Persönliche Kontakte sind eingeschränkt, vieles geschieht virtuell – doch nicht alles lässt sich in Cloud & Co. verlagern. Neue Bedingungen, auf die sich viele Stakeholder erst noch einstellen müssen. Auch Exit-Optionen stehen gegenwärtig auf dem Prüfstand.
„Es gibt derzeit kaum Finanzierungsmöglichkeiten“, urteilt Johannes Lucas, Gründer und Managing Partner von Acxit Capital Partners. Der aktuelle Zusammenbruch vor dem Hintergrund der Corona-Krise kam in Lichtgeschwindigkeit. „Alle schüttelt es gerade, und jeder versucht, für sich die direkten und nachgelagerten Auswirkungen der Krise zu erfassen und zu bewerten. Wo wird der neue Aufsetzpunkt für Transaktionen und Finanzierungen sein?“, fragt Lucas. Natürlich: Es wird eine Zeit nach der Krise geben, in denen auch Exit-Optionen wie der Trade Sale wieder an Attraktivität gewinnen werden. Letztlich geht es darum, Geld in die Hand zu nehmen und die wirklich lukrativen Kauf- und Verkaufsobjekte zu identifizieren. Doch was taugt in der Krise – und vor allem danach, wenn das Tal der Tränen durchschritten ist? „Wie immer in Krisen: Nicht relevante und profitable Unternehmen geben ihr letztes Hemd für eine finanzielle Chemotherapie, wogegen finanzstarke und risikobereite Spiele auf strategischer Schnäppchenjagd sind“, sagt Lucas. Investoren, die das nötige Geld jetzt mithilfe der richtigen Berater in die interessanten Assets investieren, werden die Gewinner dieser Krise sein.
Zuletzt immer weniger Trade Sales
Allerdings ging die Zahl der Exits im Bereich Venture Capital und Private Equity schon vor Corona zurück, und damit auch die Anzahl der Trade Sales. Laut der Wirtschaftsberatung EY waren 2019 insgesamt 88 Exits von Private Equity-Häusern zu verzeichnen – ein Jahr zuvor waren es noch 117. Die Zahl der Trade Sales sank von 66 anno 2018 auf 48. Der Wert der Verkäufe an Strategen verringerte sich von 4,5 Mrd. EUR 2018 auf 3,3 Mrd. EUR im vergangenen Jahr. Bei den Trade Sales handelte es sich dabei um den dritten Rückgang pro Jahr seit 2016. Damals wurden noch 13,1 Mrd. EUR umgesetzt. Da der Börsengang als Exit-Kanal für Private Equity-Investoren zumindest in Deutschland getrost vernachlässigt werden kann, lohnt sich ein Blick auf strategische versus Private Equity-Transaktionen. Hier dominierten die Trade Sales im vergangenen Jahr eindeutig mit 527 gegenüber 219 Deals bei Secondaries. Der Transaktionswert der Trade Sales 2019 lag bei 40,7 Mrd. EUR (Secondaries: 30,2 Mrd. EUR). „Der Wert der von strategischen Investoren getätigten Deals wurde getrieben durch den Kauf von Bayer Animal Health, Osram, Uniper und BASF (Pigmente), die zusammen 60% des Wertes ausmachen“, so EY in einer entsprechenden Studie. Nach relativ guten Jahren kämen einige Finanzinvestoren mit ihrem Portfolios an ihre Grenzen. So waren zahlreiche Fonds in den vergangenen Jahren bereits sehr aktiv und seien derzeit damit beschäftigt, die gekauften Unternehmen in ihr Portfolio zu integrieren. Andererseits sind strategische Investoren weiterhin in der Lage, höhere Preise zu zahlen, da sie mit Synergieeffekten aus dem Kauf rechnen.
Secondaries spielen oft nur eine untergeordnete Rolle
Eine Einschätzung, die auch durch Erhebungen des Branchenverbands BVK bestätigt wird: Demnach machten Trade Sales zwar nur 10% aller 2019 veräußerten Unternehmen aus – ihr Anteil am Divestmentvolumen insgesamt betrug aber 45%. „Strategische Käufer sind aufgrund von Synergiepotenzialen und strategischem Fit generell eher in der Lage, höhere Kaufpreise zu zahlen. Und besonders jetzt hebelt sich dieser systemische Vorteil zusätzlich durch den funktional besseren Zugang zu Finanzierung und Hilfen“, bestätigt Lucas. Eine Ausnahme seien neue Industrien: Hier sind potenzielle Käufer zuweilen mit weniger ausgereiften Produktideen oder Technologien konfrontiert, die ihre Marktreife oder gar Marktdominanz noch unter Beweis stellen müssen. „Hier sind eher Wachstumsfinanzierer gefragt, denen gegenwärtig aber selber die Investoren weglaufen“, so Lucas. „Der Trade Sale ist für uns weiterhin der am meisten antizipierte Exit-Kanal“, meint auch Philipp Hartmann von Rheingau Founders. „Für uns spielen Secondaries eine untergeordnete Rolle, da das Angebot in Deutschland eher begrenzt ist. Der IPO verlangt nach deutlich größeren Volumina in Umsatz und Profitabilität und ist daher weniger wahrscheinlich als ein ‚klassischer‘ Trade Sale.“
Zögern im Land des Mittelstands?
