Sehr frühzeitig nach Beginn der Corona-Pandemie versprach die Bundesregierung Start-ups umfassende Hilfen. Doch was vielversprechend begann, ist für nicht durch Venture Capital finanzierte Start-ups in den einzelnen Bundesländern nur schleppend oder überhaupt noch nicht umgesetzt. Ob und in welcher Höhe Start-ups die Hilfen tatsächlich in Anspruch nehmen können, hängt hauptsächlich von ihrem Standort ab.
Das „Corona-Maßnahmenpaket“ der Bundesregierung teilt sich in zwei Säulen auf. Säule I richtet sich an Start-ups, die bereits eine Finanzierung durch Venture Capital-Fonds erhalten haben oder eine solche Finanzierung aktuell planen. Säule II zielt auf Start-ups, die bisher nicht durch Venture Capital-Fonds finanziert sind. Am 01.04.2020 versprachen Olaf Scholz und Peter Altmaier: „Start-ups bekommen 2 Mrd. EUR: Maßgeschneiderte Unterstützung in der Corona-Krise.“ Während die Umsetzung in Säule I angesichts der komplexen Fragestellungen noch verhältnismäßig zügig voranging und über KfW Capital sowie EIF als Hauptanlaufstellen organisiert wurde, ist den Landesförderinstituten auf Ebene der Bundesländer individuell die Verteilung der Mittel aus Säule II aufgetragen. In mehreren Bundesländern ist diese Förderung für Start-ups ohne Venture Capital-Investoren bis heute noch nicht umgesetzt. Mecklenburg-Vorpommern, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen haben noch keine Programme aufgestellt, zu denen Start-ups Anträge stellen könnten. In anderen Bundesländern ist bereits Geld geflossen.
Antragsprozess der Säule II ist angelaufen
In den meisten Bundesländern sind die Programme für Säule II im Spätsommer gestartet, auch wenn es bis dahin ein langer Weg war. Für die Antragsstellung müssen sich die Start-ups am Standort ihres Verwaltungssitzes an den vom jeweiligen Bundesland bestimmten Ansprechpartner wenden. Je nach Bundesland variieren die Voraussetzungen und der Antragsprozess erheblich. Häufig stehen jedoch Onlineformulare zur Verfügung, in denen die wichtigsten Unternehmenskennzahlen erfasst werden müssen, bevor es in den persönlichen Austausch zwischen Start-up und Landesförderinstitut geht. Zudem muss eine Vielzahl von Unterlagen eingereicht werden. Neben einem aktuellen Jahresabschluss und Geschäftsausblick werden häufig auch eine Darstellung der coronabedingten Notlage und ein Businessplan verlangt. Für Start-ups ist es ratsam, sich persönlich und direkt an die Ansprechpartner der Förderinstitute zu wenden sowie die Einzelheiten und Formate solcher Unterlagen abzustimmen. Vielerorts bieten die Förderinstitute eine persönliche Beratung an oder setzten diese für die Antragsgewährung sogar zwingend voraus.
Umfang und Ausgestaltung der Hilfen in Säule II: Ländersache
Die individuelle Höhe und die konkrete rechtliche Ausgestaltung der Förderung hat jedes Bundesland in Eigenregie festgelegt. Die Bandbreite der Angebote ist groß: In Brandenburg beispielsweise stehen Finanzierungsmittel zur Stärkung der Eigenkapitalbasis von Start-ups in Form von Nachrangdarlehen mit Kündigungs- beziehungsweise Wandlungsrecht zur Verfügung. In Niedersachsen wiederum ist beispielsweise Mezzanine-Kapital in Form einer stillen oder auch offenen Beteiligung möglich. Während in Rheinland-Pfalz nur Mittel zwischen 100.000 EUR und 500.000 EUR beantragt werden können, geht der Rahmen in Sachsen oder Berlin bis 800.000 EUR pro Unternehmen.
