Bildnachweis: © TopCap Partners, © Burgiss (2019), Q3 2019 Global Private Capital Review.
Dr. Olaf Neubert ist der Gründer und Managing Director von TopCap Partners, dem US-europäischen Placement Agent mit starkem Fokus auf Venture Capital. Er kennt den Venture Capital-Markt hierzulande seit seinen Anfängen und berichtet im Interview von seiner Sicht auf den deutschen, europäischen und internationalen Wagniskapitalmarkt.
VC Magazin: Sie sind seit 25 Jahren im Venture Capital-Business unterwegs. Wie hat sich die Szene aus Ihrer Sicht mittlerweile aufgestellt und wo besteht noch Nachholbedarf?
Neubert: Der Early Stage-Bereich ist über die letzten 15 Jahre konstant gewachsen, und die Nachfrage nach Venture Capital seitens institutioneller Investoren, vor allem Family Offices und zunehmend Pensionsfonds, ist weltweit wachsend. Rückblickend wurden meine früheren Erwartungen an die Venture Capital-Szene übertroffen, vor zwölf Jahren habe ich nicht an Berlin als Start-up-Standort geglaubt. Ich habe mich geirrt – die Gründerszene hat sich nicht nur sehr positiv entwickelt, der Venture Capital-Standort Deutschland ist heute in Europa mit führend. Es haben sich viele neue, junge Manager aufgestellt, wir können international mitspielen. Das typische deutsche Unternehmertum hat sich im Venture Capital neu erfunden und mittlerweile stark manifestiert, auch „globally“. Auf der Kapitalseite dagegen herrscht noch eine schaumgebremste Risikokultur. Traditionell investieren vor allem Family Offices großer Privatvermögen in Venture Capital-Fonds, sie sind die Initialzünder für Wagniskapital. Hier sehe ich in Deutschland noch Aufholbedarf. Auch die Pensionsfonds und Versicherer haben langsam ihre Scheu abgelegt und stellen zunehmend Venture Capital zur Verfügung.
VC Magazin: Wachstumsfinanzierungen waren lange Zeit in der deutschen Venture Capital-Szene unterrepräsentiert. Momentan scheint sich der Wind zu drehen. Wie bewerten Sie das Segment und welche Entwicklungen haben wir hier zu erwarten?
Neubert: Wir sind getrieben durch den globalen technologischen Fortschritt. Das betrifft nicht nur Digitalisierung und Deeptech, sondern auch Bio- und Medtech-Segmente. Das gilt sowohl für Early Stage-Investments als auch den zunehmend starken Growth-Bereich. Ich sehe auch keine Lücke in der Anschlussfinanzierung, gute Unternehmen und Ideen finden immer Kapital. Der Zukunftsfonds wie auch insbesondere der Wachstumsfonds werden sich hier äußerst positiv auswirken. Gespräche führen wir mit der Politik dazu seit vier, fünf Jahren. Mit dem Modell sollte es gelingen, mit Unterstützung vom Finanz- und Wirtschaftsministerium privatwirtschaftliche Investoren einzuladen, mit zu investieren und große Volumina bereitzustellen.
VC Magazin: Wofür interessieren sich die Investoren momentan besonders?
Neubert: Die Investoren surften anfangs auf einer Welle nach Asien, vor allem die US-Venture Capital-Fonds. Mittlerweile hat sich das Interesse aber wesentlich mehr auf europäisches Venture Capital ausgerichtet. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich der europäische und deutsche Venture Capital-Markt attraktiv aufgestellt hat mit internationalen Erfolgen und der Return für europäisches Venture heute erstaunlicherweise über dem von US-Venture liegt. Noch erstaunlicher für mich ist, dass der EU-Venture-Return heute ganz klar über dem EU-Buyout-Return liegt. Das liegt meines Erachtens daran, dass die Konkurrenz auf der Kapitalseite noch nicht so stark ist, während die Kostenseite in Europa günstiger ist – also ein Doppeleffekt, der wohl noch für eine Weile anhält. Smart Money hat dies bereits erkannt, und das erklärt den starken Influx und die Nachfrage von Venture Capital nach Europa.
VC Magazin: Wo in der Welt sehen Sie die interessantesten Venture Capital-Hotspots?Neubert: Die USA bieten durch ihre Größe allein schon mehrere Hotspots, neben dem Silicon Valley, Boston und New York sind Texas und der Northwest Market (Seattle, Portland) inzwischen etabliert. Asien wächst wie in allem auch in Venture Capital schnell. In Europa stehen wir sehr gut da, mit London und Berlin nach wie vor klar an der Spitze. Wir in Deutschland müssen allerdings aufpassen, dass Großbritannien nicht uneinholbar wird. Amsterdam und Stockholm wie auch Frankreich und Spanien sind uns ebenfalls auf den Fersen.
VC Magazin: Im europäischen Kontext schaut die deutsche Gründerszene unter anderem gern nach Großbritannien. Wie sehen Sie die Einflüsse des Brexit auf die britische Wagniskapitallandschaft? Welchen Vergleich zu Deutschland ziehen Sie?
Neubert: Die Briten haben mit dem Brexit schnell reagieren müssen und seitens der Regierung größere finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt, unter anderem, weil der European Investment Fund nicht mehr für sie verfügbar war. Ein Engagement der öffentlichen Hand hat in Deutschland mit dem Zukunfts- beziehungsweise Wachstumsfonds wesentlich länger gedauert, auch wenn wir hier nun auf einem guten Weg sind. Wir freuen uns, als TopCap hier mit unserer Erfahrung und unserem Know-how unterstützen zu dürfen. Über den Brexit und dessen Auswirkungen wurde viel diskutiert, für Venture Capital sehe ich allerdings nur einen geringen Ausfall. Die Finanzindustrie allgemein ist da schon deutlich mehr betroffen und hat dementsprechend ihre Standorte in Paris, Frankfurt oder Madrid verstärkt. Venture Capital hingegen ist relativ flexibel, kann sich schnell anpassen und umsiedeln, wenn es nötig sein sollte.
VC Magazin: Sie selbst sitzen in New York. Der amerikanische Venture Capital-Markt ist wesentlich älter als der deutsche, hat eine andere Tradition. Was kann die deutsche Venture Capital-Branche von den Amerikanern lernen?
Neubert: Drei Dinge: Think big – be bold – act fast!
VC Magazin: Welche Erwartungen haben Sie mit Blick auf das aktuelle Jahr?
Neubert: Ich sehe ein weiter starkes Wachstum und rasante technologische Entwicklungen, die uns allen auch gesellschaftlich zugutekommen werden. Für Venture Capital, und insbesondere in Europa, sehe ich auch weiterhin grünes Licht. Und politisch hoffe ich, wie wir alle, auf eine wärmere transatlantische Beziehung.
VC Magazin: Herr Dr. Neubert, vielen Dank für das Interview.
Zum Interviewpartner:
Dr. Olaf Neubert ist Gründer und Geschäftsführer von TopCap Partners und lebt seit über 20 Jahren in New York. Er ist seit den 1990er-Jahren im Alternative Asset-Bereich (Private Equity, Venture Capital, Secondaries, Infrastruktur) aktiv und hat in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten die Expansion und Reifung der Branche miterlebt. Bevor er sich den Alternative Assets widmete, war Neubert 16 Jahre lang als Managing Director bei Citibank in internationalen Executive-Positionen tätig.