VC Magazin: Inwieweit ist vor diesem Hintergrund die – insbesondere von der Politik formulierte – Sorge vor einem Ausverkauf deutscher Technologien gerechtfertigt?
Thümmler: Das ist kein leichtes Thema. Ich glaube, dass es der Politik schwerfallen dürfte, zu verhindern, dass bestimmte Unternehmen mehrheitlich ins Ausland verkauft werden. Dabei ist es egal, ob es um die USA oder China geht. Wir brauchen den globalen Wettbewerb. Ein politischer Protektionismus kann auf Dauer keine Lösung sein. Man muss aber ganz klar sagen, dass deutsche Politiker versuchen, über verschiedene Maßnahmen – beispielsweise die KfW und verschiedenste Fördermittel – den deutschen Venture Capital-Markt zu beflügeln. Leider sind das oftmals Versuche, die auf Deutschland begrenzt und damit eigentlich zu eng gesponnen sind, denn es geht um Gesamteuropa. Meines Erachtens müssten sich Frankreich, die DACH-Region, die Beneluxländer, Skandinavien und die anderen zusammentun und ein gemeinsames Programm auflegen bzw. gemeinsame Anstrengungen unternehmen. Sicherlich ist die Initiative der European Investment Bank dabei förderlich.
VC Magazin: Die Bemühungen des Staates sind das eine, das andere die niedrige Zahl an Venture Capital-Gebern mit Fondsvolumina im mittleren oder hohen dreistelligen Millionenbereich.
Thümmler: Es gibt durchaus einige positive Beispiele wie Digital+ mit ihrem 350-Mio.-EUR-Fonds oder auch brains-to-ventures, die immer wieder mit neuen Fonds expandieren. Aber natürlich müsste es viel mehr davon geben. Schaut man sich allerdings die Renditen von deutschem Venture Capital in den letzten zehn bis 20 Jahren an, muss man sagen: Dem Vergleich mit den USA oder Israel hält das nicht stand. Deshalb tun sich Teams und auch Fonds mit einem starken Deutschlandfokus nach wie vor schwerer, große Mengen Kapital einzusammeln. Um international wettbewerbsfähig zu bleiben, brauchen wir aber mehr Venture Capital von deutschen Playern, die über Fonds verfügen, die – im internationalen Vergleich – nicht nur homöopathische Volumina zur Verfügung haben. Das Engagement von KfW und andere staatliche Initiativen sind ein guter Start, werden dafür aber nicht ausreichen. Das Problem ist, dass sich die institutionellen Investoren das Potenzial in Deutschland durchaus vorstellen können, sehr gute und gleichzeitig erfahrene Teams in dieser Assetklasse aber nicht leicht zu finden sind.
VC Magazin: Nichtsdestotrotz ist die Zahl der Finanzierungsrunden im zweistelligen Millionenbereich heute höher als noch vor vier oder fünf Jahren. Wie reif ist die deutsche Techbranche mittlerweile?
Thümmler: Sie hat sich auf jeden Fall weiterentwickelt. Gerade hinsichtlich der Finanzierungsrunden ist der Aufschwung aber geprägt von Ausreißern oder Einzelbeispielen wie einigen Unicorns, die wir hierzulande haben. Diese ziehen das Gefühl dann nach oben. In der Masse verharren wir hierzulande auf einem gewissen Niveau, welches im Wettbewerb mit außereuropäischen Start-ups nicht ganz mithalten kann. Im Verhältnis zu den USA liegen wir also nach wie vor zurück.
VC Magazin: Dennoch hat in den letzten Monaten eine Reihe von internationalen Investmentbanken, die auf den Techsektor fokussiert sind, Niederlassungen in Deutschland eröffnet.
Thümmler: Ohne Zweifel gibt es immer mehr Wettbewerber, die eine anwachsende Zahl von Deals jagen. Sicherlich ist das auch dem Umstand geschuldet, dass die deutschen Banken, die früher diese Szene besetzt haben – maßgeblich die Deutsche Bank, aber auch die Commerzbank oder die BHF Bank, um nur drei zu nennen –, heute in diesem Segment so gut wie nicht mehr tätig sind. Es gibt also eigentlich nur mehr die Big Four Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und die M&A-Boutiquen. Ich gehe davon aus, dass einige der US-amerikanisch geprägten M&A-Boutiquen in der nächsten Marktbereinigung wieder verschwinden werden. Sein Glück versuchen kann aber natürlich jeder.
VC Magazin: Wir haben eben schon darüber gesprochen, dass die Investoren und Käufer sehr international sind. Wie wichtig ist es, dass auch die Investmentbanker und M&A-Berater international aufgestellt sind?
Thümmler: Das Wichtigste ist, dass die M&A-Berater nah am Kunden sind und eng mit ihm arbeiten. Hierbei geht es darum, Beziehungen aufzubauen – zum Teil auch über Monate oder Jahre. Im Vordergrund stehen ganz klar eine gute Vorbereitung des Prozesses und eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Kunden. Die internationale oder globale Ansprache ist heute Standard für die man nicht weltweit mit Büros oder Teams vertreten sein muss. Auch weil die Käuferunternehmen in der Regel international aufgestellt sind und über ihre Teams vor Ort mit den entsprechenden Personen in Kontakt stehen. Für ein Zwei-Stunden-Meeting um die halbe Welt zu fliegen und sich danach direkt wieder zu verabschieden halte ich eher für kontraproduktiv.