Der Mineralölkonzern Shell setzt auf erneuerbare Energien und kauft in Deutschland zu. Ziel: Das Greentech-Start-up sonnen aus dem Oberallgäu, ein Anbieter von intelligenten Energiespeichern und innovativen Energiedienstleistungen für Privathaushalte. Shell, das das Start-up über seine Tochter Shell Overseas Investments B.V. übernimmt, ist bereits seit dem Frühjahr 2018 über Shell Ventures Gesellschafter bei sonnen. Gemeinsam mit den Altinvestoren steckte man damals 60 Mio. EUR in das junge Unternehmen. Zu den Erlösen, die eCapital entrepreneurial Partners, Munich Venture Partners, SET Ventures, Inven Capital und der tschechische investiční fond mit dem Exit erzielen, machten die beteiligten Parteien keine Angaben.
VC Magazin: Herr Dr. Patt, Sie haben soeben bekanntgegeben, dass sonnen von Shell übernommen wurde. Die wichtigste Frage zuerst: Wie zufrieden sind Sie als Investor mit dem Exit?
Patt: Sehr zufrieden. Leider kann ich zur Bewertung von sonnen bei der Übernahme keine Angaben machen – was für uns als Investor natürlich schade ist. Soviel kann ich aber verraten: Wir waren mit zwei Vehikeln bei sonnen investiert und der Verkauf bringt uns einen Fonds fast komplett zurück. Wir erzielen also einen sehr hohen Multiple. Die Bewertung liegt diesmal sogar noch deutlich höher als beim Verkauf von Novaled im Jahr 2013. Zudem können wir stolz darauf sein, ein Unternehmen in Deutschland mit aufgebaut zu haben, welches eine gesamte Industrie weltweit nachhaltig verändert und sich gegen Wettbewerber wie Tesla, Bosch und Siemens als weltweiter Marktführer etabliert hat.
VC Magazin: Seit 2013 ist eCapital bei sonnen investiert. Heute entwickelt und vertreibt das Unternehmen Stromspeicher und ist gleichzeitig Betreiber der größten Stromsharing-Plattform. Mit welcher Vision hat das Start-up seinerzeit bei Ihnen gepitched?
Patt: Bei unserem Einstieg war das Unternehmen noch unter dem Namen Sonnenbatterie im Markt aktiv. Das Geschäftsmodell damals war es, Einzelkomponenten aus Asien einzukaufen, ein proprietäres Energiemanagementsystem zu installieren und anschließend ein Komplettsystem zu vermarkten. Die Umsätze in dem Bereich lagen bei ca. 2 Mio. EUR mit 20 Mitarbeitern, heute sind es ca. 85 Mio. EUR bei knapp 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen. Wir waren uns damals mit den Gründern einig, dass wir das Unternehmen in spätestens zwei Jahren verkaufen wollen. Die Qualität des Managementteams um den CEO und Mitgründer Christoph Ostermann und die intensive, sehr fruchtbare gemeinsame Entwicklung und Arbeit an der Strategie und am Business-Modell über die Jahre bis hin zum dezentralen Energieversorger mit einer eigenen Virtual Power Plant als Kern haben uns überzeugt, doch länger als geplant bei dem Unternehmen engagiert zu bleiben.
VC Magazin: Was waren die wichtigsten Meilensteine der letzten sechs Jahre?
Patt: Da ist die Entwicklung der sonnenCommunity im Jahr 2015 zu nennen. Sie erlaubt den Nutzern, sich untereinander mit Strom zu versorgen. Mittels des intelligenten Strommanagementsystems kann das Unternehmen in jede einzelne Zelle in jedem Haushalt sozusagen „hineinsehen“. Unter dem Stichwort Big Data ist das ein riesiges Asset. Im zweiten Schritt geht damit auch die Vernetzung zur angesprochenen sonnenCommunity einher. Im Jahr 2016 wurde von sonnen Deutschlands erste Strom-Flatrate bei der man einen festen Preis für seinen Tarif bezahlt gelauncht. Den vorläufigen Höhepunkt bildete 2018 die Zertifizierung als Virtual Power Plant. Die vernetzten Einheiten bilden also ein virtuelles Kraftwerk, das sie gegenseitig mit Strom versorgt.
VC Magazin: Entlang dieser Entwicklungsschritte gab es bei sonnen mehrere Finanzierungsrunden über die mehr als 150 Mio. EUR Venture Capital eingeworben wurden. Ein Beispiel dafür, dass es doch nicht so schlecht um den Zugang zu Kapital für deutsche Technologieunternehmen steht?
Patt: Hier fällt meine Antwort zweigeteilt aus. Erstens: Ja, es gibt inzwischen Kapital für Start-ups aus dem Cleantech-Sektor. Zweitens: Leider nicht aus Deutschland. Die knapp 160 Mio. EUR, die sonnen über verschiedene Runden akquiriert hat, kommen nur zu einem ganz kleinen Teil von einheimischen Investoren. Neben uns als erstem und Venture Capital-Lead-Investor, der seither alle Kapitalerhöhungen mitgegangen ist, kommt nur noch Munich Venture Partners, die in der B-Runde dazu kamen, aus der Bundesrepublik. Alle anderen Geldgeber sind aus dem Ausland. Ich würde mir wünschen, dass auch deutsche Investoren sich stärker mit Unternehmen wie sonnen befassen.