Dezentralität, Selbstverwaltung und Transparenz sind entscheidende Kennzeichen der Blockchain-Technologie. Es gibt in einer Blockchain keine zentrale Instanz, die über Transaktionen entscheidet. Stattdessen ist Konsens ausschlaggebend. Gleichzeitig sind alle Transaktionen auf ewig transparent und nachvollziehbar. Regulierung ist für Blockchain-Akteure daher ein Fremdkörper. An die Stelle des Staates als hoheitliche Aufsichtsinstanz soll vielmehr die demokratische Selbstregulierung der Blockchain-Teilnehmer treten.
Für die Kryptoszene war es daher selbstverständlich, einen geringen Regulierungsgrad als einen der entscheidenden Vorteile von Initial Coin Offerings (ICOs) als neue Form der Unternehmensfinanzierung anzusehen. Im Rahmen der meisten ICOs der ersten Stunde wurden dementsprechend lediglich Utility Token angeboten. Diese können zwar nur im Netzwerk des Emittenten zum Bezug von Waren oder Dienstleistungen genutzt werden und sind daher – abgesehen davon, dass man sie mit Gewinn weiterverkaufen zu können hofft – oftmals mehr oder weniger nutzlos. Anders als Security Token, die Mitgliedschaftsrechte oder schuldrechtliche Ansprüche vermögenswerten Inhalts verkörpern, unterliegen sie regelmäßig geringeren regulatorischen Anforderungen. Die für Security Token geltenden höheren Anforderungen, unter anderem im Hinblick auf die Prospektierung, waren aus Sicht vieler Akteure eher Ausgeburt einer aus der Zeit von Papier, Bleistift und Namensaktie herrührenden veralteten Denkweise. Diese sah man vor allem in Deutschland am Werk.
Auch zahlreiche deutsche Anbieter entschieden sich daher dafür, ihr ICO lieber vom Ausland aus zu platzieren als vom in juristischen Dingen eher sperrigen und bürokratisch-formalen Deutschland aus. Während der ICO-Bonanza der Jahre 2017 und 2018 wurden mitunter mit überschaubarem Aufwand und auf der Grundlage von lediglich diffusen Beschreibungen von Projektvisionen in schlanken Whitepapern Dutzende von Millionen an Anlegergeldern vornehmlich für Utility Token-Emissionen eingesammelt. In Deutschland sah man diesen Trend ins Ausland mit Sorge. Nach Biotechnologie und Datenschutz schien eine weitere Zukunftstechnologie nicht mehr in Deutschland angesiedelt zu werden, sondern im vermeintlich dynamischeren Ausland.
Angesichts einer signifikanten Anzahl an ICOs, die im heillosen Chaos mit der Schädigung von Zehntausenden von Anlegern endeten, hat jedoch ein Umdenken eingesetzt. Dass die Blockchain als dezentrales Netzwerk von keiner zentralen Autorität verwaltet werden muss, heißt nämlich nicht notwendig, dass ohne Aufsicht und Regulierung alles gut läuft. Auch gibt es offensichtlich keine notwendige Verbindung zwischen der durch die Blockchain-Technologie geschaffenen Transparenz von Transaktionen und einer Transparenz im Hinblick auf die Chancen und Risiken der über die Blockchain abgewickelten Transaktionen. Insgesamt ist der Hype um die ICOs angesichts einer ganzen Reihe von dubiosen Angeboten und Verlusten des Anlegerkapitals auch im Ausland erst einmal vorbei.
Angesichts dessen wurden viele durch eine gegenläufige Nachricht aus Deutschland überrascht. Erstmals billigte die BaFin Ende Januar dieses Jahres einen Wertpapierprospekt für ein Security Token Offering. Security Token sind aus zutreffender Sicht der BaFin Wertpapiere und gewähren als solche den Anlegern klar umrissene Rechte, sind auf der anderen Seite aber auch mit erhöhten Regulierungsanforderungen verbunden. Unter anderem ist ein Wertpapierprospekt zu erstellen. Mit der Billigung des Prospekts des Berliner Start-ups Bitbond zur Ausgabe von virtuellen Schuldverschreibungen ist es nun erstmals in Deutschland gelungen, eine klassische Namensschuldverschreibung auf die Blockchain zu bringen. Und dabei gleichzeitig die damit verbundenen erhöhten regulatorischen Anforderungen einzuhalten. Das hat weltweit Aufmerksamkeit erregt und zu Recht Interesse geweckt an Deutschland als Platz für innovative, aber gleichzeitig seriöse Kapitalanlageprodukte auf Blockchain-Basis.
Dr. Matthias Birkholz ist Gründungspartner der Berliner Rechtsanwaltssozietät Lindenpartners. Die Beratung von Gesellschaften, Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten in Zusammenhang mit Fragen der Pflichtverletzung von Gesellschaftsorganen bildet einen besonderen Schwerpunkt seiner Tätigkeit.