Während die Aktie des Elektroautobauers Tesla in den letzten Monaten regelrecht nach oben geschossen ist, haben die Papiere der deutschen Automobilkonzerne an Wert verloren – teilweise sogar deutlich. Mit ein Grund für diese Entwicklung: Die deutsche Autoindustrie hinkt beim Thema E-Mobilität nach wie vor hinterher. Ist die Bundesrepublik also wirklich kein Elektroland? Keineswegs. Insbesondere in der Start-up-Szene gibt es einige erfolgreiche Jungunternehmen die auf Strom setzen.
VC Magazin: InnoEnergy und Kumpan arbeiteten bereits vor dem Investment zusammen. Wie lange besteht die strategische Partnerschaft schon und wie war sie gestaltet?
Tykesson: Zum ersten Mal telefoniert haben wir Ende 2018. Hintergrund war, dass InnoEnergy auch beim schwedischen Batteriehersteller Northvolt engagiert ist. Deren Gründer, Peter Carlsson, ist bei uns investiert und so kam der Kontakt zustande.
Müller: Aufgrund der Veränderungen im Energiemarkt und der Tatsache, dass das Thema Mobilität zunehmend in den Mittelpunkt rückt, haben wir beschlossen, in diesem Bereich strategische Partnerschaften einzugehen. Ich möchte betonen, wie herausragend es ist, dass Patrik Tykesson und seine Brüder bereits 2010 begonnen haben, sich mit E-Mobilität auseinander zusetzen, zu einer Zeit, als das Thema – zumindest in der Öffentlichkeit – noch gar keines war. Da wir, wie Patrik bereits sagte, über unser Engagement in der Europäischen Batterieallianz und durch die Partnerschaft mit Northvolt viel Erfahrung im Batteriebereich hatten, war es für uns sehr spannend, mit einer Applikation eine Brücke in den Micro Mobility-Bereich zu schlagen. Parallel zu diesem Projekt haben wir angefangen, unsere eigene Investmentstrategie für den Mobilitätssektor zu entwickeln. In der Frage, welche Art von Themen wir in diesem Feld bespielen wollen, war die Zusammenarbeit mit Kumpan sehr hilfreich für uns.
VC Magazin: Was hat für InnoEnergy den Ausschlag gegeben, zuletzt 3 Mio. EUR zu investieren?
Müller: Wir sehen bei Kumpan ein multidimensionales Potenzial, das sich vom Antriebsstrang über die Batterie bis über viele weitere Komponenten wie Software erstreckt. Was uns wirklich begeistert, ist die Weitsicht im Design. Fast alle Vehikel der sogenannten letzten Meile sind heute mit Wechsel-Akkus ausgestattet und Kumpan hat hier mit seinem smarten Batteriesystem ganz klar einen technologischen Vorsprung – auch in Kombination mit den aufgebauten Lieferketten. Das schafft die Voraussetzung für eine hohe Skalierbarkeit. Dazu kommt der Vorbildcharakter, den Kumpan auf der Konsumentenseite haben wird. Natürlich stellen wir Finanzmittel zur Verfügung, bringen aber auch unser Innovationsökosystem ein, um Kumpan mit seiner Geschäftsidee noch erfolgreicher und größer machen zu können.
VC Magazin: Wie wichtig waren die Zusatzleistungen für Sie als Gründer, Herr Tykesson?
Tykesson: Wir haben in der Vergangenheit immer darauf geachtet, dass Investitionsrunden nicht nur aus Kapital bestehen, sondern auch Mehrwerte entstehen. Grundlage war daher immer eine Partnerschaft, in der der Investor auch etwas zum Erfolg des Unternehmens beitragen kann. So hat beispielsweise Peter Carlson neben Kapital auch sein Netzwerk und mit seiner Erfahrung bei Tesla ein unglaubliches Know-how mitgebracht. Bei InnoEnergy war es genauso: Einer der ausschlaggebenden Punkte für uns war es, dass wir mit dem Engagement einen Partner gewonnen haben, der – auch aufgrund anderer Beteiligungen – starke Kenntnisse und ein großes Netzwerk im Energiesektor mitbringt. Kapital ist ein Werkzeug, ein wichtiges zwar, aber es alleine reicht nicht, um ein Unternehmen erfolgreich aufzubauen und zu skalieren.
VC Magazin: Wie haben Sie sich bislang finanziert?
Tykesson: Das Land Rheinland-Pfalz ist über eine Venture Capital-Tochter der ISB bei uns investiert. Darüber hinaus haben wir von einer Reihe von Business Angels an Bord. Klassische Venture Capital-Gesellschaften sind bislang nicht an uns beteiligt. Unsere Bestandsinvestoren sind auch bei der jüngsten Finanzierungsrunde wieder engagiert.
VC Magazin: Wie nehmen Sie die Verfügbarkeit von Beteiligungskapital für Mobilitäts-Start-ups mit Hardware-Komponente aktuell wahr?
