Venture Capital in China: Die Bedeutung kultureller Unterschiede

Gastbeitrag von Helene Müller, TU Dresden

Venture Capital in China – Die Bedeutung kultureller Unterschiede
Venture Capital in China – Die Bedeutung kultureller Unterschiede

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Der chinesische Venture Capital-Markt ist nach den USA der zweitgrößte weltweit. Damit entsteht für Investoren eine große Chance und einzigartige Investmentcases, doch der Markt birgt auch Risiken. Besonders für ausländische Venture Capitalists ist die Kenntnis chinesischer Besonderheiten zwingend notwendig.

Der Weg zum Technologieführer

Mit der fortschreitenden Liberalisierung der chinesischen Wirtschaft und der Integration Chinas in das globale Wirtschaftssystem folgten ein rapider Anstieg der Unternehmensgründungen und folglich auch ein steigender Bedarf an Venture Capital-Finanzierungen. Das enorme Wachstum der vergangenen Jahre wurde maßgeblich durch die Förderung von Innovationen und Unternehmertum durch die chinesische Regierung bestimmt. Zahlreiche Programme, wie das 2009 initiierte „Mass Entrepreneurship und Innovation-Program“ sollen Unternehmertum propagieren und die Innovationsfähigkeit des Landes stärken. Die ambitionierten Ziele der chinesischen Regierung sind beispielsweise in der Strategie „Made in China 2025“ festgelegt, die vorsieht China bis zum Jahr 2025 als eine der führenden Technologienationen zu etablieren und bis zum Jahr 2049 schließlich die Technologieführerschaft weltweit für sich zu beanspruchen. Staatliche Förderprogramme, eine Verbesserung der Industriestrukturen sowie steuerliche Anreize sind einige Beispiele für Maßnahmen der Regierung, um vor allem die Hightech-Branche strategisch zu fördern. Zu diesem Zweck wurden zahlreiche Industrieparks („Science and Technology Parks“) eingerichtet, welche die nötige Infrastruktur für eine Vielzahl von innovativen Unternehmen zur Verfügung stellt.

Das chinesische Wertkonzept Guanxi

Die politischen, wirtschaftlichen aber auch soziokulturellen Rahmenbedingungen Chinas unterscheiden sich gravierend von denen der westlichen Welt. Vor allem für ausländische VC-Geber gilt es, den chinesischen Markt zu verstehen, um langfristig erfolgreich zu sein. Besonders das Verständnis des Guanxi, eines der wichtigsten Wertkonzepte Chinas, ist für eine erfolgreiche Geschäftsabwicklung unumgänglich. Guanxi kann im engeren Sinne mit „soziales Beziehungsnetzwerk“ übersetzt werden, das durch gegenseitige soziale oder materielle Gefälligkeiten gepflegt wird. Guanxi ist dabei meist nicht auf lediglich zwei Netzwerkpartner beschränkt, sondern wächst durch verschiedene Kanäle indirekter Kontakte zu einem komplexen Beziehungsgeflecht. Neben der Loyalität und Solidarität der Netzwerkpartner umfasst Guanxi ebenso Hilfsbereitschaft und gegenseitige Verpflichtungen. Wird eine Gefälligkeit von einem Netzwerkpartner erbeten, so ist reziprok dazu im Laufe der Zeit unbedingt eine Gegenleistung zu erbringen. Die Pflege der Beziehungen kann aufwändig und zeitintensiv sein. Ein wichtiges Motiv des Guanxi ist der persönliche und strategische Nutzen, den die Beziehungsgeflechte mit sich bringen können. In der Geschäftswelt kann Guanxi für die Einflussnahme auf Verhandlungs- und Entscheidungsprozesse genutzt werden und damit eine zentrale Rolle für den wirtschaftlichen Erfolg einer Unternehmung aufweisen.

Der Einfluss von Guanxi auf Investitionsprozesse

Auch VC-Investitionen werden in China maßgeblich von Guanxi beeinflusst. Chinesische Unternehmer präferieren es üblicherweise mit Partnern zusammenzuarbeiten, zu denen sie bereits eine vertrauensvolle persönliche Beziehung aufgebaut haben. Dies ist neben dem kulturellen Aspekt auch darauf zurückzuführen, dass Chinas Rechtssystem als unzuverlässig und intransparent gilt. Die Kommunistische Partei Chinas (KPCh) ist staatlichen Organisationseinheiten stets übergeordnet und kann ihre politisch-ideologischen Richtlinien ohne die Kontrolle einer unabhängigen Judikative umsetzen. Guanxi birgt deshalb auch das große Potential für Korruption und Machtmissbrauch. Ein enges Beziehungsnetzwerk zu Regierungsbeamten ist von großem Vorteil für private Unternehmen.

Politik und Unternehmertum in China

Vergangene Studien haben gezeigt, dass sich besonders politische Verbindungen positiv auf die Investitionsperformance von VC-Gesellschaften auswirken können. Eine Mitgliedschaft in der KPCh oder ein enges Netzwerk zum Beamtenapparat kann beispielsweise einen positiven Einfluss auf die staatliche Ressourcenallokation von Geschäftslizenzen und Genehmigungen aufweisen. Auch Steuervergünstigungen und ein erleichterter Zugang zu Krediten werden durch politische Verbindungen begünstigt. Eine weitere Besonderheit des chinesischen Marktes ist die zunehmende staatlich geforderte Etablierung von Parteizellen in Privatunternehmen. Die dadurch ermöglichte politische Einflussnahme auf Unternehmensentscheidungen wird vor allem von ausländischen Unternehmen in China als kritisch betrachtet. Die Kontrolle und der Machterhalt der KPCh werden auch durch die strikte Internetzensur der „Great Firewall“ oder die Einführung des Sozialkreditsystems zur Bewertung von Privatpersonen und Unternehmen in China deutlich. Während das Sozialkreditsystem von großen Teilen der chinesischen Bevölkerung als positiv empfunden wird, gibt es aus westlichen Ländern viel Kritik. Aus dem Sammeln und Bewerten großer Mengen an Daten folgt eine Sanktionierung von unerwünschtem Verhalten sowohl für Privatpersonen, als auch auf Unternehmensebene. Neben der Eindämmung von Korruption liegt die Intention des gläsernen Scoring Systems in der Gewährleistung politischer Stabilität und sozialer Kontrolle. Die direkte Verknüpfung von Sanktionen und Fehlverhalten kann jedoch zur Benachteiligung nicht systemkonformer Unternehmen und einer generellen Wettbewerbsverzerrung führen..

Fazit

Eine Investition in soziales Kapital im Sinne des Guanxi kann für Geschäftsprozesse in China von großem Vorteil sein. Politische Regularien und insbesondere die Einführung des Sozialkreditsystems hingegen sollten auch zukünftig aufmerksam beobachtet werden. Um erfolgreich unternehmerisch zu handeln, ist ein Verständnis für die chinesischen Besonderheiten zwingend notwendig.

Autorin: Helene Müller, TU Dresden