Die europäische Private Equity-Branche hat in dem vergangenen Jahr stark von Arbitrage-Effekten profitiert. Diese dürften sich nun ins Gegenteil verkehren.
Es ist noch nicht lange her, da wähnte sich die europäische Private Equity-Industrie inmitten eines scheinbar immerwährenden Booms. Die Konjunktur? Intakt. Das Geld? Billig. Die Preise? Steigend. Entsprechend eilte die Branche von einem Rekord zum nächsten, wie sich Anfang des Jahres bei der Präsentation des „Private Equity Trend Reports“ aus dem Hause PwC zeigte: Finanzinvestoren hatten 2018 europäische Unternehmen im Gesamtwert von gut 260 Mrd. EUR gekauft oder verkauft – das höchste aggregierte Deal-Volumen seit 2007. Und heute, ein Dreivierteljahr später? Da wäre es zwar zu früh, von einer Trendumkehr zu sprechen – ein paar Warnhinweise sollten Manager allerdings dringend beachten. Und damit ist nicht nur die sich eintrübende Konjunktur gemeint, sondern auch ein Aspekt, der in der aktuellen Diskussion über die Perspektiven der Private Equity-Branche viel zu kurz kommt: Die europäische Beteiligungsbranche hat in den letzten Jahren stark von rechnerischen Effekten profitiert. Und genau die könnten sich in den nächsten Jahren ins Gegenteil verkehren.
Die Differenz stieg und stieg
Es ist zu ahnen, worauf ich hinauswill: Die Multiple Arbitrage – die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufsaufschlag – ist bei europäischen Private Equity-Deals in den vergangenen Jahren steil angestiegen, wie eine neue PwC-Analyse auf Basis von Preqin-Daten zeigt. 2015 lag die Arbitrage noch bei gerade 0,3x dem Gewinn vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen. 2016 waren es dann schon 0,8x, noch einmal ein Jahr später bereits 1,4x EBITDA. Und 2018 schließlich, im oben skizzierten Rekordjahr mit einem Deal-Volumen von gut 250 Mrd. EUR, schnellte die Differenz zwischen Kauf- und Verkaufsaufschlag bei europäischen Private Equity-Transaktionen auf spektakuläre 2,4x. Plastischer ausgedrückt: Im vergangenen Jahr lag der durchschnittliche Verkaufswert europäischer Private Equity-Beteiligungen bei 10,9x EBITDA. Erworben hatten die Finanzinvestoren dieselben Unternehmen jedoch einst für gerade 8,5x.
Jetzt geht es nach unten
Das kann so nicht weitergehen. Und das wird es auch nicht, denn im Zuge der konjunkturellen Abkühlung – von einer Rezession ganz zu schweigen – werden die Preise zumindest langsamer steigen als sie das in den vergangenen Jahren getan haben. Unvermeidliche mathematische Konsequenz: Die Multiple Arbitrage wird sinken, da sich Private Equity-Gesellschaften in den nächsten Jahren von Unternehmen werden trennen müssen, die sie bereits zu vergleichsweise hohen Preisen erworben haben. Der Analyse zufolge könnte dieser Effekt sogar ziemlich drastisch ausfallen: Bereits in diesem Jahr, so legen es die zugrundeliegenden Daten nahe, dürfte die Multiple Arbitrage von besagten 2,4x EBITDA gegen 0 sinken. Für 2020 ist von einer zwischenzeitlichen Erholung auf prognostizierte 0,7x auszugehen – spätestens danach dürfte der jahrelang stimulierende Arbitrage-Effekt jedoch endgültig ins Gegenteil umschlagen. Für 2021 sagt die Berechnung eine Differenz zwischen Kauf- und Verkaufsaufschlag von minus 0,3x voraus, für 2022 schließlich von minus 0,4x, bevor sie im Jahr darauf sogar auf minus 1,2x EBITDA hinuntergehen könnte.
Fazit
Was heißt das nun für die künftige Geschäftsausrichtung europäischer Private Equity-Fonds? Es heißt, dass sich die Branche von den drei Hebeln, die ihr klassischerweise zur Verfügung stehen – Financial Leverage, multiple Arbitrage, operationelle Verbesserungen – noch stärker auf den Hebel operationelle Verbesserungen konzentrieren sollte. Wobei die positive Botschaft ist: Gerade dieser dritte Hebel könnte in den nächsten Jahren sehr mächtig werden. Die Digitalisierung bietet vielfältige Ansatzpunkte, die Geschäftsmodelle der eigenen Portfoliofirmen zu optimieren – von Forschung und Entwicklung bis hin zur Erschließung neuer Märkte und Kundensegmente. Meine Empfehlung: weniger Mathematik, mehr Management.
Steve Roberts ist seit 1993 für PwC tätig, seit 1997 im Transaction Services-Team des Unternehmens. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist seither der Bereich M&A. Seit 2001 arbeitet Roberts von Frankfurt aus – vor allem zu Private Equity-Themen. Partner wurde er 2005 . Seit 2012 leitet Roberts die Private Equity-Praxis von PwC-Deutschland. Er ist Mitglied des PwC Global Private Equity-Boards.