Der Verkauf an einen Strategen ist nach wie vor einer der wichtigsten Exit-Kanäle für Venture Capital-Investoren. Ist der perfekte Käufer gefunden, kann es mitunter sehr schnell gehen.
VC Magazin: Welche Rolle spielt der Exit-Kanal Trade Sale für Investoren? Wo liegen Besonderheiten oder Vor- und Nachteile gegenüber anderen Exit-Kanälen?
Kunzmann: Trade Sales sind am häufigsten, wenn eine Technologie oder ein Produkt einen strategischen Käufer derart überzeugt, dass er diese komplett übernehmen möchte. In unserem Portfolio haben wir in den vergangenen Jahren bereits fünf Trade Sales realisieren können – zuletzt die Rateboard GmbH. Hier hat sich der Grundsatz „Die besten Unternehmen werden gekauft, nicht verkauft“ erneut bewahrheitet. Es stellt sich in solchen Situationen selten die Frage, in welcher Form der Exit stattfinden soll, da bereits ein konkretes Angebot eines Käufers am Tisch liegt. Meistens sind diese Strategen fest entschlossen, das Unternehmen zu kaufen und wollen den Deal zügig unter Dach und Fach bringen. Für uns als Investor und Gesellschafter gilt dabei trotzdem, auf klare Strukturen und eine saubere Abwicklung zu achten. Das gilt insbesondere im Hinblick auf die Kaufpreisfindung, die Transaktionskomplexität und mögliche Haftungs- und Steuerthemen. Strategen und Start-ups erwarten sich dabei eine symbiotische Beziehung und dass sie gemeinsame Synergien heben, die Wertschöpfung erhöhen und ihr Wachstum verstärken können. Secondaries sehen wir hingegen auch in früheren Phasen des Unternehmenslebenszyklus eines Start-ups und insbesondere dann, wenn im Zuge einer Kapitalerhöhung eine Verkürzung des Cap Table vorgenommen werden soll. Oft werden dann Business Angels und Investoren, die frühphasig eingestiegen sind, zu attraktiven Konditionen ausgekauft und ermöglicht so neuen Investoren damit auch mehr Kapital in der Transaktion platzieren zu können.
VC Magazin: Wie steht es um die Kaufbereitschaft von Strategen? Sind Verkaufsprozesse schwieriger oder leichter geworden?
Kunzmann: Die gegenwärtige Technologisierungs- und Digitalisierungswelle treibt natürlich auch etablierte Unternehmen dazu, nach dem Buy and/or Build-Prinzip neben Eigenentwicklungen auch Ausschau nach attraktiven Technologien und Produkten von Start-ups zu halten. Wir sehen da aktuell eine starke Entschlossenheit der Käufer. Insofern lässt sich sagen, dass die Transaktionsprozesse zügig durchgeführt werden, sobald man sich bei Struktur und Konditionen einigen konnte. Dann geht es oft nur noch um die saubere Abwicklung der Prozesse und die Einhaltung notwendiger formaler Schritte.
VC Magazin: Wie gut können Beteiligungsgesellschaften ihre Bewertungsvorstellungen durchsetzen? Und wie hat sich das Preisniveau in den letzten 24 Monaten entwickelt?
Kunzmann: In den vergangenen zwei Jahren sind die Bewertungen nachfrageinduziert allgemein stark gestiegen. Das wird sich infolge der gegenwärtigen COVID19-Welle erheblich ändern und eine deutliche Korrektur nach unten bedeuten.
VC Magazin: Gibt es Branchen/Industrien, die aktuell besonders gefragt sind?
Kunzmann: In den vergangenen Jahren haben wir insbesondere einen Nachholbedarf bei der Digitalisierung sogenannter Legacy Industries bemerken können. Ein Beispiel dafür sind Proptech-Geschäftsmodelle für die Immobilen- und Bauwirtschaft, der gegenwärtig hohes Potenzial eingeräumt wird. In unserem Portfolio sehen wir ganz aktuell aber auch Start-ups, die in gewisser Weise von der COVID19-Krise profitieren – darunter insbesondere Unternehmen aus der Life Sciences-Branche. Ich denke da zum Beispiel an Themis Bioscience und Panoptes Pharma, die beide an der Herstellung eines Wirkstoffes gegen das Coronavirus mitwirken. Aber auch die Videokonferenzlösung von Eyeson ist zurzeit stark gefragt und wird dank der Kooperation mit dem Provider A1 Telekom kostenlos zur Verfügung gestellt, um die Kommunikations- und Arbeitsfähigkeit einer möglichst breiten KMU-Landschaft zu ermöglichen.
