Der Advent ist eine willkommene Gelegenheit, inne zu halten, das vergangene Jahr Revue passieren zu lassen und neue Energie für die bevorstehenden Aufgaben zu sammeln. In der Reihe „Adventsgespräche“ kommen Köpfe der deutschen Venture Capital- und Private Equity-Szene zu Wort, ziehen ein Fazit zu 2020 und werfen einen Blick nach vorne auf die kommenden zwölf Monate.
VC Magazin: Mit welchen Gefühlen blicken Sie persönlich auf das Jahr 2020 zurück?
Birkholz: Mit Demut, Dankbarkeit und Zuversicht. Wir haben alles im Griff. Das ist die klassische Anwalts-Attitude. Das vergangene Jahr hat uns gelehrt, dass das nicht der immer der Fall ist. Es kommt alles anders, als man denkt. Wir haben eben nicht immer alles im Griff, sondern die äußeren Umstände, Widrigkeiten, Zufälle, Gutes und Schlechtes beeinflussen unser Leben manchmal in ungeahnter Weise. Wir können nicht alles wieder ganz machen und wir können nicht alles wieder gut machen. Manchmal muss man auch mit Katastrophen, Pandemien, möglicherweise mit Verlusten und auch Niederlagen leben. Und dementsprechend demütig sein. Persönlich bin ich dankbar, dass meine Familie, die lindenpartners-Teammitglieder und ich von gravierenden Gesundheitsbeeinträchtigungen verschont geblieben sind. Und dankbar für den Team-Effort, der uns als Kanzlei bislang ohne größere Blessuren durch die Krise kommen ließ. Das vergangene Jahr hat aber vor allem eines gezeigt. Es geht darum, wie man auch mit widrigen Umständen umgeht. Es geht um den Spirit, mit dem man sich der Welt allgemein, vor allem aber Unvorgesehenem und schwierigen Herausforderungen stellt. Man kann versuchen, sich wegzuducken, Katastrophen kleinzureden, man kann fliehen, man kann weinen, man kann die Verantwortung bei anderen suchen – oder man kann sagen: Gefahr erst nehmen, sich der Herausforderung stellen, alte Befindlichkeiten über Bord werfen und versuchen, das Beste daraus zu machen. Das haben wir als Sozietät im vergangenen Jahr getan. Und das lässt mich zuversichtlich sein, dass wir auch die künftigen Herausforderungen meistern werden.
VC Magazin: Als in Berlin ansässige Kanzlei haben Sie Einblick in zahlreiche Transaktionen. Wie ist die Stimmung in der Berliner Investoren und Start-up-Szene?
Birkholz: Das kann man nicht pauschal beantworten. Mit der Stimmung in dem Start-up-Ökosystem ist es wie mit der persönlichen Stimmung der meisten Menschen in diesen Zeiten. Sie ist abhängig von der persönlichen Situation und der persönlichen Disposition. Für manche Start-ups ist die Krise eine Katastrophe, für andere eine Chance. Generell gilt auch hier der Satz: In der Krise zeigt sich der Charakter. Bereits vorhandene Stärken und Schwächen werden verstärkt sichtbar. Was die Transaktionen angeht, hat die Krise natürlich zunächst zu einer gewissen Zurückhaltung geführt. Auf der anderen Seite hat die Pandemie auch dem Letzten/der Letzten vor Augen geführt, wie wichtig Innovation und Digitalisierung sind, und dementsprechend groß bleibt das Interesse an Investments in diesen Zukunftsbereichen. Obwohl man an der Ausgestaltung des Programms einiges kritisieren kann, haben die staatlichen Corona-Hilfen über Co-Investments durch die IBB Ventures einen positiven Effekt auf den Dealflow.
VC Magazin: Welchen Einfluss hatte Corona auf das Preisniveau im Venture Capital-Segment?
Birkholz: Das ist wie mit dem Einfluss von Corona auf den Aktienmarkt. Überraschenderweise grundsätzlich keinen. In bestimmten Feldern (Life Sciences, Biotech) sehen wir – abhängig vom jeweiligen Geschäftsmodell – natürlich ein gestiegenes Interesse und dementsprechend höheres Bewertungen.
VC Magazin: Wie stabil aufgestellt sehen Sie die deutsche Start-up-Szene in Zeiten der Pandemie?
Birkholz: Gut. Die wirtschaftliche Zukunft wird in Deutschland gerade in und nach der Pandemie eher von Start-ups geprägt werden als von der alten Deutschland-AG. Zukunftsthemen sind Digitalisierung, KI, E-Health, Smart Mobility, Energie und Klima. Die entscheidenden Impulse kommen hier aus der Start-up-Szene.
VC Magazin: Was erwarten Sie von 2021?
Birkholz: Die Erfahrung des vergangenen Jahres lässt mich mit Erwartungen und Prognosen zurückhaltend sein. Ich würde gerne sagen: Kann nur besser werden. Aber selbst das ist vermutlich falsch. Auf jeden Fall gilt: Wir packen das.
VC Magazin: Herr Dr. Birkholz, vielen Dank für das Interview.
Dr. Matthias Birkholz ist Gründungspartner der Berliner Rechtsanwaltssozietät lindenpartners. Die Beratung von Gesellschaften, Geschäftsführern, Vorständen und Aufsichtsräten in Zusammenhang mit Fragen der Pflichtverletzung von Gesellschaftsorganen bildet einen besonderen Schwerpunkt seiner Tätigkeit.