Künstliche Intelligenz (KI) ist eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft. Manche erwarten, ihr Durchbruch werde mehr verändern als seinerzeit die Elektrizität. Start-ups, welche die entsprechenden Technologiebausteine entwickeln oder zur Anwendung bringen, liegen bei Investoren hoch im Kurs, und immer mehr Gründer widmen sich der KI oder bauen sie in ihr Business ein. In der aktuellen Studie „Künstliche Intelligenz – wo stehen die deutschen Startups?“ des Bundesverbands Deutsche Startups und des Inkubators Hubraum geben rund 40% der deutschen Start-ups an, dass KI einen klaren Einfluss auf ihr Geschäftsmodell habe. Vor einem Jahr waren es 14% weniger.
Applied AI, die Initiative für angewandte künstliche Intelligenz der TU München, zählte im März 2020 deutschlandweit 247 Start-ups, die in signifikantem Umfang AI einsetzen. Verglichen mit dem Vorjahr ist die Zahl um 15% gestiegen. Die meisten finden sich in München (95) und Berlin (61), gefolgt von Hamburg (14) und Karlsruhe (9); die Überlebensrate ist mit aktuell 90% erfreulich gut. Hinsichtlich der Branchen sind die Start-ups überwiegend den deutschen Schlüsselindustrien Fertigung, Transport und Mobilität sowie dem Gesundheitswesen zuzuordnen. Sie entwickeln überwiegend Lösungen für die Unternehmensbereiche Marketing und Customer Service, nur wenige fokussieren Deeptech-Bereiche wie IT und Cyber Security. Zum Teil dürfte das dadurch bedingt sein, dass große Unternehmen für sensitive Bereiche auf hauseigene Lösungen setzen. Auch das Finanzierungsvolumen steigt: Seit 2010 haben deutsche KI-Start-ups insgesamt 2,2 Mrd. EUR eingeworben; das durchschnittliche Funding stieg 2020 gegenüber dem Vorjahr um 24%. In München liegt es aktuell bei 27 Mio. EUR pro Start-up, in Berlin bei 9 Mio. EUR.
Der Begriff
In der öffentlichen Diskussion existieren zahlreiche Ansätze zur Definition des Begriffs KI. Dabei herrscht Einigkeit darüber, dass reine Datenaggregation und sogenannte deskriptive Modelle der Datenanalyse nicht dazu zählen. Eine „Intelligenz“ müsse einen zukunftsgerichteten Wert bieten, wie zum Beispiel eine Prognose liefern oder sogar konkrete Handlungsempfehlungen geben, so Andre Retterath, Associate und KI-Spezialist bei Earlybird Venture Capital. Zuvor arbeitete er bei thyssenkrupp als Predictive Maintenance Engineer und im Bereich der Prozessautomatisierung, später in der Technologieberatung. Zu Earlybird kam Retterath während seiner Dissertation. Darin untersucht er unter anderem, wie sich KI und Machine Learning im Venture Capital-Geschäft, etwa zum Sourcing und zur Selektion von Deals, einsetzen lassen.
Das Framework
Bei der Analyse von KI-Unternehmen nutzt Earlybird ein einfaches Framework. Zunächst, sagt Retterath, unterscheide er, ob das Unternehmen eine horizontale und industrieunabhängige KI-Lösung entwickelt oder bestehende KI-Lösungen miteinander kombiniert und hiermit einen speziellen Anwendungsfall adressiert. Für die weitere Einordnung der horizontalen KI-Unternehmen nutzt Earlybird das Modell der Data Value Chain. Dies beschreibt die Wertschöpfungskette von der Datensammlung über die Entwicklung der KI bis zur Anwendung. Durch den Einsatz von „vertikaler KI“ werden anwendungs- oder branchenspezifische Probleme gelöst. So unterscheidet Retterath horizontale Technologieanbieter, die vorwiegend Grundlagenforschung betreiben, und vertikale Integratoren, die spezifische Anwendungen, etwa in Medizin, Marketing oder HR entwickeln. „Es geht nicht darum, eine Trennlinie zu ziehen”, so Retterath, „denn die meisten KI-Start-ups bewegen sich im Laufe der Zeit zwischen der horizontalen und vertikalen Dimension.” Wichtig sei, dass die Anbieter entlang der Value Chain miteinander kooperieren und sich auf ihre jeweiligen Stärken konzentrieren. „Wir haben den Eindruck, dass in Deutschland viele Unternehmen versuchen, das KI-Rad neu zu erfinden, und so den Großteil ihrer Ressourcen verschwenden.“ Zahlreiche grundlegende Algorithmen und Deep Learning-Modelle stünden öffentlich zur Verfügung – sie müssten aber durch das Training mit oft proprietären Daten für neue Anwendungen nutzbar gemacht werden. Für vertikale Integratoren sei es oft besser, bestehende Modelle zu nutzen und sich auf die spezifische Anwendung zu konzentrieren, so Retterath. KI sei kein Selbstzweck: Es gehe darum, einen wirtschaftlichen Mehrwert zu schaffen.
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der aktuellen Ausgabe des VentureCapital Magazins.