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Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) hat am 22. Januar 2021 einen Referentenentwurf zur 17. Novellierung der Außenwirtschaftsverordnung (AWV) veröffentlicht, welche den – vorerst – letzten Schritt der Reformvorhaben des BMWi darstellt. Zuvor kam es bereits zu weitreichenden Änderungen des deutschen Investitionsprüfungsrechts, die im Zusammenhang mit der am 11. Oktober 2020 wirksam gewordenen EU-Screening-Verordnung (Verordnung (EU) 2019/452) stehen. Die neuesten Änderungen passen die AWV an das bereits geänderte Außenwirtschaftsgesetz (AWG) an, setzen weitere Inhalte der EU-Screening-Verordnung um und führen letztlich zu einer weiteren Verschärfung des deutschen Investitionskontrollrechts.
Die Verschärfungen werden die deutschen Start-up-Unternehmen stark betreffen. Ausländische Direktinvestitionen im Bereich des Venture Capital sind signifikant für die Entwicklung deutscher Jungunternehmen. Nach der Stellungnahme des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. zur 17. AWV-Novelle wurden im Jahr 2019 insgesamt 6,7 Mrd. EUR Venture Capital in Deutschland investiert. 55% dieser Investitionen stammten aus Drittstaaten. Die vorgesehenen Verschärfungen sind grundsätzlich dazu geeignet, Venture Capital-Investitionen aus dem Ausland zu hemmen:
Erweiterung der sektorübergreifenden Prüfung
Das BMWi überprüft bei der sektorübergreifenden Prüfung (§ 55 AWV), ob durch einen Erwerb von inländischen Unternehmen, die in sensiblen Sektoren tätig sind, die öffentliche Sicherheit oder Ordnung der Bundesrepublik Deutschland oder eines anderen EU-Mitgliedstaats voraussichtlich beeinträchtigt wird. Bislang sind elf sensible Sektoren in § 55 I AWV aufgeführt, die der Verordnungsgeber als besonders prüfungsrelevant eingestuft hat. Durch die Novellierung sollen die Fallgruppen auf 27 erweitert werden und insbesondere kritische Technologien wie künstliche Intelligenz, Robotik, Cybersicherheit, Luft- und Raumfahrt, Verteidigung und Energiespeicherung umfassen. Begrüßenswert ist dabei, dass das BMWi die europäische Generalklausel in Art. 4 EU-Screening-Verordnung nicht übernommen hat, sondern durch die Ausgestaltung von Einzeltatbeständen versucht, die Anzahl der meldepflichtigen Erwerbe zu beschränken und insgesamt mehr Rechtssicherheit bei Transaktionen zu schaffen.
Fällt ein Zielunternehmen in eine der 27 Fallgruppen, unterfällt jede Transaktion, aufgrund der ein Nicht-EU-/EFTA-Investor 10% oder mehr der Stimmrechtsanteile an diesem Unternehmen hält, künftig stets einer Meldepflicht und einem Vollzugsverbot. Auch wenn keine der 27 Fallgruppen vorliegt, kann das BMWi einen Erwerb, infolgedessen ein Nicht-EU-/EFTA-Investor 25% oder mehr der Stimmrechte hält, prüfen und gegebenenfalls untersagen. In diesen Fällen besteht kein Vollzugsverbot. Die Unternehmen können einen Antrag auf Unbedenklichkeitsbescheinigung stellen, um Rechtssicherheit zu erlangen. Diese Möglichkeit wird auch unter der neuen AWV-Novelle erhalten bleiben.
Erweiterung der sektorspezifischen Prüfung
Bei der sektorspezifischen Prüfung (§ 60 AWV) im Bereich der Rüstungstechnologie wird überprüft, ob ausländische Direktinvestitionen (EU-Investoren eingeschlossen) wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Dies kann bei Zielunternehmen der Fall sein, die bestimmte Rüstungsgüter, die in Teil I Abschnitt A der Ausfuhrliste aufgelistet sind, herstellen oder entwickeln. Der Entwurf umfasst nunmehr die Entwicklung, Herstellung, Modifizierung oder das Innehaben der tatsächlichen Gewalt über sämtliche in der Ausfuhrliste aufgeführten Rüstungsgüter. Auch hier unterfällt jede Transaktion, die zu einem Stimmrechtsanteilserwerb von 10% oder mehr führt, einer Meldepflicht und einem Vollzugsverbot.