VC Magazin: Wie lange dauert der Verkaufsprozess heute in der Regel?
Kunzmann: Strukturierte Transaktionsprozesse nehmen üblicherweise einen Zeitraum von sechs bis zwölf Monaten in Anspruch. Allerdings ist das immer sehr individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Sobald ein konkretes Kaufangebot am Tisch liegt, kann es mitunter auch sehr schnell gehen – je nachdem, wie bullish der Käufer ist und wie rasch man sich bei den wesentlichen Eckpunkten für die Transaktion einigen kann. Den schnellsten Deal konnten wir innerhalb weniger Wochen vollständig abwickeln.
VC Magazin: Im Januar hat der aws Gründerfonds RateBoard an die Zucchetti Group verkauft. Wie beurteilen Sie diesen Deal?
Kunzmann: Erst 2018 erhielt RateBoard ein Investment von aws Gründerfonds, Falkensteiner Ventures und Next-Floor Ventures zur Umsetzung seiner Wachstumspläne. Mit dem Investment wurde die Expansion im DACH-Raum und in Italien weiter vorangetrieben und die technologische Weiterentwicklung der Plattform mit zusätzlichen intelligenten Features umgesetzt. Seither sind die Nutzerzahlen auf das Sechsfache angewachsen und es wurde ein zweistelliges Wachstum der monatlich wiederkehrenden Umsätze (MRR) generiert. RateBoard hat sich damit erstaunlich schnell in den Sweetspot eines internationalen Strategen hineinentwickelt. Wir haben es gemeinsam mit den Gründern als gute Chance gesehen, das Unternehmen nachhaltig auf Wachstumskurs zu führen um nun noch schneller zu skalieren. Als Venture Capital-Investor ist unsere Rolle immer „Wegbegleiter auf Zeit“ und wir sind stolz auf den in so kurzer Zeit durch Simon Falkensteiner und Matthias Trenkwalder realisierten Exit-Erfolg! Aktives Beteiligungsmanagement spielt dabei für uns eine wichtige Rolle. Bernhard Ungerböck hat als zuständiger Investment Manager gemeinsam mit den beiden Gründern wesentliche Eckpfeiler des schnell und stark wachsenden Start-ups mitgestaltet und Entwicklungsimpulse ins Unternehmen getragen. Wir sind davon überzeugt, dass die beiden Gründer auch weiterhin einen so steilen Erfolgsweg vor sich haben und sind schon gespannt auf die weitere Entwicklung!
VC Magazin: Ausblick: Wie werden sich Trade Sales in den nächsten Jahren entwickeln?
Kunzmann: Ich gehe davon aus, dass auch in nächster Zeit Trade Sales und Secondaries eine wesentliche Rolle als Exit-Möglichkeit für Investoren spielen werden. Darüber hinaus hat die Wiener Börse 2019 am hiesigen Börsenplatz ein neues Marktsegment geschaffen, um auch jüngeren und kleineren Unternehmen mit starkem Wachstumspotenzial den Zugang zum Kapitalmarkt zu ermöglichen. IPOs werden auch weiterhin nicht die Regel sein. Nichtsdestotrotz halte ich den Gang an die Börse für eine attraktive Finanzierungsquelle für wachstumsstarke Unternehmen, die bereits aus der Start-up Phase herausgewachsen sind.
VC Magazin: Herr Kunzmann, vielen Dank für das Interview.
Ralf Kunzmann ist seit 2013 Geschäftsführer der aws Fondsmanagement GmbH und des aws Gründerfonds, der bisher in 33 österreichische Tech-Start-ups investiert hat. Gemeinsam mit internationalen Co-Investoren wurden insgesamt etwa 285 Mio. EUR für technologieorientierte Start-ups in Österreich eingesammelt. In Zusammenarbeit mit der Rechtsanwaltskanzlei Eisenberger & Herzog hat der aws Gründerfonds heuer den Praxisratgeber „Vom Start-up zum Börsekandidaten“ im Linde Verlag herausgegeben.