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Der im März 2018 mit viel politischem Rückenwind von der EU vorgestellte Aktionsplan für nachhaltiges Wachstum nimmt an Fahrt auf. Dieser Aktionsplan umfasst eine breite Palette von Maßnahmen mit dem Ziel der Umlenkung von Kapital in Richtung nachhaltige Investitionen, der Steuerung von finanziellen Risiken, die sich aus Umweltzerstörung, sozialen Problemen und Governance-Verstößen ergeben, sowie der Schaffung von Transparenz bei Finanzprodukten in Bezug auf Nachhaltigkeitsrisiken. Am 10. März 2021 tritt mit der Offenlegungsverordnung (Verordnung (EU) 2019/2088 des Europäischen Parlaments und des Rates über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungspflichten im Finanzdienstleistungssektor) eine Regelung des EU-Aktionsplans in Kraft, die maßgebliche Auswirkungen auf die Fondsbranche hat – insbesondere bezüglich der Bereiche Private Equity und Venture Capital.
Ein Kernbereich des Aktionsplans ist die sogenannte Taxonomie-Verordnung (Verordnung (EU) 2020/852 des Europäischen Parlaments und des Rates über die Errichtung eines Rahmens zur Erleichterung nachhaltiger Investitionen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/2088), die bereits am 12. Juli 2020 in Kraft getreten, zwingend allerdings erst ab dem 1. Januar 2022 bzw. 1. Januar 2023 anzuwenden ist. Dabei handelt es sich um ein Klassifizierungssystem für Produkte mit ökologischen Nachhaltigkeitszielen. Flankiert wird die Taxonomie-Verordnung durch die Offenlegungsverordnung, die die Schaffung von Transparenz bei Finanzprodukten im Fokus hat.
Adressaten der Offenlegungsrichtlinie
Die Offenlegungsverordnung richtet sich an EU-Finanzmarktteilnehmer, das heißt in erster Linie an Verwalter von AIFM, EuVECA und EuSEF im Hinblick auf von ihnen verwaltete Fonds sowie MiFID-regulierte EU-Anlageberater. Private Equity- oder Venture Capital-Beteiligungen werden häufig von einem der vorgenannten Fonds über zum Teil komplexe Akquisitions- und Holdingsstrukturen gehalten. Damit gehören deren Verwalter zu den Adressaten. Diese haben zukünftig verstärkt Veröffentlichungen zu Nachhaltigkeitsrisken und deren Auswirkungen auf das Fondsvermögen vorzunehmen.
Nachhaltigkeit
Nachhaltig im Sinne der Offenlegungsverordnung bedeutet nicht nur das Erreichen eines Umwelt- oder Klimaziels (Environment), sondern auch die Erreichung von sozialen Zielen (Social) wie die Achtung von Arbeitsbedingungen und Menschenrechten sowie die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Unternehmensführung (Governance), wie zum Beispiel die Vermeidung von Korruption.
Veröffentlichung auf der Internetseite
Die Veröffentlichungspflicht ab 10. März 2021 sollte mindestens folgende Punkte enthalten:
• Strategien zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken in den Investitionsentscheidungsprozessen,
• Offenlegung von nachteiligen Nachhaltigkeitsauswirkungen auf Ebene des Unternehmens, einschließlich einer Erklärung zu deren Berücksichtigung oder Begründung von deren Nichtberücksichtigung („comply or explain“),
• Einhaltung international anerkannter Standards für die Sorgfaltspflicht, die Berichterstattung sowie den Stand der Abstimmung auf Ziele des Pariser Klimaabkommens und
• Verhältnis von Vergütungspolitik und Nachhaltigkeitsrisiken.
Ab dem 30. Juni 2021 wird „comply or explain“ für größere Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern ausgeschlossen sein. Zwar sind es bis zur Veröffentlichungspflicht im März nur noch wenige Wochen, allerdings können betroffene Finanzmarktteilnehmer etwas aufatmen: Die technischen Regulierungsstandards und Durchführungsverordnungen liegen noch nicht vor. Laut Berichten des deutschen Fondsverbands DVI werden die technischen Regulierungsstandards erst deutlich nach Inkrafttreten der Verordnung erlassen. Unabhängig davon sollte das Thema aber keinesfalls auf die lange Bank geschoben werden: Wer sich jetzt vorbereitet, ist sofort handlungsfähig, wenn die technischen Regulierungsstandards in Kraft treten.
