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Seit einiger Zeit beobachten meine Kollegen und ich vermehrt Anfragen von Mandanten vor allem aus dem Venture Capital-Bereich, die gezielt eine Position mit einer Frau besetzen wollen. Die Gründe dafür sind vielfältig: Die Entscheider erhoffen sich durch mehr Diversity einen anderen Blickwinkel etwa auf die Start-ups, insbesondere auf die Soft Skills in den Gründerteams, oder auch auf die Firmenkultur im Investmentteam selbst. Oft wird auch argumentiert, dass sich Gründerinnen durch einen weiblichen Counterpart auf der Venture Capital-Seite besser verstanden fühlen.
In der idealen Welt müssten 51% der Mitarbeiter über alle Hierarchien in Venture Capital-Gesellschaften weiblich sein. Im Start-up- und Venture Capital-Ökosystem sieht die Welt leider komplett anders aus: Der Bundesverband Deutsche Startups kommt für das Jahr 2020 auf einen Gründerinnenanteil von 15,9%, der seit 2016 nur marginal gestiegen ist. Im Venture Capital-Bereich gibt es Zahlen aus den USA, wonach 10% der Partner in den Top-Wagniskapitalfirmen weiblich sind – und 75% der Venture Capital-Gesellschaften hatten sogar noch nie eine Investmentmanagerin angestellt! Ist eine Quotenregelung die Lösung des Problems?
Bei börsennotierten Unternehmen gibt es seit 2015 eine gesetzliche Frauenquote für Aufsichtsräte, derzufolge Aufsichtsratsposten neu mit einer Frau besetzt werden müssen, solange der Frauenanteil unter 30% liegt. Aktuell unterliegen damit 106 Unternehmen der Quote – dort ist der Aufsichtsrat im Durchschnitt zu 36% mit Frauen besetzt. Die 80 Unternehmen, die nicht unter die Quote fallen, kommen nur auf einen Anteil von 24,5%. Das Gesetz scheint also zu greifen. Nützt oder schadet eine Quotenregelung nun den Frauen?
Ich persönlich halte nichts von Quoten bei Führungspositionen, unabhängig davon, welche Gruppe damit berücksichtigt werden soll. Denn eine Quotenbesetzung kann schnell zum Bumerang für die Person werden: Wie schnell wird selbst bei kleinsten Fehlern von „Quoten-XY“ oder gar „Doppelquoten-XY“ gesprochen, anders als bei einer kompetenzbasierten Besetzung, bei der oftmals nonchalant über vergleichbare Fehler hinweggesehen wird. In der Wirtschaftspresse konnte man in den letzten 24 Monaten zahlreiche Abgänge von Frauen aus Top-Management-Positionen in Großkonzernen verfolgen, die vermutlich unter anderem an dem „Quoten-Kainsmal“ gescheitert sind.
Was bedeuten diese Statistiken nun für einen Headhunter, der sich auf die „Jagd“ nach Kandidatinnen machen soll? Zunächst die erste gute Nachricht: Es gibt Frauen in der Venture Capital-Welt! Die zweite gute Nachricht: Die mir bekannten leisten verdammt gute Arbeit! Die erste schlechte Nachricht: Es sind immer noch viel zu wenige! Hier lohnt es sich, genauer hinzuschauen. In manchen Venture Capital-Domänen sind Frauen häufiger anzutreffen, man denke etwa an E-Commerce, Software oder Life Sciences, im Gegensatz zu hardwarelastigen Themen, bei denen Frauen deutlich in der Minderzahl sind. Die zweite schlechte Nachricht: Je höher man in der Hierarchie schaut, desto seltener werden Frauen.
Für Headhunter bedeutet es, dass der mögliche Suchraum überschaubar und nahezu konstant bleibt; für potenzielle Kandidatinnen, dass sie sich die besten Jobs aussuchen können.
Was sind die Konsequenzen für Venture Capital-Gesellschaften, um verstärkt Investmentmanagerinnen zu rekrutieren? Meine Empfehlungen: frühzeitig durch Praktika Studentinnen auf die breitgefächerten und spannenden Aufgaben im Wagniskapitalgeschäft aufmerksam machen, bereits im Recruiting mit flexiblen Arbeitszeit- und Arbeitsortmodellen punkten und vor allem nach der Elternzeit einen Wiedereinstieg ermöglichen. Insbesondere ein Wiedereinstieg über Teilzeitmodelle wie eine reduzierte Anzahl an zu betreuenden Portfoliounternehmen gibt den Gesellschaften ein hohes Maß an Flexibilität, um die Rückkehr für beide Parteien gewinnbringend zu gestalten.
Zu guter Letzt muss ich meine Überschrift noch korrigieren: Frauen sind inzwischen nicht mehr die Nähnadel im Venture Capital-Heuhaufen, sondern die Stricknadel. Mehr Frauen würden die Branche auf jeden Fall zusätzlich bereichern! Obwohl ich schon in die Kategorie „alter weißer Mann“ falle, ist mir eine Steigerung des Frauenanteils in der Venture Capital-Welt ein persönliches Anliegen.
Über den Autor:
Dr. Thomas Heiden ist Geschäftsführer der heiden associates Personalberatung, die seit Jahren in erster Linie Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften sowie deren Portfoliounternehmen beim Management Audit und Executive Search berät. Focus zeichnete heiden associates seit 2015 sieben Mal in Folge als Top Ten-Personalberater Deutschlands aus.