Tykesson: Anders als die meisten Unternehmen stellen wir durch Corona einen klaren Anstieg bei der Nachfrage fest. Aus Sorge vor der Ansteckungsgefahr in öffentlichen Verkehrsmitteln halten immer mehr Leute Ausschau nach umweltfreundlichen individuellen Transportmöglichkeiten. Autos mit Verbrennungsmotoren sind dafür keine zukunftsgerichtete Alternative. Das kommt uns und anderen Unternehmen im Micro Mobility-Sektor zugute, perspektivisch auch bei der Suche nach Investoren. Abgesehen von Corona spüren wir seit längerem ein gesteigertes Interesse. Zwei Faktoren sind dafür meines Erachtens entscheidend: Wenn wir unser Unternehmen als Beispiel nehmen, bedienen wir nicht nur das Feld der Mobilität, sondern sind darüber hinaus auch im Energiesektor aktiv. Darauf aufbauend bringen wir die Software-Komponente mit. Der zweite Faktor ist, dass viele Kapitalgeber mittlerweile nicht mehr nur in Software investieren wollen, sondern diese „Smartness“, die – gekoppelt mit der entsprechenden Hardware – skalierbar ist, in den Fokus gerückt wird. Ob und wie sich aufgrund von Corona das Investitionsverhalten ändert, muss man abwarten.
Müller: Wir beobachten nach wie vor eine gewisse Zurückhaltung, wenn es allgemein um das Thema Hardware geht. Natürlich ist immer der Einzelfall entscheidend, aber unser Eindruck ist, dass sich Hardware-Start-ups, die Komponenten liefern, oft leichter tun Investoren zu gewinnen, als solche, die beispielsweise ganze Fahrzeuge entwickeln. Am Ende ist für einen Venture Capital-Fonds immer die Frage nach der Skalierbarkeit entscheidend. Nehmen Sie nur das Beispiel der Lastenfahrräder: Gerade im Bereich der urbanen Mobilität haben diese viel Potenzial, kommen aber bislang schwer an Wagniskapital ran. Wir hoffen, dass sich dies auch im Zuge des durch Corona beschleunigten Wandels hin zu nachhaltigen Mobilitätskonzepten auch beim Individualverkehr in urbanen Räumen ändert. Es gibt dafür viele gute Argumente.
VC Magazin: Kumpan möchte nun international expandieren. Welche Schritte sind dazu geplant?
Müller: Die Strategie sieht vor, mit Partnerschaften zu wachsen, also nicht mit eigenen Niederlassungen ins Ausland zu gehen. Unseres Erachtens ist das eine sehr effiziente Herangehensweise, um schnell expandieren zu können. Wir als Investor unterstützen solche internationalen Partnerschaften aktiv.
Tykesson: Genau dieser Punkt ist ein gutes Beispiel für den Mehrwert, den InnoEnergy als Gesellschafter für uns hat: Ein Netzwerk auch außerhalb Deutschlands, das es uns ermöglicht, eben diese Partnerschaften einzugehen. Unser Fokus lag in den letzten Jahren klar auf der DACH-Region, um aus einer starken Position im Heimatmarkt heraus dann zu internationalisieren. Vor Ort brauchen wir gute Partner, da wir beispielsweise im B2B-Geschäft unsere Fahrzeuge an Sharing-Anbieter vertreiben, die diese dann in ihre Flotten integrieren. Das erfordert, dass die Kunden entsprechend betreut werden. Ähnlich verhält es sich im Retail-Segment. Eine Betreuung von Deutschland aus ist zwar möglich, aber nicht nachhaltig.
VC Magazin: Herr Müller, Herr Tykesson, vielen Dank für das Interview.
Christian Müller kam 2013 als CEO der deutschen T ochtergesellschaft zu EIT InnoEnergy, nachdem er verschiedene Führungspositionen bei Hoechst, Siemens und ABB innehatte. Mit über 330 Portfolio-Start-ups und über 550 Mio. EUR Investitionsvolumen seit 2010 ist EIT InnoEnergy einer der größten europäischen Investoren in nachhaltige Energieinnovationen. Gemeinsam mit seinen Brüdern Daniel und Philipp gründete Patrik Tykesson 2010 die e-bility GmbH. Das Remagener-Unternehmen ist vornehmlich bekannt für Elektroroller der Marke Kumpan electric, welche es eigens designed, entwickelt und produziert. Für ihre Pionierarbeit im Bereich E-Mobilität wurden die Brüder vielfach ausgezeichnet. In den vergangenen Jahren hat e-bility sein Portfolio von der reinen E-Roller-Produktion auf die Entwicklung von digitalisierten Energiespeichersystemen und smarten Mobilitätslösungen, wie z.B. Sharing-Lösungen für Unternehmen und Kommunen, erweitert.