Die Finanzierungen des Maßnahmenpakets in der Praxis
Die Förderung durch das Maßnahmenpaket richtet sich im Gegensatz zu den allgemeinen Branchenhilfen speziell an Start-ups mit realistischen Wachstumschancen. Obwohl die Nachfrage hoch ist, bleibt die Zahl der Antragsstellungen pro Bundesland insgesamt überschaubar. In den meisten Bundesländern mit bestehenden Programmen sind aktuell weniger als 100 Antragsverfahren anhängig. Positiv hieran ist, dass die Antragssteller von den Förderinstituten meist gut betreut und persönlich beraten werden. Im Vergleich zur langen Planungsphase laufen die Antragsverfahren recht zügig ab. Vielerorts nimmt die Prüfung rund drei bis sechs Wochen in Anspruch und die Auszahlung erfolgt nach Vertragsschluss zeitnah. Damit ist die Förderung auch für Unternehmen geeignet, die zeitnah auf finanzielle Unterstützung angewiesen sind. In Säule I werden Wagniskapitalinvestments mit staatlichem Geld begleitet. Auch hier ist zwar das Start-up Empfänger der Förderung – die Anträge müssen allerdings direkt über die privaten Venture Capital-Fonds bei KfW Capital beziehungsweise EIF eingereicht und zwischen diesen Parteien verhandelt werden. Venture Capital-finanzierte Start-ups sind daher auch darauf angewiesen, dass sich ihre Investoren überhaupt dafür entscheiden, entsprechende Mittel zu beantragen. Auch wenn dies auf den ersten Blick selbstverständlich erscheinen mag, bestehen erhebliche Hürden. Akkreditierungsfähig sind nur europäische Venture Capital-Fonds. Da öffentliche Gelder zur Verfügung gestellt werden, werden den Investoren für die treuhänderische Verwaltung der mit den Finanzmitteln erlangten Beteiligungen ein strenges Haftungsregime und umfassende Informationspflichten auferlegt, all dies ohne Vergütung.
Auch kurzfristige Lösungen müssen mit Weitsicht geplant werden
Finanzierungen aus dem Maßnahmenpaket sind teilweise auf bis zu acht Jahre angelegt und begleiten damit das Start-up für eine relativ lange Zeitspanne. Sowohl potenziell neue Finanzierungsrunden, die Start-ups spätestens nach einer Normalisierung der Situation anstreben dürften, als auch Bestands- und Neuinvestoren müssen in einigen Monaten und Jahren mit dem jeweils ausgehandelten Förderrahmen noch in Einklang zu bringen sein, um auch das weitere Wachstum der Start-ups uneingeschränkt zu ermöglichen. Diese Szenarien sollten durchdacht und durch ausreichende Bewahrung der eigenen Flexibilität bei den jeweiligen Verhandlungen abgebildet werden.
Fazit
Gerade für die sehr agile Start-up-Branche sind die Hilfen spät angelaufen. Für einen Großteil der jungen Unternehmen, die smarte Lösungen für die Zukunftsfähigkeit Deutschlands entwickeln, Arbeitsplätze schaffen und das Unternehmertum weiter stärken, stehen bis heute weiterhin keine Hilfen bereit. Dort, wo dies der Fall ist, gilt es, sorgsam zu prüfen, ob eine Inanspruchnahme der Hilfen sinnvoll ist. Zumindest für die Hilfen der Säule II sind in vielen Bundesländern die Bedingungen für die Inanspruchnahme gut und die daran geknüpften Verpflichtungen akzeptabel. Für viele Start-ups, die den steinigen Weg der letzten Monate überstanden haben, können die Hilfen der Säule II nun zur Stabilisierung beitragen.
Dr. Katy Ritzmann verantwortet als Rechtsanwältin und Partnerin der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann die Bereiche Digitales und Technologie mit Venture Capital-, IP-/IT- sowie Datenschutzbezug. Sie hat in den letzten Monaten zahlreiche Start-ups bei den Herausforderungen um Finanzierungen im Zusammenhang mit den Corona-Folgen beraten. Sie berät laufend international agierende Venture Capital-Investoren bei ihren Investitionen im deutschen Markt.