Adventsgespräche – 8. Dezember

Mit Oliver Freigang, qashqade

Der Advent ist eine willkommene Gelegenheit, inne zu halten, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und neue Energie für die bevorstehenden Aufgaben zu sammeln. In der Reihe „Adventsgespräche“ kommen Köpfe der deutschen Venture Capital- und Private Equity-Szene zu Wort, ziehen ein Fazit zu 2020 und werfen einen Blick nach vorne auf die kommenden zwölf Monate.

VC Magazin: Wie haben sich Reporting-Tools und die Investorenkommunikation in den letzten Jahren im Private Equity- und Venture Capital-Segment verändert?
Freigang: Die Nachfrage nach einem detaillierten und transparenten Reporting – gerade auf Seiten der Investoren – hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Das gilt nicht nur für das Reporting der ESG-Richtlinien sondern generell für Investoren-Reporting. Es reicht nicht mehr, nur den Investoren einige Zahlen zu schicken, sondern es wird erwartet, dass jede einzelne Investition im Detail ausgewiesen wird; wenn möglich inklusive verschiedener Metriken wie Bruttorendite, Fund Multiple und weitere mehr. Das stellt natürlich viele, insbesondere kleinere oder mittelgroße Fund Manager vor Schwierigkeiten, da diese Informationen oft händisch aufbereitet und erstellt werden müssen. Es gibt Anbieter automatisierter Lösungen, aber oft entspricht diese nicht den unterschiedlichen Anforderungen jedes einzelnen Fund Managers. Es gibt Standardisierungsinitiativen auf dem Markt – zum Beispiel ILPA –, doch diese etablieren sich noch sehr langsam und nützen den Datenempfängern zum jetzigen Zeitpunkt noch zu wenig, um ein klares Bild über seine Investitionen zu erhalten. Solange diese Initiativen nicht etabliert sind, brauchen die Marktteilnehmer flexible Tools, welche die Granularität und das Format anbieten, welche jetzt gebraucht werden.

VC Magazin: Was hat sich speziell durch Corona verändert?
Freigang: Corona hat dazu geführt, dass Unternehmen in unserer Industrie ihr digitales Set-up überprüfen und notfalls Anpassungen machen mussten. Das galt am Anfang der Krise vermehrt für Kommunikationsmittel wie Zoom, Skype oder MS Teams und danach für andere technologische Lösungen im Portfolio-Monitoring, Fund Accounting und auch bei anderen Systemen. Es ist deutlich zu erkennen, dass die Nachfrage nach Softwarelösungen, welche möglicherweise auch selbst bedient werden können, stark gestiegen ist. Der Trend hierfür geht stark von den USA aus und wir in Europa und in der deutschsprachigen Gegend laufen noch deutlich hinterher.

VC Magazin: Sie bieten Software-Lösungen zur Ausschüttungs- und Carry-Berechnung an. Woher kommt momentan das größte Interesse?
Freigang: Qashqade ist mehr als „nur“ eine Software zur Berechnung von Carry. Wir haben mittlerweile Lösungen für Cashflow-Analysen und Szenarioberechnungen sowie Investor-Reporting eingeführt und auch Schnittstellen zu vielen großen Fund Accounting-Lösungen entwickelt. Unsere Kunden benutzen uns als Data Warehouse und als Kommunikationsportal zwischen Fund Managern und ihren Investoren. Die Carry-Berechnung ist der Nukleus des Angebots, welcher die darauf aufbauenden Lösungen einzigartig flexibel und stabil macht.
Gerade die Themen Data Warehouse, Data Integration und Reporting stehen sehr weit oben auf der Agenda vieler Fund Manager, Fund Administratoren und Investoren. Da qashqade auch sämtliche Berechnungen präzise und schnell durchführen kann, lösen wir das Datenproblem zusammen mit dem offline Kalkulationsproblem. Momentan gewinnen wir viele Kunden auf der Fund-Administratorenseite und auf der Investorenseite. Das liegt vor allem daran, dass vollautomatisierte Lösungen, die man selbständig benutzen kann, wie unsere, in beiden Bereichen kaum vorhanden sind, aber die Benutzer Kontrolle über ihre eigenen Berechnungen und Analysen haben wollen.

VC Magazin: Welchen Eindruck haben Sie von der Verfassung der Beteiligungsszene in Zeiten von Corona?
Freigang: Die Beteiligungsszene hat nur anfänglich unter Corona gelitten, aber bereits jetzt sind die Zahlen der Neuinvestitionen und Deals oder von den investierten Assets under Management wieder auf einem Höchstniveau. Es kann sein, dass wir bei den Start-up-Investitionen erst in zwölf bis 18 Monaten einen Einfluss von Corona spüren weil dort immer erst nach einigen Monaten der Impact nachwirkt aber zurzeit sieht es nicht danach aus.

VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie persönlich auf 2020 zurück?
Freigang: Persönlich war es ein hartes Jahr für qashqade, da wir gerade dabei waren stark in den USA zu wachsen, was insbesondere in Q2 und Q3 stark gebremst wurde. Zwischen April und August sah es danach aus, dass keiner sich für unsere Produkte wirklich interessierte und erst ab September ging es wieder bergauf – aber dann so richtig. Natürlich hatten wir während dieser gut sechs Monate Zeit unsere Produktpalette den Ansprüchen des Marktes entsprechend auszubauen aber es war kein schönes Gefühl, wenn gefühlt keiner mit einem reden will. Als Familie war es ein interessantes Jahr für mich und meine Familie. Wie viele Leute und Familien hatten wir Pläne für 2020, welche wir nicht umsetzen konnten aber als Familie sind wir noch enger zusammengewachsen und haben einiges über uns selber gelernt.

VC Magazin: Und Ihr Blick nach vorne in Richtung 2021?
Freigang: Das Jahr 2020 hat bewiesen, dass unsere Industrie trotz vieler Einschränkungen weiter wächst, so dass man auch in 2021 mit weiterem starken Wachstum rechen sollte.
Aus Sicht von qashqade bin ich ebenfalls zuversichtlich für das kommende Jahr und erwarte einen weiteren großen Schub für uns. Gemäss dem Moto, „What doesn’t kill you makes you stronger“ gehen wir gestärkt aus dieser Krise hervor und wissen, dass wir unsere selbstgesetzten Ziele erreichen können und werden. Persönlich würde ich mich über eine wiedergewonnene Reisefreiheit sowie Konferenzen mit Teilnehmern (nicht virtuell) freuen, sobald das Virus eingedämmt ist.

VC Magazin: Herr Freigang, vielen Dank für das Interview.

Oliver Freigang ist Gründer und CEO der Schweizer Softwarefirma qashqade.