1966 wurde Leonid Iljitsch Breschnew Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. 1966 begann Mao Zedong in China die Kulturrevolution. 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger Bundeskanzler.1966 veröffentlichte James Brown den Song „It’s a man’s man’s man’s world“. Das Lied beschreibt, wie Männer Autos, Züge, Schiffe, elektrisches Licht und natürlich Geld erfunden haben. Im Nebensatz erfährt der Zuhörer schließlich, dass der Mann dennoch nichts wäre, „without a woman or a girl“. Männer regieren die Welt. Männer singen davon, dass Männer die Welt regieren. Frauen stärken ihnen im Hintergrund als stummes Beiwerk den Rücken. 52 Jahre später hat sich das natürlich geändert: 2018 ist Angela Merkel Bundeskanzlerin. 2018 verhandelt Theresa May den Brexit. 2018 sitzen Frauen in Vorständen. 2018 gründen Frauen Unternehmen. 2018 sind Frauen und Männer gleichberechtigt und Geschlecht ist nicht mehr der Rede wert – sollte man meinen …
„Ich bewege mich viel in der Start-up-Szene. Was mir sehr deutlich auffällt, ist der Unterschied im Anteil von Männern und Frauen“, sagt Ariane Goehringer, Gründerin von „Sywos“. „Es sind einfach wirklich wenige Frauen. Das stimmt mengenmäßig überhaupt nicht überein.“ Goehringer hat recht: Im allgemeinen Gründungsgeschehen ist der Frauenanteil in Deutschland zwischen 2016 und 2017 um 3% auf 37% gefallen. Das ergibt der Deutsche Startup Monitor 2018 des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. und der Beratungsgesellschaft KPMG. Der Anteil weiblicher Start-up-Gründer ist noch einmal wesentlich niedriger: 15,1%. Die Studienautoren bringen es auf den Punkt: Es bleibe festzuhalten, „dass Frauen im deutschen Start-up-Ökosystem deutlich unterrepräsentiert sind“.
Gründerinnen sehen ihre Start-ups kritischer
Warum gründen Frauen seltener? Goehringer würde sich darüber freuen, eine Antwort geben zu können, „weil ich es tatsächlich nicht verstehe, das muss ich ganz klar so sagen“. Das Vorurteil, Frauen seien generell weniger risikobereit, will Goehringer nicht gelten lassen: „Ich finde solche Aussagen schwierig. Es gibt Männer wie Frauen, die total risikoavers oder total risikofreudig sind. Das ist abhängig von der Persönlichkeit.“ Mag sein. Salome Preiswerk, Gründerin und Geschäftsführerin von Whitebox, einer Online-Vermögensverwaltung, sieht Frauen hingegen durchaus als weniger risikobereit. Sie beobachtet das am Verhalten der eigenen Kundinnen bei der Geldanlage: „Als wir gestartet sind, waren 95% unserer Kunden Männer. Knapp drei Jahre später sind 15% Frauen. Es scheint so, als ob Frauen ungern als Erste etwas Neues wagen und erst mal von der Seitenlinie beobachten, ob sich da jemand eine blutige Nase holt. Das muss durchaus keine dumme Strategie sein.“ Fest steht: Entscheiden sich Frauen für eine Gründung, gehen sie als Unternehmerin weniger Risiko ein. Laut dem Female Founders Monitor des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. sehen Gründerinnen ihre Start-ups kritischer. Sie planen nach einem Bottom-up-Ansatz. Besonders wichtig ist ihnen, möglichst schnell profitabel zu wirtschaften. Sie sammeln laut der Studie seltener externes Kapital ein. Nur rund 48% setzen auf fremdes Geld. Stattdessen finanzieren sie sich über eigene Ersparnisse: Rund 89% greifen auf Rücklagen zu. Zudem denken Frauen seltener über eine Internationalisierung nach. Rund 42% wollen nicht ins Ausland expandieren – bei den Männern begnügen sich lediglich 15% mit dem heimischen Markt. Frauen, die den Schritt in die Selbständigkeit wagen, sind im Vergleich zu Männern risikoscheu. Es liegt nahe, dass mangelnde Risikobereitschaft zumindest ein Grund für geringe weibliche Gründungszahlen ist.
„In Vorbildfunktion und Kompetenz sichtbar machen“
Ann-Sophie Claus und Sinja Stadelmaier sind Gründerinnen von „The Female Company“, Claus nennt einen weiteren Grund: „Es hat etwas mit fehlenden Vorbildern zu tun. Erfolgsgeschichten stammen fast ausschließlich von männlichen Entrepreneuren –obwohl es grandiose Gründerinnen gibt. Deren Aufstiege gehören mehr in die Öffentlichkeit, damit andere Frauen inspiriert werden.“ Das sieht die Stadt München ähnlich. Im vergangenen Jahr hat das Referat für Arbeit und Wirtschaft der Landeshauptstadt erstmals „LaMonachia“ ausgeschrieben. Daniela Weidlich hat den Wirtschaftspreis für Unternehmerinnen und Managerinnen mitentwickelt: „Wir wollen wirtschaftlich erfolgreiche Frauen in ihrer Vorbildfunktion und Kompetenz sichtbarer machen.“ Frauen würden häufig im Kontext von sozialen oder gesellschaftlichen Innovationen ausgezeichnet, „LaMonachia“ zielt auf etwas anderes ab: Der Wirtschaftspreis stellt die ökonomische Leistung der Frauen in den Mittelpunkt. Auch in Berlin ist man bemüht, weibliche Wirtschaftserfolge zu honorieren. Seit acht Jahren vergibt die Hauptstadt Trophäe und Preisgeld an die „Berliner Unternehmerin des Jahres“. Ramona Pop, Bürgermeisterin und Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe des Landes Berlin, will mit dem Preis Frauen ins Rampenlicht holen. Sie sagt: „Wir brauchen Frauen, die mit ihren vielfältigen Kompetenzen den Standort nach vorne bringen.“