Neue Prüfungsmöglichkeit bei atypischem Kontrollerwerb
In der Praxis relevant wird die neue Prüfungsmöglichkeit in Fällen des atypischen Kontrollerwerbs sein. Neben der Einflussmöglichkeit durch den Erwerb von Stimmrechtsanteilen kann sich ein Investor auch unterhalb der Schwellenwerte von 10% beziehungsweise 25% eine signifikante Einflussnahme durch den Erwerb von Kontroll- und Verwaltungsrechten verschaffen. Dies kann durch die „Zusicherung zusätzlicher Plätze oder von Mehrheiten in einem Aufsichtsgremium oder in der Geschäftsführung“ sowie durch die Einräumung weitreichender Veto- und Informationsrechte erfolgen.
Unklar bleibt jedoch, wann Kontroll- und Verwaltungsrechte eine erhebliche Einflussnahme, vergleichbar einem Stimmrechtsanteil von 10% beziehungsweise 25%, darstellen. Zur Auslegung dieses unbestimmten Rechtsbegriffs bietet sich jedoch der Vergleich zum deutschen Fusionskontrollrecht („wettbewerblich erheblicher Einfluss“, § 37 I Nr. 4 GWB) an, bei dem die Prüfung von zusätzlichen Kontrollrechten (sogenannte Plus-Faktoren) zum Standard gehört.
Klarstellung bei Hinzuerwerben
Des Weiteren soll mit der Novelle die bisherige Praxis des BMWi klargestellt werden, dass jegliche Hinzuerwerbe über den jeweiligen Schwellenwerten der Investitionskontrolle unterfallen. Mangels einer Erheblichkeitsschwelle unterfällt sogar ein minimaler Hinzuerwerb der Überprüfung. Dabei spielt es keine Rolle, ob das BMWi eine Unbedenklichkeitsbescheinigung oder eine Freigabe für vorangegangene Anteilserwerbe erteilt hat. Diese Regelung ist insbesondere im Zusammenhang mit § 15 IV AWG kritisch zu betrachten, da gemäß § 15 IV AWG bestimmte Handlungen bis zur Freigabe eines Erwerbs verboten sind und vorsätzliche Zuwiderhandlungen strafrechtliche Konsequenzen haben (§ 18 I b AWG beziehungsweise § 19 I Nr. 2 AWG). Diese Verbote würden auch bei einem minimalen Hinzuerwerb bis zur Freigabe durch das BMWi gelten.
Kommt es nicht doch noch zu einer Änderung der AWV-Novelle, wird diese Klarstellung gerade bei Venture Capital-Investitionen zu einem erheblichen Aufwand führen. Denn bei Venture Capital-Beteiligungen kommt es typischerweise zu mehreren Finanzierungsrunden. Hat die erste Finanzierung schon zum Überschreiten des Schwellenwerts geführt, würden alle weiteren Finanzierungen der Investitionskontrolle unterfallen, auch wenn die Transaktion nicht zu einem weiteren Kontrollgewinn beim Zielunternehmen führt. Sachgerechter wäre die Einführung von Zuerwerbsschwellen von zum Beispiel 25% und 50%, da mit 25% häufig Vetorechtspositionen einhergehen und ab 50% in der Regel aufgrund der Mehrheit in der Gesellschafterversammlung bereits Kontrolle vorliegt.
Fazit
Aktuell wertet das BMWi die Stellungnahmen der betroffenen Unternehmensverbände, die bis zum 26. Februar 2021 eingegangen sind, aus. Anschließend erfolgen weitere Abstimmungsprozesse. Dennoch ist zu erwarten, dass eine Umsetzung noch innerhalb des ersten Halbjahrs 2021 erfolgen wird. Aus diesem Grund müssen sich Investoren frühzeitig mit den neuen Regelungen auseinandersetzen, insbesondere da es bisher an Übergangsvorschriften mangelt.
Unabhängig von ihrer exakten Ausgestaltung kann festgehalten werden, dass die AWV-Novelle zu einer massiven Ausweitung der Meldepflichten führen wird. Zukünftig wird es daher noch wichtiger werden, bei Investments und Finanzierungsrunden frühzeitig im Prozess zu prüfen, ob eine Meldepflicht besteht oder ob aus Gründen der Rechtssicherheit eine Unbedenklichkeitsbescheinigung eingeholt werden sollte. Durch eine rechtzeitige und sorgfältige Vorbereitung des Verfahrens vor dem BMWi können Verzögerungen und Überraschungen bei der Transaktion vermieden werden.
Autoren:
Dr. Christian Bürger ist Partner der Sozietät Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten in Köln. Sein Schwerpunkt ist das europäische und deutsche Kartellrecht sowie die Investitionskontrolle nach dem Außenwirtschaftsrecht.
Dr. Bernt Paudtke ist Partner der Sozietät Görg Partnerschaft von Rechtsanwälten in München. Er berät im Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, wobei ein besonderer Schwerpunkt im Bereich Venture Capital liegt.