„Wir glauben, dass Finanzierungsunterstützung Peoples-Business bleibt“

Sommerinterview Teil 1: Mit Guy Selbherr, MBG Baden-Württemberg

Sommerinterview Guy Selbherr
Sommerinterviews Teil 1: Mit Guy Selbherr von der MBG Baden-Württemberg

Bildnachweis: © istock.com/Vadym Ilchenko / MBG .

Nach anderthalb Jahren Coronapandemie hat sich vieles verändert: Neue Trends sind entstanden, Branchen stärker in den Fokus gerückt, die Arbeitswelt ist digitaler geworden. Es ist Zeit für ein erstes Fazit und einen Blick nach vorn. In den Sommerinterviews erzählen Persönlichkeiten aus der Private Equity- und Venture Capital-Branche von Fundraising- und Investmenterfahrungen, schätzen den aktuellen Markt ein und berichten von ihren Erwartungen für 2022.

VC Magazin: Seit Anfang Juli ist der BW Innovation Fonds am Start – an welche Zielgruppe richtet sich der Fonds und welche Ziele verfolgen Sie damit?
Selbherr: Finanziert werden innovative Technologie-Unternehmen in frühen Entwicklungsphasen mit überdurchschnittlichen Wachstumschancen. Aufgrund des regionalen Aktionsradius der MBG Baden-Württemberg ist ein Bezug zum Land Voraussetzung für ein Investment. Fokus liegt dabei auf Finanzierungen im einstelligen Millionen-Bereich.

Ziel des Fonds ist es, Risikokapital für Unternehmen im Land zu mobilisieren und dabei auch eine Art Leuchtturm-Funktion zu übernehmen. Daher ist auch geplant, nicht alleine zu investieren, sondern auch andere Investoren an Finanzierungsrunden zu beteiligen.

VC Magazin: Sie sind mit dem Fonds aktuell im Fundraising, das sich durch Corona allgemein auch verändert hat. Welche Erfahrungen machen Sie? Wer zählt bisher zu den Investoren?
Selbherr: Natürlich hat die Corona-Phase das Fundraising gerade im Bereich der Kreditwirtschaft beeinträchtigt, da hier die Liquiditätsversorgung der Kunden Vorrang. Unsere Erfahrung ist aber auch, dass das Interesse an einem Fonds mit Baden-Württemberg-Bezug hoch ist. Grundsätzlich konnte die MBG natürlich nicht in dem Maße von Folgeinvestoren profitieren, da der Vorgängerfonds als VC-Pilot neben dem Land nur zwei weitere Investoren umfasste. Vor dem Hintergrund war ein rein digitaler Kontaktaufbau recht herausfordernd. Dennoch ist es uns gelungen, eine Reihe namhafter Versicherungen sowie Banken und Sparkassen als Investoren zu gewinnen und wir freuen uns aktuell noch über weitere viel versprechende Gespräche.

VC Magazin: Wir befinden uns seit nun anderthalb Jahren in der Pandemie. Wie hat sich Ihr persönliches Geschäft durch Corona verändert?
Selbherr: Für uns ganz persönlich haben sich natürlich viele Arbeitsabläufe verändert – die Welt ist virtueller und digitaler geworden. Auch für die MBG findet eine Vielzahl von Gesprächsterminen nur noch virtuell statt, ein Großteil der  Mitarbeiter:innen arbeiten mobil von zu Hause aus. Die Akzeptanz dieser digitalen Formate wird bleiben – auch nach der Krise. Generell wurde durch die Krise ein deutlicher Bedarf an zusätzlichen Finanzierungen sichtbar. Hier konnten wir für bestehende und neue Kunden in einer Vielzahl von Fällen Lösungen finden und begleiten. Daher waren es arbeitsreiche Monate – aber auch gefüllt mit Erfolgserlebnissen durch gelungene Finanzierungsrunden. Im Venture Capital Portfolio konnten überdies auch eine Reihe von erfolgreichen Exits realisiert werden. Dies zeigt, dass viele Marktteilnehmer die Zeit nach der Krise klar im Blick haben und weiterhin auf Innovation und Wachstum auch durch Zukäufe setzen.

VC Magazin: Werden diese Veränderungen auch in Zukunft anhalten?
Selbherr: Wir glauben an einen nachhaltigen Digitalisierungsschub in unseren Arbeitsabläufen. Wir glauben aber auch, dass Finanzierungsunterstützung Peoples-Business bleibt und der persönliche Kontakt nicht unverzichtbar ist.

VC Magazin: Wie beurteilen Sie die geschäftliche Situation Ihrer Branche?
Selbherr: Der Risikokapitalbranche geht es auch aufgrund des freundlichen Börsenumfeld wirklich gut. Wir sehen viel Dynamik am Markt und eine lebendige Pipeline von Projekten und auch Interesse auf der Seite von Investoren. Der Germanequity Barometer des BVK / KfW bestätigt diese Entwicklung, zeigt allerdings auch eine gewisse Zweiteilung zwischen Venture und Private Equity.

VC Magazin: In welche Branchen und Geschäftsmodelle würden Sie derzeit persönlich investieren?
Selbherr: Persönlich sehe ich natürlich große Perspektiven aufgrund der Digitalisierung und im Bereich Life Science. Das Thema Nachhaltigkeit und die hierfür notwendigen Transformationsinvestitionen scheint mir besonders spannend. Der Fokus der MBG liegt aktuell im Bereich B2B-Technologie, Dienstleistungen und Digitalisierung, doch wir erwarten aufgrund des Wandels in der Gesellschaft künftig verstärkt innovative Geschäftsmodelle im Bereich Effizienz zur Erreichung der Klimaziele, Agro und Food-Tech.

VC Magazin: Wie stufen Sie das derzeitige Preisniveau ein?
Selbherr: Es gibt sicherlich teilweise ambitionierte Bewertungen bei einzelnen Finanzierungsrunden bei Unternehmen, deren Themen sehr im Trend liegen. Hier wird die Zeit zeigen, ob sich dies nachhaltig auch im Exit-Erfolg widerspiegelt. In der gesamten Breite des Marktes sehen wir aber weder ein Überangebot von Finanzierungen noch ein generell überzogenes Bewertungsniveau – obgleich es auch kein Schnäppchenmarkt ist.

VC Magazin: Ein Blick in die Glaskugel: Wie schätzen Sie Ihr geschäftliches Umfeld im Sommer 2022 ein?
Selbherr: Wir gehen davon aus, dass auch das Jahr 2022 spannend bleibt, vor allem weil wir im Bereich Private Equity einen gewissen Nachholbedarf bei Wachstumsinvestitionen sehen. Im Segment Venture erwarten wir – auch durch die geplante Erweiterung unserer Möglichkeiten – eine noch zunehmende Dynamik sowohl bei Investments als auch bei Exits.

 

Guy Selbherr ist Geschäftsführer der Mittelständischen Beteiligungsgesellschaft Baden-Württemberg.