„Wir merken einen leichten Anstieg in der Kaufbereitschaft von Strategen in den letzten Jahren“, sagt Hartmann. Dennoch sei man im Land des Mittelstands nach wie vor zu zögerlich, wenn es darum gehe, junge, innovative Firmen mit bestehenden Organisationen zu verschmelzen. Ein deutsches Karma? Schließlich kaufen Strategen nicht mit Blick auf den Preis; es muss inhaltlich passen. „Strategen waren – bis vor der Corona-Krise – sehr aktiv dabei, über Akquisitionen von innovativen Technologieunternehmen Wachstumspotenzial für ihr Kerngeschäft oder für neue Marktsegmente zu generieren“, sagt eCapital-Geschäftsführer Paul-Josef Patt. Gerade für kleine Unternehmen bleibt der Trade Sale die einzige Möglichkeit der Veräußerung an Dritte, sofern die Bedingungen eines Börsengangs noch nicht erfüllt sind. Apropos Börsengang: „Die Frage sei erlaubt: Ist der IPO eher überbewertet?“, moniert Acxit-Gründer Lucas. Bleibt also der Trade Sale, der nicht nur in der Vorbereitung deutlich kostengünstiger daherkommt als ein Börsengang. Letzterer bietet zwar gute Marketingeffekte, doch gestaltet sich der Verkaufsprozess eines Trade Sale wesentlich einfacher und flexibler; nicht zuletzt spielen Steuervorteile eine nicht unerhebliche Rolle. Nachteil für den Verkäufer: Trade Sales adressieren in der Regel nur eine sehr begrenzte Bieteranzahl. Dieser Umstand verhindert zuweilen eine kontrollierte und transparente Auktion. Aus Sicht des Altmanagements droht darüber hinaus im Rahmen eines Trade Sale die Gefahr des Unabhängigkeitsverlusts. Ein Konfliktpotenzial zwischen Neu- und Alteigentümern ist zumindest gegeben. Umgekehrt liegt die Motivation der Strategen auf der Hand: Vor allem die geografische Markterweiterung, aber auch der Zugriff auf neue Technologien sind wichtige Motivationspunkte. Auch die vertikale Expansion, also der Kauf eines Unternehmens entlang der Wertschöpfungskette, sowie die klassische Produkterweiterung stellen klassische Kaufmotive dar. Und schließlich nutzen Strategen den Trade Sale auch, um sich Zugriff auf junge Talente zu sichern. Ein gutes Beispiel ist der Verkauf des Softwareentwicklers datapine an die mittelständische RIB Group im vergangenen Jahr. „Die Transaktion mit RIB war ein super Beispiel dafür, wie ein Mittelstandsunternehmen mit einer langjährigen Geschichte wirklich verstanden hat, wie junge, innovative Unternehmen ihr eigenes Kerngeschäft beschleunigen können“, resümiert Hartmann von den Rheingau Founders.
Die Suche nach disruptiven Geschäftsmodellen
Ein gängiges Argument ist, dass der Trade Sale eher in klassischen Industriezweigen funktioniert, während es innovative Technologie- oder Internet-Start-ups mehr an die Börse zieht. Zu Recht? „Strategen zahlen mehr für disruptive Geschäftsmodelle“, weiß Lucas. Er nennt die Bereiche Mobility, Cybersecurity oder Renewables als gefragte Industriesegmente. Doch treiben nicht gerade diese innovativen oder disruptiven Branchen die Preise in die Höhe? „Exit-Multiples sind nicht nur Gedankenspiele von Fonds, um einen möglichst hohen Verkaufsgewinn erzielen zu können. Wir merken, dass das Preisniveau immer dann ansteigt, auch in Deutschland, wenn ein besonders spannender Markt von einem erfahrenen Team mit guter Traction bearbeitet worden ist“, sagt Hartmann. Wie sich das Preisniveau in der beziehungsweise durch die aktuelle Corona-Krise verändern wird, weiß natürlich niemand. „Das Preisniveau war bis zur Corona-Krise attraktiv hoch, jetzt werden manche Deals abgesagt oder verschoben“, so Patt von eCapital. „Aber mancher strategisch wichtige Deal wird nun trotzdem oder erst recht umgesetzt. Verkäufer achten auch darauf, wie sich potenzielle Käufer gerade jetzt in der Krise verhalten.“ Patt nennt SaaS, Cloud-Technologien, Cybersecurity, innovative Materialien oder Produktionsprozesse als attraktive Segmente für einen Trade Sale. Anfang 2019 hat eCapital als Leadinvestor sonnen an Shell verkauft – der größte Exit im letzten Jahr in Deutschland. „Damals wie heute war das ein sehr attraktiver Deal für alle Beteiligten, für die Gründer, für die Investoren und für den Käufer, so, wie es sein muss“, urteilt Patt. „Man kann immer auf spätere, noch höhere Bewertungen spekulieren, aber als Venture Capitalist muss man auch ab und zu realisieren.“ Von Buchgewinnen allein zahle sich kein Fonds zurück.
Fazit
Eine harte Rezession wird kommen, doch der Aufschwung danach ebenso. Dabei sei es enorm wichtig, gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Abschwungs sein Kerngeschäft zu stärken. „Ich bin mir sicher, dass die Unternehmen, die auch in Krisenzeiten konsequente M&A-Strategien verfolgen werden, langfristige Profiteure sein werden“, meint Hartmann. Vielleicht werden neue Denkweisen entscheidend sein, Gedanken über Gesundheit und Tod eine größere Bedeutung erlangen. „Wie in und nach jeder Krise werden wir von den heutigen Bewertungen abrücken; Eigenkapital bekommt wieder einen neuen Stellenwert“, ist sich Lucas von Acxit sicher. Transaktionen zur Neubelebung oder Restrukturierung könnten an Bedeutung gewinnen. Was wird uns die Krise kosten?