Bildnachweis: © Dr. Thomas K. Heiden.
Letztes Jahr im Herbst traf ich einen Geschäftsführer einer Beteiligungsgesellschaft zum Business-Lunch. Wir unterhielten uns über die Auswirkung des ersten Lockdowns auf die Portfoliounternehmen und die Fähigkeiten seiner Investmentmanager im Umgang mit dieser (wie wir heute wissen: ersten) Krise. Nach dem Aperitif sagte er, dank des Lockdowns hätte er erst die wahren Champions in seinem Team entdeckt. Auf meine Frage, was denn den Unterschied zur Zeit vor Corona ausmache, lautete seine spontane Antwort: der Tsunami, der über das Portfolio hereinbrach, der den Stresslevel für die Investmentmanager um den Faktor zehn erhöhte. In „normalen“ Zeiten gab es immer Portfoliounternehmen, die kriselten, und andere, die im Plan lagen und dem Investmentmanager wenig bis keine Kopfschmerzen verursachten – im Frühjahr 2020 war fast kein Unternehmen frei von Corona-Einflüssen. Als Personalberater notierte ich mir sofort in Gedanken „Stressresilienz“ als Kompetenz, die durch Corona einen höheren Stellenwert bekommt als in der Vergangenheit.
Neben dem Appetit auf die Vorspeise wuchs in mir die Neugier, welche weiteren Eigenschaften den Unterschied zwischen Champions und „Nicht-Champions“ ausmachen. Darauf angesprochen, nannte der Geschäftsführer die „Selbstorganisation“. Es verhält sich wie bei den chinesischen Tellerdrehern – solange nur ein Teller trudelt, hat man das Problem gut im Griff; wenn jedoch gleichzeitig neun von zehn Tellern trudeln, sprich 90% der Beteiligungsunternehmen, dann gilt es, die wichtigsten Handlungsfelder zeitnah zu erkennen und die notwendigen Maßnahmen rasch und nachhaltig umzusetzen.
Nach der Vorspeise war mein physischer Hunger etwas gestillt, jedoch nahm mein Wissensdurst weiter zu. Vor dem Hauptgang wollte ich wissen, ob die Champions eher bei den Juniors oder Seniors im Team anzutreffen sind. In seiner direkten Art antwortete er, dass diese beiden Kompetenzen über alle Hierarchien ein Differenziator sind, jedoch das dritte Kriterium, das der „digitalen Führung auf Distanz“, bei den Seniors den Unterschied ausmacht. Zum Rollenmodell einer Führungskraft gehört auch das Coaching der jüngeren Mitarbeiter. Die Espressomaschine im Office ist ein idealer Ort für eine zwanglose Interaktion über die Hierarchien hinweg. Fällt diese Möglichkeit der Kommunikation weg, tun sich einige Partner schwer, den regelmäßigen digitalen Austausch zu suchen. Andere hingegen pflegen eine regelmäßige Kommunikation via Video-Call, Chat oder Telefon und haben ein offenes Ohr auch für private Themen (Stichwort Homeschooling), die jüngere Mitarbeiter und deren Familien vor neue Herausforderungen stellen.
Nach einem exzellenten Entrecôte mit knackigen grünen Bohnen, so knackig wie die Aussagen des Geschäftsführers, war der Business-Lunch wie eine Vorlesung in angewandter Personalauswahl für mich. Nicht nur für die Erkenntnisse, sondern auch für das kurzweilige Gespräch bedankte ich mich beim Geschäftsführer und übernahm selbstredend die Rechnung. Dass wir digital via Teams das gleiche gute Gespräch geführt hätten, wage ich zu bezweifeln. Für Frühsommer 2021 steht auf jeden Fall ein weiterer Lunch mit ihm an, um neue Erkenntnisse aus der zweiten Corona-Welle aus erster Hand zu erfahren.
Zum Autor:
Dr. Thomas K. Heiden ist Geschäftsführer der heiden associates Personalberatung, die seit Jahren in erster Linie Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften sowie deren Portfoliounternehmen beim Management Audit und Executive Search berät.
Dr. Heiden informiert Sie in der HR-Kolumne künftig einmal im Quartal über Recruiting-Trends im Beteiligungsmarkt, Gehaltsniveau, Suchprofile und noch mehr.