Ursprünglich aus dem angloamerikanischen Raum kommend, erfreut sich das Finanzierungsinstrument Wandeldarlehen – oft auch als Convertible bezeichnet – aufgrund flexibler Gestaltungsmöglichkeiten immer größerer Beliebtheit. Während diese Form der Finanzierung vor mehreren Jahren kaum eine Rolle gespielt hat, gestalten heute viele Venture Capital-Investoren Teile ihrer Investments als mezzaninähnliche Instrumente mit Wandlungsoption. Doch wann ist ihr Einsatz wirklich sinnvoll und welche Risiken sind dabei insbesondere auf der Gründerseite zu beachten?
Erfahrene Investoren erweitern ihr Finanzierungsangebot mit der Option eines Wandeldarlehens, um auf unterschiedliche Bedürfnisse der Vertragsparteien eingehen zu können. Insbesondere für Start-ups, die kurz vor dem Erreichen eines wesentlichen Meilensteins stehen beziehungsweise eine vorerst noch ungeklärte Unternehmensbewertung aufweisen, ist dieses Instrument eine Alternative.
Flexibles Finanzierungsinstrument für wachstumsstarke Unternehmen
Ein Wandeldarlehen lässt sich im Wesentlichen wie folgt beschreiben: Als Darlehen zur Verfügung gestelltes Kapital wird zu einem späteren Zeitpunkt zu einer vorab festgelegten Bewertung in Unternehmensanteile gewandelt. Es regelt eine vorübergehende, kurzfristige Finanzierung für einen Zeitraum von üblicherweise drei bis neun Monaten bis zum Eintreten der Voraussetzungen für eine signifikante Finanzierungsrunde (Bridge-Finanzierung). Solche Voraussetzungen oder Meilensteine sind zum Beispiel ein gelungener Markteintritt, die Realisierung eines lukrativen Kundenauftrags oder die erfolgreiche Ansprache von Co-Investoren im Zuge einer größeren Finanzierungsrunde und stellen jeweils eine deutliche Wertsteigerung des Unternehmens dar. Da die zukünftige Wandlung das erklärte Ziel ist, wird ein Wandeldarlehen endfällig strukturiert. Durch diesen endfälligen Charakter beziehungsweise die dezidierte Wandlungsabsicht kann der Cashflow für das weitere Wachstum verwendet werden und muss nicht – wie bei einer „klassischen“ Fremdkapitalfinanzierung – während beziehungsweise am Ende der Laufzeit rückgeführt werden.
Aus der Praxis
Ein Venture Capital-Investor hat großes Interesse daran, besonders attraktive Jungunternehmen für sein Portfolio zu gewinnen. Auf dem Weg dorthin gilt es, einige Herausforderungen zu meistern und mit Flexibilität auf die unterschiedlichen Erwartungen und Überzeugungen zu reagieren. Das gilt auch für die Frage nach dem passenden Finanzierungsinstrument. Dies ist bei der Secureo GmbH gelungen. Richard Leitgeb, Gründer und strategischer Geschäftsführer derselben, war anfänglich ein wenig unsicher, ob er sich mit einem Venture Capital-Investor als weiterem Gesellschafter wohlfühlen würde und ob die Zusammenarbeit gut funktionieren würde. Mit dem Online-Verkauf von Sicherheitslösungen für gewerbliche und private Nutzung wie Digitalzylinder, Alarmanlagen, Tresore, Zutrittslösungen und andere Sicherheitsprodukte verzeichnet das Innsbrucker Start-up bereits dreistellige Wachstumsraten und beliefert mittlerweile über 7.000 Kunden in 48 Ländern. Das Geschäftsmodell ist erfolgreich und hat belastbar nachgewiesen, dass es sich selbst tragen konnte. Einzig der zeitliche Druck zur Expansion war zunehmend spürbar, und eine rasche Finanzspritze sollte dafür sorgen, dass Secureo mit dem Wachstum Schritt zu halten vermochte. Ein Wandeldarlehen schien in dieser Phase genau das Richtige, da die weitere Finanzierungsstrategie noch flexibel bleiben sollte. Es stand ihm damit offen, den klassischen Weg zu gehen und das Darlehen am Ende der Laufzeit zurückzuzahlen oder sich zu einem späteren Zeitpunkt für ein Venture Capital-Investment zu entscheiden.
Bereit für den weiteren Aufstieg
Seit dem Investment im Jahr 2018 hat sich der One-Stop-Shop für Sicherheitslösungen rasant weiterentwickelt. Um dem steigenden Wachstum und der starken Nachfrage weiterhin gerecht zu werden und die Marktführerschaft im DACH-Raum auszubauen, benötigte die Secureo GmbH heuer eine Folgefinanzierung. Die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit sowie die erfolgreiche Entwicklung der vergangenen Monate nahmen Richard Leitgeb und der Kapitalgeber zum Anlass, sich für eine Wandlung des Darlehens zu entscheiden und weitere Investoren zur Unterstützung an Bord zu holen. Neben dem Bestandsinvestor konnten unter der Federführung von Peak Pride die Haselsteiner Familienprivatstiftung und die VPS GmbH gewonnen werden.
Fazit
Besteht Interesse an einer Finanzierung in Form eines Wandeldarlehens, sollte bei der Vertragsgestaltung besonderes Augenmerk auf die Klarheit der Strukturierung gerichtet werden. Die Erwartung, zu einem späteren Zeitpunkt womöglich eine höhere Bewertung erzielen zu können, sollte nicht im Vordergrund stehen und ist bei Verhandlungen mit Investoren kontraproduktiv. Um keine für potenzielle Neuinvestoren abschreckenden Bedingungen in den Vertrag einzubauen und eine negative Signalwirkung zu vermeiden, ist bei der Strukturierung von diversen Deal Terms (insbesondere Caps und Discounts) Vorsicht geboten. Es empfiehlt sich, erfahrene Rechtsberater hinzuzuziehen und sich mit dem Investor und den Stakeholdern abzustimmen.
Ralf Kunzmann ist seit 2013 Geschäftsführer der aws Fondsmanagement GmbH und des aws Gründerfonds, der in den gut sechs Jahren seines Bestehens in 33 Jungunternehmen investiert hat. Gemeinsam mit internationalen Co-Investoren wurden insgesamt etwa 220 Mio. EUR für technologieorientierte Start-ups in Österreich eingesammelt. In Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei WMWP hat der aws Gründerfonds einen Praxisleitfaden zum Finanzierungsinstrument Wandeldarlehen erstellt, der auf der Website des Investors heruntergeladen werden kann.