Mit Spannung wird erwartet, wie viele Finanzmarktteilnehmer sich zu Beginn auf „explain“ beschränken und keinen umfangreichen Einblick in ihre Nachhaltigkeitsstrategie geben werden. Die Verordnung ist darauf angewiesen, dass das Merkmal „Nachhaltigkeit“ inzwischen ausreichende wirtschaftliche Zugkraft entwickelt hat und dass es für Marktteilnehmer nicht länger lukrativ sein wird, sich diesem Thema zu verschließen. Ob sich das Nachfrageverhalten in Bezug auf nachhaltige Investitionen derweil tatsächlich in diesem Umfang durchgesetzt haben wird, bleibt abzuwarten.
Vorvertragliche Offenlegung
Darüber hinaus bestehen vorvertragliche Informationspflichten, die zum Beispiel im Prospekt abgebildet werden. Diese haben folgenden Inhalt:
• Integration von Nachhaltigkeitsrisiken in Investitionsentscheidungen,
• wahrscheinliche Auswirkungen von Nachhaltigkeitsrisiken auf die Investitionsrisiken sowie
• Begründung für die fehlende Relevanz von Nachhaltigkeitsrisiken.
Bei Fonds, die nachhaltige Investitionen zum Ziel haben, sind darüber hinaus auch Angaben zur Förderung spezifischer ökologischer oder sozialer Merkmale zu machen.
Ausblick
Die EU-Kommission hat auf Empfehlung der European Securities and Markets Authority (ESMA) im Juni 2020 Vorschläge zur Änderung unter anderem der AIFM- und der OGAW-Regulierung vorgelegt. Es wird erwartet, dass diese einen erheblichen Einfluss auf die internen Prozesse von Fonds und deren Verwaltungsgesellschaften in Bezug auf Nachhaltigkeitsfaktoren haben werden.
Im Falle von deren Umsetzung werden die Fondsverwalter zukünftig verpflichtet, ihre Entscheidungsverfahren und ihre Organisationsstruktur an die Art und Auswirkungen der Nachhaltigkeitsrisiken anzupassen. Sie müssen dann notwendige Personalkapazitäten mit Fachkenntnissen für die Beurteilung und Steuerung von Nachhaltigkeitsrisiken vorhalten sowie Berichtslinien zur Geschäftsführung als Letztverantwortliche implementieren. Diese Maßnahmen dürften aber teilweise bereits durch die umfangreichen Berichtspflichten der Offenlegungsrichtlinie notwendig werden.
Außerdem müssen potenzielle Konflikte im Zusammenhang mit der Integration von Nachhaltigkeitsrisiken einerseits und den Prozessen sowie Kontrollsystemen des Fonds andererseits durch die Fondsverwalter gesteuert werden, sodass zum Beispiel Fehlentscheidungen bei Beteiligungsverkäufen vermieden werden. Im Rahmen von Investment Due Diligences ist auf die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien in Übereinstimmung mit der Offenlegungsverordnung zu achten.
Sowohl die Prozesse als auch die Inhalte der Funktionseinheiten Risikomanagement, Revision und Compliance sind auf die Einbeziehung von Nachhaltigkeitsfaktoren auszurichten.
Fazit
Die Offenlegungsverordnung ermöglicht es Finanzmarktteilnehmern, sich bereits jetzt rechtzeitig auf die zu erwartenden Änderungen bei der OGAW- und AIFM-Regulierung einzustellen. Vor dem großen politischen Hintergrund des European Green Deal wird klar, dass die Veränderungen auch als Chance begriffen und genutzt werden können. Ein Aufhalten dieses Prozesses erscheint unwahrscheinlich. Das Bewusstsein der Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren signifikant gewandelt. Das wird sich sicherlich auch in den Anlageentscheidungen der Investoren niederschlagen. Investoren werden die Einhaltung von Nachhaltigkeitsstandards und Offenlegungspflichten verlangen. Teilweise gelten diese Anforderungen auch für sie selbst, so wie dies etwa bei den betrieblichen Altersversorgungssystemen und Herstellern individueller Rentenprodukte sowie zukünftig bei Versicherungen nach Änderung von Solvency II der Fall sein wird. Allein aus diesen Gründen sollte es sich schon für Finanzmarktteilnehmer – insbesondere Private Equity- oder Venture Capital-Fonds – lohnen, auch beim Thema Nachhaltigkeit eigene Akzente zu setzen.
Autor: Heinrich Thiele, RA/StB
Heinrich Thiele ist Partner bei Baker Tilly im Bereich Financial Services. Sowohl als Berater wie auch als Leiter der LBBW Rechtsabteilung verfügt er über langjährige Expertise auf dem Gebiet des Banken- und Kapitalmarkt- sowie Kapitalanlagerechts, insbesondere bei der Umsetzung von aufsichtsrechtlichen Projekten.