Für die erfolgreiche Entwicklung eines Beteiligungsunternehmens ist das Zusammenspiel innerhalb des Geschäftsführungsteams von essenzieller Bedeutung. Das Spiel läuft jedoch nicht immer rund – was ist zu tun? Ein Praxisbeispiel.
Die Corona-Krise hat den Umsatz eines mittelständischen, global aufgestellten Unternehmens, das sich im Besitz eines Mid Cap Private Equity-Fonds befindet, massiv einbrechen lassen. Dies hängt damit zusammen, dass ein Großteil der Produkte direkt mit dem Thema Travel verbunden ist. In Folge häuften sich in der Retail-Sparte die Verluste; das Onlinegeschäft war und ist profitabel – mit sehr guter Perspektive. Schnell stellte sich der Private Equity-Eigentümer die Frage, inwieweit das Führungsteam bereit und in der Lage sei, das Unternehmen neu und zeitgemäß aufzustellen, ohne wichtige Know-how-Träger zu verlieren – denn an dem übergeordneten Ziel, den Wert der Beteiligung auf Sicht signifikant zu steigern, sollte sich nichts ändern.
Gesucht: ein realistischer Transformationsplan
Der Eigentümer entschied, sein Führungsteam solle gemeinsam mit einem externen Beraterteam einen realistischen Transformationsplan erarbeiten. Sein Ziel bestand darin, den potenziellen Beitrag der jeweiligen Führungsteammitglieder an der bevorstehenden Transformation zu erkennen, sowohl individuell als auch im Kollektiv. Der Investor wollte sich ein klares Bild über die Veränderungsbereitschaft der einzelnen Teammitglieder machen. Das Führungsteam setzte sich im konkreten Fall aus vier Geschäftsführern, zwei „Talenten“ aus der zweiten Reihe sowie einem Vertreter der Investmentgesellschaft zusammen. Das mehrstufige Programm baute vor allem auf der Bearbeitung folgender Fragen auf:
- Besteht ein Konsens zum Zweck der Geschäftsaktivität?
Zum Beispiel: Umsatz- versus Gewinnwachstum, Cash Cow versus Buy and Build-Strategie. - Was sind die übergeordneten, jedoch auf Sicht erreichbaren Ziele?
- Verfügen die einzelnen Mitglieder des Führungsteams über die für die Transformation notwendigen Führungs- und Fachkompetenzen sowie das Potenzial und die Flexibilität, sich selbst entsprechend der Neuausrichtung mitzuentwickeln? Welche möglichen „Derailer“ liegen vor?
- Arbeitet das Geschäftsführungsteam auf eine Art und Weise zusammen (Vertrauen, Transparenz, operative Disziplin), die eine Erreichung der Ziele ermöglicht?
- Ist die Organisation – Organisationschart versus gelebte Prozesse, Performance-Kriterien – richtig aufgestellt, um die geplanten Ziele gemeinsam zu erreichen?
Die Leadership Journey
Im ersten Schritt erfolgte eine Standortbestimmung der individuellen Fähigkeiten, Motivation und Erfahrung der einzelnen Programmteilnehmer. Dies wurde mit einem Executive Assessment in Vorbereitung auf das eigentliche Programm, die Leadership Journey, durchgeführt. Den Kern der Reise bildete das Team Effectiveness Assessment: eine Analyse der Art und Weise der Zusammenarbeit, der Kommunikation miteinander, der Konfliktlösungspotenziale sowie der Fähigkeit, sich im Team konsistent auf gemeinsame Ziele auszurichten. Herausgearbeitet wurde auch, welche Teamführungskompetenzen benötigt werden, um die Neuausrichtung des Unternehmens erfolgreich durchzuführen. Im dritten Schritt erfolgte ein Organisations-Assessment rund um die Fragen: Wie funktioniert die Organisation? Liegen Dysfunktionen vor? Wo liegen heute Schwachstellen und wo entstehen eventuell welche in Zukunft? Und ist die Unternehmenslogik für die gesamte Organisation transparent?
Bearbeitung von drei Business Cases
Während der Leadership Journey wurde die vom Eigentümer initiierte Transformationsaufgabe mittels dreier Business Cases bearbeitet. Sprich: Wie kann die globale Vermarktung von Produkt C von Retail auf online umgestellt werden? Was bedeutet dies an Investitionen? Wie lange benötigt das Unternehmen, den ROI zu erreichen, und wie muss die Organisation an diese Umstellung angepasst und verändert werden? Diese Business Cases wurden jeweils in Teams bearbeitet und nachfolgend vor der Gruppe präsentiert. Im Anschluss wurden die Resultate mit den übergeordneten Transformationszielen abgeglichen und in der Teilnehmerrunde kontrovers diskutiert. Aus dieser gemeinsamen inhaltlichen Erarbeitung des Transformationsplans entstand ein konkreter Fahrplan mit individuellen, am Unternehmenszweck orientierten, und mit kollektiven Zielen. Zudem zeigten sich verschiedene Handlungsalternativen zur Anpassung der Organisation.
Erkenntnisse und Konsequenzen
Aus den Team Assessments erschloss sich, dass das Geschäftsführungsteam die Unternehmensziele in der Vergangenheit weder strategisch noch unter gemeinsamer Flagge angesteuert hatte. Zudem zeigte sich, dass Abschottung im Umgang miteinander wichtiger war als Transparenz und Performance-Indikatoren nicht aufeinander abgestimmt wurden. Da sowohl die Ist- als auch die Soll-Zustände sowie deren Auswirkungen auf das operative Geschäft bei dieser Leadership Journey offensichtlich wurden, konnte sich die Organisation im Anschluss an das Programm funktional dem Transformationsplan entsprechend aufstellen, sinnvoller intern vernetzen und effektiver miteinander austauschen. Eine weitere Konsequenz war die Trennung von einem der Geschäftsführer und die Beförderung eines der „Talente“ in die Geschäftsführung. Eine Neubesetzung war somit nicht notwendig. Da das Programm zwar von außen begleitet, aber die Inhalte intern von den relevanten Stakeholdern inklusive eines Investorenvertreters erarbeitet wurden, stehen die Investmentgesellschaft und das gesamte Geschäftsführungsteam nun gemeinsam hinter dem Plan, der die nachhaltige Veränderung des Unternehmens ermöglichen wird.
Fazit
Im Idealfall führt man solche Programme vor dem Signing durch – möglich natürlich nur bei Exklusivität (welche selten gegeben ist). In der Realität werden sie meist nach dem Closing durchgeführt. In disruptiven Zeiten sind sie sehr effektiv, denn vor allem dann ist Veränderungspotenzial innerhalb der Führungsmannschaft sowie das zielorientierte und barrierefreie Zusammenspiel der einzelnen Geschäftsführungsmitglieder relevant für die Entwicklung des Unternehmenswerts.
Raoul Nacke ist CEO mit globaler Verantwortung bei Eric Salmon & Partners, einem international operierenden Executive Search & Leadership Advisory-Unternehmen. Eric Salmon & Partners arbeitet mit Vorständen und Aufsichtsräten/Beiräten von öffentlichen, privaten sowie Non-Profit-Gesellschaften und unterstützt diese bei der Entwicklung eines nachhaltigen Managements.