Betriebsmauern werden durchlässig, Projekte immer öfter von Mitarbeitern mehrerer Unternehmen umgesetzt. Vor allem Mittelständler und Start-ups können von gemeinsamer Arbeit profitieren – doch nicht immer ist das so ganz einfach.
Es war ein Vortrag von Sascha Kaczmarek auf der Hannover Messe über automatische Analysen von Kommissionierprozessen mithilfe von Sensoren und Mustererkennung, der dem Start-up MotionMiners die Tür zur Kooperation mit der 300-Mitarbeiter-Firma Meta-Regalbau öffnete. Unter den Zuhörern war der Innovationsmanager der Joachim Loh-Gruppe, zu der das mittelständische Regalbauunternehmen gehört. Er war von der Idee des jungen Mannes begeistert. Nach einem ersten Treffen in Dortmund bei MotionMiners, ausgegründet aus dem Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik, und einem zweiten beim Mittelständler in Arnsberg war man sich einig: Wir arbeiten zusammen. Sascha Kaczmarek, René Grzeszick und Sascha Feldhorst, auf dessen Doktorarbeit das Prinzip basiert, starteten mit einer Analyse von zwei Arbeitsabläufen in einem neugebauten Lager der Meta-Regalbau. „Für uns war das die Möglichkeit, eine erste Referenz zu erlangen“, erinnert sich Kaczmarek. Mittlerweile ist aus dem vorsichtigen Abtasten eine Vertriebspartnerschaft geworden. Kerstin Fiedler, Manager Digital Innovation & Technology bei Meta-Regalbau: „Mit dem ersten Kooperationsprojekt haben wir überprüft, ob unsere Lagerplanung richtig war. Die Analyse der Bewegungsabläufe durch die MotionMiners-Software hat uns Schwächen gezeigt, die wir dann abgestellt haben.“ Als Beispiel nennt sie Wartezeiten an einer Sägemaschine, die durch den Kauf einer zweiten weggefallen sind. Von der automatisierten Tracking-Lösung des Start-ups ist man bei Meta-Regalbau so überzeugt, dass man sie heute den eigenen Kunden mitanbietet. Kaczmarek: „Allein hätten wir einen solchen Marktzugang so schnell nicht geschafft.“ Man habe gelernt, sich auf Strukturen und Arbeitsweisen mittelständischer Betriebe einzustellen. Für Fiedler, die den frischen Wind junger Teams lobt, den diese in etablierte Unternehmen bringen, steht fest: „Eine Zusammenarbeit zwischen Start-ups und Mittelständlern muss immer eine Win-win-Situation sein.“ Voraussetzung sei ein offener und ehrlicher Umgang miteinander.
Start-ups bringen Schwung in Entwicklungen
Die Vernetzung von Gründern und Mittelständlern bietet zahlreiche Chancen – das geht aus einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) hervor. Demnach können Kooperationen mit Entrepreneuren den mittelständischen Betrieben helfen, innovationsfähig zu bleiben oder zu werden. Erschwert werde die Zusammenarbeit am häufigsten durch unterschiedliche Unternehmenskulturen, Probleme bei der gemeinsamen Zielsetzung und räumliche Distanz, denn etablierte Mittelständler sind häufig in ihrem ländlich strukturierten Umfeld verankert, während Gründer als Digital Natives vorwiegend in den Großstädten leben. Das mache es nicht leicht, persönliche Kontakte zu knüpfen und gemeinsame Netzwerke aufzubauen. Laut IW lassen sich vor allem die Potenziale, die neue Techniken und die Digitalisierung bergen, besser ausschöpfen, wenn mehrere Unternehmen zusammenarbeiten. Gerade Digital Start-ups, die in der Regel eine andere Herangehensweise als etablierte Corporates verfolgen, könnten Mittelständlern helfen, schneller neue Produkte und Prozesse zu entwickeln. Zudem könnten Gründer genau das Know-how beisteuern, das ältere Firmen zur Umsetzung von Industrie 4.0-Technologien benötigen. Den Newcomern wiederum bietet die Zusammenarbeit mit etablierten Firmen nach Überzeugung des IW die Chance, von deren Erfahrungen insbesondere in der Produktentwicklung und Prozesssteuerung zu lernen und zusätzliche Aufträge zu erlangen. Der Landmaschinenbauer John Deere kooperiert seit Jahren mit zahlreichen Start-ups aus verschiedenen Branchen. „Auf diesem Weg erweitern wir unsere Expertise“, nennt Torsten Klimmer, Manager Business Strategy bei John Deere, einen Vorteil. „Und wir können auf diesem Weg in einer realen Kundenumgebung die technologische Reife unserer Innovation überprüfen“, sagt Laura Stephan, Produktmanagerin des Darmstädter Start-ups Solorrow, das eine satellitengestützte App entwickelt hat, mit der Landwirte analysieren können, in welchen Feldzonen sie mehr Düngemittel einsetzen müssen und in
welchen weniger. Laut Dirk Schermutzki, Managing Partner des bridges+links Family Venture Network, eines Direktinvestmentkonsortiums von Familienunternehmen und -holdings, das in frisch gegründete Firmen investiert, sind Jägermeister, Bitburger, Fiege Logistik und Phoenix Contact gute Beispiele für clevere Kooperationen mit Gründern: „Sie verfügen über eine zu ihrem Unternehmenskern und zur Start-up-Ökonomie passende differenzierte Innovations- und Investitionsstrategie, haben die Anforderungen an Venture Capital-Investments verstanden und hierfür Strukturen und Ressourcen geschaffen.“
Helfer für beide Seiten
Fiedler empfiehlt ihren mittelständischen Kollegen, kontinuierlich und genau auf Wettbewerber und die Start-up-Szene zu schauen. Was machen die? Wer arbeitet an welchen Innovationen? Hierfür seien Konferenzen, Messen und Veranstaltungen von Kammern oder Hubs hilfreich. Beim Digital.Hub Logistics in Dortmund beispielsweise – einem von bundesweit zwölf vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Technologie-Knotenpunkten mit bisher rund 1.000 Netzwerkveranstaltungen und 40.000 Teilnehmern – trafen sich Anfang Juni zum Thema „künstliche Intelligenz“ zehn etablierte Unternehmen und drei Start-ups. „Wir schaffen Angebote, um beiden Seiten die Möglichkeit zu geben, sich kennenlernen“, begründet Hub-Managerin Maria Beck ihre „Partnervermittlung“. Kooperationen zwischen jungen und mittelständischen Betrieben werden nicht selten eingegangen, um eine Idee oder das erste Produkt eines Entrepreneurs weiterzuentwickeln. Beispiel: Der Anwender Meta-Regalbau kann dem Start-up MotionMiners hilfreiche Hinweise aus der Praxis geben. Das ist für Dietmar Kunisch-Quadflieg ein wichtiger Ansatzpunkt für solche „Verlobungen“. Als Consultant der auf Interimsmanagement spezialisierten Personalberatung Management Angels betreut er vielzählige Technologieunternehmen der Mobility-Branche sowie Führungskräfte auf Zeit. „Nicht selten wird ein sehr spezielles Produkt eines Start-ups erst durch die Kooperation mit einem KMU anwendungs- oder serienfähig. Umgekehrt kann ein existierendes Produkt eines KMU durch die Innovation eines Start-ups aufgebessert werden, was dem etablierten Unternehmen hilft, sich am Markt zu stabilisieren oder neue Kunden zu gewinnen.“
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