VC Magazin: Sind Männer auch häufig einfach größere „Rampenschweine“ als Frauen und erscheinen daher mehr in der Öffentlichkeit?
Kiefer: Das würde ich so unterschreiben, ja. Beim Wort „Rampenschwein“ fällt mir direkt eine Reihe von Gründern und Geschäftsführern ein, allerdings kaum eine Gründerin, die richtig laut auftritt.
VC Magazin: Sie hatten es vorhin bereits angesprochen, die Fintech-Branche ist kein Sektor, in dem sich viele Frauen in Führungspositionen tummeln. Welchen Reiz macht die Branche für Sie aus?
Kiefer: Das hat quasi bereits im Studium begonnen: Ich habe Informatik und BWL studiert. Außerdem habe ich mich schon lange für das Thema Börse interessiert, was dann dazu geführt hat, dass ich nach dem Studium nach London zu Goldman Sachs gegangen bin. Die Kombination aus Finanzen und Tech ist für mich etwas absolut Spannendes. Insbesondere seit der Finanzkrise haben sich viele alternative Modelle wie z.B. Bitcoin entwickelt, die die Branche umwälzen und die Fintech-Industrie zum für mich spannendsten Sektor machen. Ich messe der Blockchain-Technologie eine ähnlich große Bedeutung zu wie der Entwicklung des Internets in den 90er-Jahren. Die Veränderungen in unserer Gesellschaft werden genauso tiefgreifend sein, und ich finde es wunderbar, hier in Berlin, wo all diese Veränderungen ihren Ursprung in Deutschland haben, alle neuen Initiativen mitzuerleben und selbst neue Impulse für die Szene setzen zu können.
VC Magazin: Vor Ihrer Zeit bei Goldman Sachs waren Sie in der Unternehmensberatung bei Bain & Company: Verleihen einem solche Stationen das entsprechend dicke Fell um als Gründerin erfolgreich zu sein?
Kiefer: Da ist durchaus etwas dran. Ich denke, dass die, die sich in diesen beiden Branchen behauptet haben, ein gutes Selbstbewusstsein haben, und das braucht es als Gründer. Gleichzeitig muss ich auch sagen, dass im ausländischen Umfeld, wie eben beispielsweise den US-amerikanischen Investmentbanken, Diversity selbstverständlich ist. Es wird sehr darauf geachtet, dass es einen bunten Mix an Religionen und Ethnien gibt. Gleichzeitig versucht man auch ein ausgeglichenes Männer-Frauen-Verhältnis zu erreichen. Das bedeutet, dass man dort gar nicht als Teil einer Minderheit ins Berufsleben geht – was einem automatisch mehr Selbstverständnis und -bewusstsein gibt.
VC Magazin: Könnte in diesem Zusammenhang möglicherweise die viel diskutierte Frauenquote helfen, Frauen für Gründungen zu motivieren, weil weibliche Aufsichtsräte unter Umständen als Vorbilder taugen?
Kiefer: Ehrlich gesagt war ich zu Beginn der Debatte strikt gegen die Frauenquote. Ich fand es nicht richtig, dass man nur um der Quote willen eine möglicherweise schlechter qualifizierte Frau ins Amt hebt. Außerdem sah ich die Gefahr, dass Frauen, die eine gewisse Position erreicht haben, das Stigma mit sich herumtragen müssen, eben diese Position allein aufgrund der Quote bekommen zu haben, nicht wegen der eigenen Leistung. Nachdem ich mich mittlerweile tiefer mit dem Thema beschäftigt habe, habe ich meine Meinung dahingehend geändert, dass eine geringe Quote sinnvoll ist. Schon alleine, weil sich sonst manche Firmen oder Organisationen überhaupt keine Mühe machen, eine Frau ausfindig zu machen.
VC Magazin: Sie selbst haben das Netzwerk Fintech Ladies gegründet. Welche Motivation steht dahinter?
Kiefer: Die Motivation ist eine ganz persönliche: In meiner Zeit bei Billpay habe ich festgestellt, dass es außer mir lediglich eine weitere Frau in einer Führungsposition im Unternehmen gab. Bei über 100 Mitarbeitern. Und auch wenn ich mich außerhalb des Unternehmens mit anderen über Fintech-Themen austauschen wollte, bin ich immer zuerst auf männliche Kollegen gestoßen. Ich wollte mich aber gerne auch einmal in einer Frauenrunde austauschen. Daher habe ich vor zwei Jahren das erste Fintech Ladies-Dinner ausgerufen. Es ist ein tolles Gefühl zu sehen, dass man zwar noch immer eine Minderheit in der Branche, aber eben nicht alleine ist. Das bekomme ich auch häufig von neuen Mitgliedern des Netzwerks gesagt.
VC Magazin: Frau Kiefer, vielen Dank für das Interview.
Christine Kiefer ist die Gründerin von Ride Capital, einem Blockchain-Start-up, das Immobilieninvestments mit institutioneller Qualität und professionellem Management für Privatanleger zugänglich macht. Christine war am Aufbau mehrerer Start-ups beteiligt, darunter Billpay, einem Anbieter für Online-Bezahlmethoden, und Pair Finance, einem digitalen Inkassounternehmen. Neben ihren unternehmerischen Aktivitäten gründete Christine Kiefer die Fintech Ladies, ein Netzwerk für Frauen, die sich mit Digitalisierung und Innovation im Finanzbereich beschäftigen. Christine ist seit mehr als zehn Jahren in der Finanzindustrie tätig. Bevor Christine in die Start-up-Szene nach Berlin wechselte, arbeitete sie für Goldman Sachs in London im Bereich Equity Derivatives.