Monatelanges Warten auf einen Termin beim Facharzt, Ärztemangel auf dem Land oder in schnell wachsenden Ballungsgebieten – die Situation im Gesundheitswesen wird oft dramatisch dargestellt. Dabei hat die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen OECD-Staaten eine der höchsten Ärztedichten: Auf 10.000 Einwohner kommen 38 praktizierende Ärzte.
Insgesamt sind in Deutschland 480.000 Ärzte zugelassen, doch ein Viertel von ihnen ist nicht aktiv. „Die vorhandenen Ressourcen werden schlichtweg nicht ausgeschöpft“, hat die Leipziger Ärztin Dr. med. Dilan Sinem Sert festgestellt. Den stressigen Arbeitsalltag hat sie in der Klinik selbst kennengelernt. Immer wieder fielen auf ihrer Station Kollegen aus, weil sie selbst oder die Kinder erkrankt waren. Für das verbliebene Personal stieg die Belastung enorm. „Dabei hätten diese Dienste von freiberuflichen Honorarärzten übernommen werden können. Doch diese werden oft nicht erreicht“, schildert Sert die Möglichkeiten, diesen Personalengpass zu beseitigen. Grund für das Dilemma sind zeitraubende Strukturen in den Kliniken: Zuerst meldet die Station den Bedarf an den Chefarzt, dieser wendet sich an die Personalabteilung, die dann Vermittlungsagenturen anrufen. Erst von dort werden die Mediziner direkt angesprochen.
Künstliche Intelligenz automatisiert vielzählige Arbeitsschritte
Gemeinsam mit Freunden entwickelten sie eine Plattform, mit der sich über stationäre und mobile Endgeräte Ärzte vermitteln lassen. Im Herbst 2018 stellte Sert bei den Business Awards der Leipziger Gründerinitiative Smile ihr Businesskonzept vor und die Mittelständische Beteiligungsgesellschaft (MGB) Sachsen wurde auf sie aufmerksam. Da die MBG auch einen Teil der Gelder des Technologiegründerfonds Sachsen (TGFS) verwaltet, begannen die ersten Gespräche über einen Einstieg bei SeDiDoc. Währenddessen gelang es der Gründerin, die ersten 16 medizinischen Häuser davon zu überzeugen, ihre Plattform zu nutzen. Für die Ärzte, deren Arbeitskraft entsprechend vergütet wird, ist die Nutzung von SeDiDoc kostenlos. Für die Vermittlung kassiert das Unternehmen eine Provision vom Auftraggeber. Geplant ist außerdem eine kostenpflichtige Premium-Mitgliedschaft. Mittels künstlicher Intelligenz liefert die Plattform binnen Sekunden Personalvorschläge; der Wunschkandidat kann online gebucht werden; Verträge und Rechnungen generiert das Tool ebenfalls automatisch. „Krankenhäuser und Praxen sparen durch den verringerten administrativen Aufwand nicht nur wertvolle Zeit, sondern auch jede Menge Geld“, schildert die Gründerin ihr Geschäftsmodell. Darüber hinaus will sie auch noch neue Arbeitszeitmodelle im Gesundheitswesen etablieren. So sollen etwa junge Ärztinnen, die Beruf und Familie vereinbaren wollen, von der Plattform profitieren. Dementsprechend hat das Unternehmen insbesondere Frauen im Blick. „70% aller Medizinstudenten sind weiblich“, so Sert.
Digitalisierung einer bislang analogen Nische
Im Dezember 2019 stieg dann der TGFS als Lead-Investor ein. „SeDiDoc verfolgt eine neuartige Digitalisierungsstrategie in der Nische der Personalvermittlung von Vertretungsärzten, welche bisher noch nicht vollständig durch analoge Lösungen gekennzeichnet ist“, schildert Tobias Voigt, Teamleiter Start-ups bei der MBG Sachsen, den Grund für das Engagement des TGFS. „Zudem bestärken die aktuellen Entwicklungen, vor allem mit Blick auf das Digitale-Versorgung-Gesetz, den Bedarf an innovativen Softwaretools auf dem Markt der E-Health-Tools.“
Ausblick
Die Corona-Pandemie hat die Stärken und Schwächen des deutschen Gesundheitswesens aufgezeigt, auch im Hinblick auf dessen personellen Kapazitäten. Das könnte SeDiDoc einen weiteren Schub verleihen. Mit dem Einstieg des TGFS soll die Technologie weiter optimiert und der Vertrieb ausgebaut werden.