Frauen gründen eher zu Themen, in denen sie sich auskennen – Mode oder Ernährung. Im Bereich Finanzen sind weibliche Gründer deutlich unterrepräsentiert. Christine Kiefer ist in der Fintech-Szene zu Hause. Ein Gespräch über den Reiz der Branche, den Zugang zu Kapital und die Herausforderung, aus Minderheit Gleichheit zu machen:
VC Magazin: Welche Erfahrungen haben Sie als Gründerin gemacht – beispielsweise im Umgang mit Investoren oder anderen Gründern?
Kiefer: Meine erste Station im Start-up-Umfeld war als Geschäftsführerin bei Billpay, nach dem Verkauf an Wonga habe ich für den Fintech-Inkubator Finleap das digitale Inkassounternehmen Pair Finance gegründet. Seit Anfang dieses Jahres baue ich mit Felix Schulte mein drittes Fintech Ride Capital auf. Meiner Erfahrung nach ist die Zahl der Gründerinnen insgesamt wirklich recht überschaubar. In manchen Branchen gibt es zwar mehr als in anderen, jedoch ist die Gesamtzahl leider nicht besonders hoch. Auch habe ich leider immer wieder festgestellt, dass auch einige der gängigen Klischees wahr sind. Es gibt zum Beispiel in den K-Branchen Kinder, Klamotten und Kochen sehr viele Gründerinnen, im Tech- oder auch Finanzsektor gibt es dagegen kaum Frauen, die eigene Unternehmen aufbauen.
VC Magazin: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, das Frauen in diesen Branchen nach wie vor seltener gründen als Männer?
Kiefer: Mein Eindruck ist, dass Frauen lieber in Bereichen gründen, in denen sie sich auskennen – wie eben Fashion. Dazu kommt, dass Frauen häufig kleiner denken. Das zeigt sich auch beim Blick auf die großen Finanzierungsrunden, die bis auf ganze wenige Ausnahmen immer von Männern eingeworben werden. Das hängt auch mit der höheren Risikoaversion von Frauen zusammen.
VC Magazin: Hatten Sie jemals den Eindruck, dass Investoren Ihnen anders begegnen als Ihren männlichen Gründerkollegen?
Kiefer: Das kann ich nicht einschätzen. Da ich mich stets im Fintech-Sektor bewegt habe und dieser in den letzten Jahren bei Investoren sehr gefragt war, glaube ich nicht, dass da ein Unterschied gemacht wurde. Allerdings habe ich auf einer Messe einmal etwas erlebt, das in die Richtung Ihrer Frage geht: Dort pitchte eine Gründerin ihr Geschäftsmodell für Bio-Tampons. In der Jury saßen fünf männliche Venture Capital-Investoren, denen man eindeutig angesehen hat, dass sie das Produkt weder verstanden haben, noch sich wirklich damit beschäftigen wollten. Häufig sind die Teams der Venture Capital-Fonds rein männlich besetzt. Nachgewiesenermaßen ist es so, dass sich Investoren am liebsten mit Themen beschäftigen, für die sie ein Gefühl – beispielsweise für den Markt oder die Technologie – haben. Wenn nun Gründerinnen mit Produkten oder Dienstleistungen für Frauen Investoren ansprechen, sind ihre Chancen auf ein Investment von Anfang an geringer als eben beispielsweise mit einer Fintech-Gründung.
VC Magazin: Dieses Dilemma ließe sich doch recht einfach beheben: Man bräuchte schlicht mehr Frauen auf der Investorenseite.
Kiefer: Absolut, es gibt mittlerweile auch einige Studien, die belegen, dass Frauen deutlich weniger Venture Capital erhalten als Männer. Erfreulicherweise scheint bei den Investoren auch ein Umdenken stattzufinden. Ich wurde beispielsweise in der Zeit zwischen Pair Finance und Ride Capital von mehreren Investoren angesprochen, die klar gesagt haben, sie sind auf der Suche nach weiblichen Teammitgliedern. Das rührt sicher auch daher, dass die Branche merkt, dass sie manche Ideen schlicht nicht einschätzen kann, weil beispielsweise das Analystenteam zu einseitig besetzt ist.