologien, Misstrauen gegenüber Banken und regulatorischem Druck auf die etablierten Marktteilnehmer. Nun – die große Revolution ist ausgeblieben: Das ergibt das aktuelle europäische „Retail Banking Survey“ der Unternehmensberatung Roland Berger.
Interesse an Zusammenarbeit im Banking ist groß
Stattdessen hat sich ein pragmatisches Verhältnis zwischen Banken und Fintechs entwickelt. Aus Sicht der Geldhäuser ergänzen Start-ups das eigene Geschäftsmodell in drei Rollen: als Branchen-Innovatoren, Plattformtreiber und Lösungsanbieter. Das Interesse an Zusammenarbeit mit den jungen Innnovationstreibern ist hoch – dabei wird auf traditionelle Formen gesetzt: 86% der Befragten können sich Kooperationen vorstellen, nur 39% bzw. 31% bauen dagegen auf Acceleratoren oder Inkubatoren. Immerhin 73% würden Dienstleistungen der Fintechs einkaufen. Ein Angebot, dass die Gründerteams nutzen sollten. Denn auch die Start-ups begegnen ersten Herausforderungen: Sie müssen eine kritische Kundenbasis erreichen und sich langfristig im Wettbewerb differenzieren. Fintechs, die, anders als N26 oder Solarisbank, nicht mit Millionen finanziert sind, sollten außerdem über eine langfristige Kapitalbasis nachdenken. Pleiten wie die Insolvenz von Outbank oder Cashboard sind laut Roland Berger erste Zeichen einer Marktkonsolidierung. Zudem haben Fintechs und Banken einen gemeinsamen Gegner ausgemacht: Techgiganten wie Amazon oder Google probieren sich am Finanzgeschäft. Ihnen kann getrost eine tatsächliche Revolution zugetraut werden.
Langfristige strategische Kooperationen
Zeit also für Allianzen von traditionellen und innovativen Finanzdienstleistungsanbietern. Roland Berger sieht den Schlüssel zum Erfolg in langfristig angelegten, strategischen Kooperationen: vom projektbezogenen Arbeiten bis zum gemeinsamen Aufbau disruptiver digitaler Geschäftsmodelle. Banken lernen durch die intensivere Allianz stärker von Fintechs – ein Faktor, um die digitale Innovation nicht nur technologisch anzugehen, sondern auch die kulturelle Veränderung einzuleiten; inklusive neuer Denk- und Arbeitsweisen. Start-ups profitieren von der breiten Kundenbasis der Geldhäuser und deren regulatorischem Know-how sowie der Aussicht auf Finanzierung. Das VentureCapital Magazin hat im Juni unter dem Titel „Kooperation statt Konkurrenz“ die positive Einstellung von Start-ups und Banken gegenüber der Zusammenarbeit beleuchtet.