Der Advent ist eine willkommene Gelegenheit, inne zu halten, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und neue Energie für die bevorstehenden Aufgaben zu sammeln. In der Reihe „Adventsgespräche“ kommen Köpfe der deutschen Venture Capital- und Private Equity-Szene zu Wort, ziehen ein Fazit zu 2020 und werfen einen Blick nach vorne auf die kommenden zwölf Monate.
VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie persönlich auf das Jahr 2020 zurück?
Hofmann: Auf das Jahr 2020 blicke ich mit gemischten Gefühlen zurück. Auf der einen Seite war 2020 für uns bei Drake Star ein Rekordjahr mit zahlreichen herausragenden Transaktionen, die wir durchgeführt haben, wie der Verkauf von Avira und von ProLeiT in Deutschland sowie die Wachstumsfinanzierung von HMD durch Google und Qualcomm. Der Verkauf von Freepik war eine der größten M&A-Transaktionen im Technologiesektor in Spanien jemals. Auf der anderen Seite steht 2020 für die weltweite Pandemie, Leid und Tod vieler Menschen und eine fundamentale Veränderung unserer Lebensweise.
VC Magazin: Als Investmentbank, die sich auf den Technologie-, Kommunikations- und Mediensektor spezialisiert hat, haben Sie einen tiefen Einblick in zahlreiche Transaktionen. Welche Investorengruppen waren 2020 in Deutschland besonders aktiv?
Hofmann: 2020 waren im deutschen Technologiemarkt alle Investorengruppen sehr aktiv, es gab aber unterschiedliche Entwicklungen in den einzelnen Marktsegmenten. Während die Zahl der Early Stage Venture Capital-Finanzierungen zurückging, gab es mehr Later Stage Venture Capital-Finanzierungen. Vor dem Hintergrund der Pandemie haben wir eine erhöhte Risikoaversion gesehen und Venture Capital-Investoren haben zunächst in das eigene Portfolio investiert. Im Laufe des Jahres nahm die Investitionstätigkeit wieder zu, mit einem Fokus auf Later Stage Venture Capital-Finanzierungen und Private Equity Growth/Expansion-Finanzierungen. Es wurden zahlreiche große Wachstumsfinanzierungsrunden im Later Stage Venture Capital-Bereich unter Führung deutscher, europäischer und amerikanischer Investoren durchgeführt. Der Private Equity Buyout-Markt und der Secondary-Markt blieben stabil auf hohem Niveau. Investoren haben sich verstärkt auf profitable Unternehmen konzentriert. Dies zeigt sich auch in einem deutlichen Anstieg des LBO- und Debt Financing-Volumens.
VC Magazin: Welchen Einfluss hatte Corona auf Transaktionen und das Preisniveau im Venture Capital- und Growth-Segment?
Hofmann: Ende März gab es einen massiven Einbruch am Kapitalmarkt, bei dem Technologieunternehmen in den meisten Segmenten in kürzester Zeit einen Kursrückgang von mehr als 40% verzeichneten. Dies führte kurzzeitig zu einem massiven Rückgang der Investitionen im Venture Capital- und Growth-Segment. Es gab also keinen starken Rückgang des Bewertungsniveaus privater Unternehmen, sondern einen kurzzeitigen Investitionsstopp. Dieser löste sich jedoch sehr schnell auf, als Investoren erkannten, dass die Mehrzahl der Technologieunternehmen sehr resilient gegenüber der Pandemie sind. Sehr schnell gingen dann in Q2 die Kurse im Technologiesektor wieder hoch. Investoren sind unter dem Eindruck der Pandemie selektiver geworden. Es gab Technologiesegmente, die unter der Pandemie stark gelitten haben; Themen wie Digitalisierung, IT-Outsourcing und Cybersecurity haben jedoch noch weiter an Bedeutung gewonnen. Im dritten und vierten Quartal haben die Bewertungen dann Rekordniveaus erreicht. Insbesondere im Enterprise Software-Sektor sehen wir derzeit sehr hohe Multiples.
VC Magazin: Wie stabil aufgestellt sehen Sie die deutsche Start-up-Szene?
Hofmann: Die deutsche Start-up-Szene ist in einem guten Zustand. Es gibt in zahlreichen Technologiesegmenten Unternehmen mit einer herausragenden IP, Produkten mit großer Differenzierung und internationalem Markterfolg. Dies wird seit einigen Jahren und in zunehmendem Ausmaß von internationalen Strategen und Finanzinvestoren gewürdigt und spiegelt sich wider in den großen internationalen Finanzierungsrunden und Exits deutscher Tech-Unternehmen. Deutsche Venture Capital-Gesellschaften haben hiervon durch große Exits profitiert. Es gibt eine Vielzahl erfolgreicher Tech-Unternehmer mit langjähriger Erfahrung, die sich mit ihrem Erfahrungsschatz nach dem eigenen Exit in neuen Unternehmen engagieren. Die deutsche Start-up-Szene ist daher reifer und professioneller geworden. Dies bildet eine gute Ausgangsbasis für die weitere Entwicklung.
VC Magazin: Was erwarten Sie von 2021?
Hofmann: 2021 wird zunächst von der weiteren Entwicklung der Pandemie geprägt sein. Die Bedeutung der Digitalisierung hat weiter zugenommen und Tech-Unternehmen haben sich sehr resilient gezeigt. In diesem Jahr wurde eine enorme Zahl neuer großer Fonds im Venture-, Growth- und Buyout-Segment von deutschen, europäischen und amerikanischen Investoren aufgelegt. Außerdem werden strategische Käufer zu hohen Bewertungen gehandelt und verfügen über große liquide Mittel. Vor diesem Hintergrund und der daraus resultierenden hohen Liquidität im Markt erwarte ich weiterhin ein attraktives Umfeld für Finanzierungen und M&A-Transaktionen im deutschen Technologiemarkt.
VC Magazin: Herr Hofmann, vielen Dank für das Interview.
Ralf Philipp Hofmann ist Co-Founder & Managing Partner der globalen Technologie-Investmentbank Drake Star Partners.