Bildnachweis: Silicon Valley Bank.
Seit der Gründung der ersten Venture Capital-Firma im Jahr 1946 hat sich beinahe alles verändert: sowohl die Art und Weise, wie man Unternehmen gründet, als auch die Möglichkeiten, wo man Wagniskapital einwirbt. Besonders in den letzten Jahren fand eine Umwälzung des Marktes statt, die zu einer zunehmenden Demokratisierung von Venture Capital führte. Darauf basierend zeichnen sich derzeit erneut grundlegende Trendänderungen ab, nachzulesen im aktuellen State of the Market-Report. Venture Capital-Geber brauchen kluge Strategien, um relevante Player zu bleiben.
Wenn das Kapital knapp ist, befindet sich der Geldgeber in einer komfortablen Position. Er kann dem Unternehmen die Bedingungen vorgeben und die Entwicklung entscheidend beeinflussen. So sah die weitgehend typische Beziehung zwischen Unternehmen und Venture Capital-Investoren, die damals vor allem finanzstarke Family Offices waren, bis in die 1990er Jahre aus. Mit dem Dotcom-Boom änderte sich dies erstmals: Dank umfangreicher Berichterstattung in den Medien und unzähliger Gründungen von Technologie-Start-ups waren Venture Capital-Investoren gefragter denn je. Durch lukrative Verkäufe schnell gewachsener Dotcom-Firmen gelangte mancher Gründer zu viel Geld und investierte dies seinerseits. Die Folge: Es war genügend Kapital vorhanden, die Investitionsmöglichkeiten zahlreich und die Gewinnchancen vielversprechend. Innovative Technologieunternehmen konnten sich den Geldgeber aussuchen. Große spezialisierte Venture Capital-Firmen, wie etwa Andreessen Horowitz, entstanden, die ihre Investition als Dienstleistung verstanden. Spezialisiert auf die Vergabe von Wagniskapital und mit einem technologischen Background standen (und stehen) sie den Gründern nicht nur mit Geld sondern auch mit Rat und Tat zur Seite.
Die Demokratisierung des Wagniskapitals
Seit einigen Jahren sehen sich diese großen Venture Capital-Dienstleister kleineren Micro- Venture Capital-Investoren gegenüber. Diese vergeben auch kleinere Tickets in Branchen, auf die sie spezialisiert sind und steigen öfter auch bereits in der frühen Seed-Phase ein – gerade dann, wenn große Kapitalgeber wegen des nochmal erhöhten Risikos möglicherweise noch zögern. Junge Venture Capital-Investoren wie Project A oder Cavalry Ventures investieren und agieren als praktische Mentoren. Gleichzeitig gewinnen Wagniskapitalfonds an Bedeutung, in die eben nicht nur ein, sondern viele Kapitalanleger investieren können. Worin liegt diese Entwicklung begründet? Die Kosten für die Gründung eines Unternehmens sind stark gesunken – dank mobiler Technologie und Arbeitsplätzen, Cloud Computing und Digitalisierung im Allgemeinen. Investitionen müssen nicht immer in Millionenhöhe getätigt werden, um nützlich zu sein. Und auch kleinere Venture Capital-Geber sind in der Lage, größere Fonds aufzulegen, wenn sie genügend Investoren zusammenbringen. Die Zahl derer, die Wagniskapital bereitstellen, erhöht sich damit ebenso, wie die Zahl der Unternehmen, die davon profitieren.
Neue Strategien für Venture Capital-Investoren
Aktuell verstärken sich diese Trends sogar: Kapital ist praktisch ein gewöhnlicher Rohstoff geworden. Multimilliardenschwere Fonds sind bei den größeren Venture Capital-Firmen beinahe Normalität. Kapital zu haben, ist nichts Besonderes mehr. Schon jetzt finden sich deshalb immer mehr sogenannte Emerging Managers (EM) am Markt – Firmen, die sich von größeren Venture Capital-Gesellschaften abspalten, um kleinere spezialisierte Wagniskapital-Strategien anzubieten. Wir beobachteten gut 370 dieser EMs über einen längeren Zeitraum: Insgesamt investierten sie innerhalb eines Jahres 28,5 Mrd. USD in 1.536 Unternehmen, von denen ein beachtlicher Teil auch außerhalb der amerikanischen Technologie-Zentren angesiedelt ist. EMs und die Unternehmen, in die sie investieren, profitieren dabei von Branchen-Know-how und unkomplizierten Prozessen. Der breite Markt an Venture Capital-Anbietern führt dazu, dass die Investoren schon früh einsteigen wollen: Größere Fonds setzen auch bei kleineren Tickets einen Fuß in die Tür, um dann im Laufe der Jahre auch bei den größeren Finanzierungsrunden dabei zu sein. So investierte beispielsweise der amerikanische Venture Capital-Investoren Lightspeed, bekannt für seine Investitionen etwa in Snapchat, in das vergleichsweise kleine und spezialisierte Berliner Fintech Candis. Andere Venture Capital-Gesellschaften investieren so viel in aufstrebende Unternehmen, dass diese eine solche Marktmacht erhalten, dass ein Scheitern beinahe unmöglich wird.
Ein serviceorientiertes Angebot ist notwendig
Eine Seed to IPO-Strategie lässt sich nur mit sehr viel Kapital oder einer entsprechenden Spezialisierung und der verstärkten Nutzung von Datenanalysen als Grundlage für Investitionsentscheidungen erreichen. Wenn sich Gründer mit zukunftsweisenden Geschäftsideen ihre Geldgeber aussuchen können – und dabei kommen ja auch noch andere Möglichkeiten wie Business Angels oder Kickstarter-Kampagnen in Frage – muss der Investor mehr bieten: nämlich eine branchenspezifische Spezialisierung, die einen Mehrwert über den gesamten Lebenszyklus des Unternehmens hinweg schafft. Internationale Reputation und die entsprechenden Kapazitäten, die für die Unterstützung gebraucht werden, sind oft eher bei etablierten Kreditgebern zu finden. Investoren, die in dieser digitalen, wettbewerbsintensiven Ära eine entscheidende Rolle spielen wollen, brauchen ein differenziertes, serviceorientiertes Angebot.
Oscar Jazdowski ist Co-Head der deutschen Niederlassung der Silicon Valley Bank. Die Bank hat im vergangenen Jahr ein Büro in Frankfurt eröffnet und unterstützt seitdem auch hierzulande etablierte Technologieunternehmen und deren Investoren mit dem Ziel, Innovationen zu fördern. Jazdowski verfügt über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Finanzierung von Tech-Unternehmen iSilicon den verschiedensten Wachstumsphasen – angefangen bei jungen, Venture Capital-gestützten Start-ups bis hin zu großen multinationalen Unternehmen.