Deutschland hat sich in den letzten Jahrzehnten zum attraktiven Standort für Gründungen und Innovation gemausert. Längst konzentrieren sich die Start-up-Aktivitäten nicht ausschließlich in Berlin oder München. Die Bilanz fällt positiv aus – dennoch gibt es Luft nach oben.
Die Gründer- und Start-up-Szene hierzulande kann sich sehen lassen: Denn Deutschland hat ein deutlich reiferes Start-up-Ökosystem als früher; im Vergleich zu den USA oder England ist es nicht mehr „das hässliche Entlein“. Die Erfolge der letzten Jahre und die gestiegene Zahl an Start-ups spiegeln die positive Entwicklung des Ökosystems wider. Obwohl die Pandemie die Start-ups stark trifft – drei Viertel davon sehen sich aufgrund von Corona in ihrer Geschäftstätigkeit beeinträchtigt (Deutscher Startup Monitor 2020) und einige bangen um die Existenz –, zeigen sich junge innovative Unternehmen optimistisch. Gleichzeitig rücken digitale Geschäftsmodelle stärker in den Vordergrund und der Wunsch nach Venture Capital gewinnt an Größe. „Gründungen sind salonfähig geworden. Früher erweckten sie oftmals den Eindruck einer Notlösung, wenn man keinen Job bei einem namhaften Konzern bekommen konnte. Heute genießen junge innovative Unternehmen eine hohe Attraktivität, und das motiviert andere, nachzuziehen“, so Wolfgang Lubert, Geschäftsführer beim Investor EnjoyVenture. Außerdem ist „grundsätzlich genügend Kapital im Markt vorhanden, um gute Ideen, Gründerteams und innovative Produkte zu unterstützen“, erklärt Maria Piechnick, Co-Founder des Start-ups Wandelbots und Mitglied im Beirat Junge Digitale Wirtschaft.
Reifes Ökosystem
Die in den letzten Jahren gestiegene Zahl an Start-ups spricht für die positive Entwicklung des Ökosystems. „Es hat sich in den letzten 20 Jahren, was die Standortbedingungen angeht, unheimlich viel getan. Deutschland hat stark aufgeholt in Bezug auf die etablierten Venture Capital-Märkte wie USA oder auch in Europa. Auf Seite der Kapitalgeber hat sich sogar etwas Wettbewerb entwickelt. Früher waren Start-ups einfach froh, wenn sie überhaupt jemanden gefunden haben“, so Lubert. Der Meinung ist auch Franziska Teubert, Geschäftsführerin des Bundesverbands Deutsche Startups: „Der Start-up-Standort Deutschland hat sich in den letzten zehn Jahren gut entwickelt. Wir sehen immer mehr Gründungen. Genaue Zahlen, die die Überlebensquote von Start-ups aus verschiedenen Ländern vergleichen würden, kennen wir nicht. Wir haben aber keinen Grund zur Annahme, dass in Deutschland die Quote, die es schaffen und erfolgreich werden, geringer ist als in anderen Ländern.“ Laut der aktuellen Studie KfW-Start-up-Report 2020 zählt Deutschland derzeit circa 70.000 Start-ups.
Zahlreiche Hotspots
Wenn man an regionale Start-up-Hotspots denkt, kamen bisher meist nur Berlin und München infrage, danach Hamburg. Klar: Zalando (Berlin) oder FlixMobility (München) sind ein paar der erfolgreichsten Gründungen, die dort entstanden. Es hat aber ein Wandel stattgefunden. „Auch in der Metropolregion Rhein/Ruhr oder der Region Stuttgart/Karlsruhe werden viele Start-ups gegründet“, erklärt Teubert. Es beginnt, sich deutschlandweit zu verteilen, an Orte mit Unianschluss. „Was wir aktuell sehen, ist, dass NRW aufholt: mit der Metropole Köln und dem forschungsstarken Standort der RWTH in Aachen, aber auch dem Ruhrgebiet und den anderen Regionen“, sagt Dr. Thomas Großmann, Fachbereichsleiter „Gründungsnetzwerke“ beim Projektträger Jülich. Auch Ost-Westfalen ist ein Hotspot für Digitalisierung. Als Biotechnologiestandort ist Bayern weit vorne, mit gleich mehreren Regionen, in denen sich Life Sciences-Firmen niedergelassen haben. „Der Süden Deutschlands ist insbesondere stark, wenn Start-ups es schaffen, mit ihrem Angebot an die umliegende Industrie – also Maschinenbau, IoT und produzierendes Gewerbe – anzuknüpfen, und auf einem B2B-Geschäftsmodell basieren“, so Teubert.
Innovation und KI
Themen wie Innovation und Nachhaltigkeit nehmen bei den Start-ups eine immer größere Rolle ein; mittlerweile setzen 43% darauf, was einem Zuwachs von circa 10% nur innerhalb der letzten paar Jahre entspricht (Deutscher Startup Monitor, DSM, 2020). Künstliche Intelligenz (KI) ist auf dem Vormarsch: Für über 40% der Start-ups hat diese Technologie einen klaren Einfluss auf ihr Geschäftsmodell. „Ein positives Beispiel für diese Entwicklung ist scoutbee aus Würzburg, die eine KI-Lösung für die Lieferantensuche von Unternehmen entwickelt haben. Auch sie konnten dieses Jahr namhafte Investoren für sich gewinnen“, so Piechnick.
Venture Capital-Finanzierung immer beliebter
In absoluten Zahlen kann Deutschland zwar noch nicht mit den USA mithalten, aber die Konjunktur für das Wagniskapitalgeschäft ist hierzulande positiv. Allerdings ist die Finanzierung für Start-ups oft noch mühsam. Laut dem KfW-Start-up-Report haben sogar 84% einen Finanzierungsbeitrag aus privaten Eigenmitteln geleistet. Der Weg der klassischen Kreditfinanzierung bereitet Gründern häufig Schwierigkeiten. Auch daher will ein Fünftel der Start-ups bei der Finanzierung auf Venture Capital zurückgreifen – doppelt so viele wie vor zwei Jahren. Je innovativer und wachstumsorientierter ein junges Unternehmen ist, desto mehr kommt Venture Capital infrage. Dem hohen Risiko bei einer Beteiligung von Business Angels oder Venture Capital-Fonds stehen auch hohe Renditechancen gegenüber. Geld allein reicht Start-ups nicht: Venture Capital-Investoren sollen Gründer ebenfalls mit ihrem Netzwerk und Know-how unterstützen. Piechnick vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft warnt: „Längst nicht alle Investoren schaffen es, sich hier zu differenzieren, und daher sollte sich auch jede Gründerin oder Gründer gut überlegen, wer langfristig als Partner infrage kommt.“
Den vollständigen Beitrag lesen Sie in der Sonderausgabe „Start-up 2021“, die am 30.10.2020 erscheint.