Mittelstand von heute und morgen im Geschäft
Während zahlreiche große Konzerne etablierte und erfolgreiche Corporate Venture Capital(CVC)-Aktivitäten aufgebaut haben, stehen Mittelständler zunehmend vor der Frage, wie auch sie aktiv werden können. Studien belegen, dass Unternehmen mit diesen Aktivitäten langfristig erfolgreicher sind. Beteiligungen schaffen Einblick und Zugang zur (digitalen) Zukunft, bauen relevante Ökosysteme auf und treiben die eigene Transformation an. Die Motivation ist also meist eine strategische – doch die Ambition auf eine hohe Beteiligungsrendite sollte trotzdem im Fokus stehen.
Ein paar grundlegende Realitäten des Venture Capital sollte man überblicken:
1. Der Erfolg im Bereich Venture Capital ist ungleich verteilt. Auf vielzählige Fehlschläge kommen nur wenige große Erfolge. Eine Beteiligungsstrategie mit einem Portfolioansatz von mindestens 15 bis 20 Beteiligungen weist meist ein gutes Risiko-Ertrags-Profil auf. Einzelne, isolierte Investitionen sind mit einem deutlich höheren Risiko verbunden.
2. Für den Erfolg eines Start-ups müssen vielerlei Faktoren zusammenspielen. Dazu gehören unter anderem Top-Gründer, Kapitalgeber und eine High Performance-Kultur. Der gemeinsame Nenner aller Beteiligten ist der Anspruch auf Erfolg und Rendite – nur damit schafft man den Zugang zu den besten Start-ups.
3. Es braucht Zeit: Nachhaltige Erfolge von Venture Capital stellen sich erst nach vier bis sechs Jahren ein. So viel Zeit muss sein.
Corporate Venture Capital-Aktivitäten lassen sich für Mittelständler indirekt via Beteiligungen an Wagniskapitalfonds oder direkt durch den Aufbau eigener Aktivitäten (gegebenenfalls mit externer Unterstützung) umsetzen.
Beteiligung an einem Fonds
Eine Beteiligung an einem Venture Capital-Fonds bietet die Vorteile, dass ein professionelles Team und Strukturen bereits bestehen und mit kleinerem Mitteleinsatz ein Zugang zur Start-up-Welt geschaffen werden kann. Bei ausreichend substanzieller Beteiligung bieten einige Fonds exklusive Zugänge zu ihren Erkenntnissen, ihrem Dealflow und gegebenenfalls Einsitz in einem Advisory Board. Quasi als Zuschauer in der ersten Reihe kann man sinnvolle Einblicke gewinnen, die Beteiligungsstrategie jedoch nicht beeinflussen. Entsprechend ist es wichtig, jene Fonds zu selektieren, die sehr fokussiert und ausschließlich in für das Unternehmen relevante Bereiche investieren.
Eigenes Portfolio aufbauen
Ab einem für Start-up-Beteiligungen verfügbaren Kapital von 20 Mio. bis 50 Mio. EUR kann man darüber nachdenken, ein eigenes Portfolio aufzubauen. So lässt sich die Strategie selbst bestimmen und ein maßgeschneidertes Portfolio von ausschließlich relevanten Start-ups aufbauen. Idealerweise gründet man dafür ein eigenes Gefäß und stattet es mit dem Kapital aus. Damit ist dieses während des Portfolioaufbaus (zum Beispiel fünf Jahre) vor anderen Anspruchsgruppen in den jährlichen Budgetrunden geschützt, und man schafft die notwendige Langfristigkeit. Ebenfalls denkbar sind Beteiligungen aus der Bilanz. Der Entscheidungsprozess ist das A und O.
Teams bilden
Klassischerweise entscheidet in Unternehmen der Aufsichtsrat oder die Geschäftsleitung über größere Investitionen oder Beteiligungen. Für Start-up-Beteiligungen sind diese Gremien schlecht geeignet: Solche Investitionen sind im Vergleich zu anderen Investitionsanträgen oft unbedeutend, wodurch die Gefahr besteht, dass Entscheide ungenügend diskutiert oder mehrfach verschoben werden. Unternehmen sind oft langsamer als die schnell drehende Welt des Wagniskapitals. Es sollte deshalb ein dedizierter Beteiligungsprozess mit einem „Investment Committee“ eingerichtet werden. Das Beteiligungsmanagement sollte auch nicht dem M&A-Team überlassen, sondern ein eigenes Team geschaffen werden. Das Mindset ist grundsätzlich anders: Es geht nicht um Mehrheit und Kontrolle, sondern um Minderheit und Befähigung. Strategische Vertragsbestandteile (wie Exklusivitäten oder Vorkaufsrechte) haben in einem Start-up-Beteiligungsvertrag keinen Platz und führen zu einer adversen Selektion von zweitklassigen Start-ups, die keine alternative Finanzierung am Markt finden.
Fokus setzen
Der Aufbau eines Start-up-Portfolios kann nicht als Nebentätigkeit betrieben werden. Für Unternehmen stellt gerade der Aufbau eines relevanten Dealflows vielfach eine große Herausforderung dar. Es sollte nicht in das erstbeste, sondern das relevanteste und erfolgversprechendste Start-up investiert werden. Die Suche muss deshalb proaktiv gestaltet und ein gutes Verständnis der wesentlichen Verticals erlangt sein. Das erfordert einen hohen Ressourceneinsatz und Zugang zu relevanten Daten. Gleichzeitig gilt es, ein enges Netzwerk zu anderen Venture Capitalisten zu pflegen: Denn gerade die Finanzierungsrunden bei den Top-Start-ups sind heutzutage umkämpft. Ein effektives Corporate Venture Capital-Team besteht deshalb oft aus mindestens fünf bis sieben Mitarbeitern. Dazu gehören Experten („Investment Manager), aber auch Mitarbeiter, die das Start-up mit dem Unternehmen vernetzen, Synergien identifizieren und realisieren (Program Manager). Ein Großteil davon kann in einem Venture Capital as a Service-Modell ausgelagert werden.
Fazit
Corporate Venture Capital-Aktivitäten müssen intern breit abgestützt sein. Es muss der richtige Ansatz sorgfältig ausgewählt und die Umsetzung auf das Unternehmen, seine Kultur und die gewünschten Ziele maßgeschneidert werden. Bei richtiger Umsetzung schafft man den Zugang zu den Top-Start-ups, denn als Unternehmen bringt man zusätzlich zum Geld auch Industrieerfahrung und Marktzugänge und hat so durchaus einen USP in hart umkämpften Finanzierungsrunden. Corporate Venture Capital kann die eigene Innovationskraft tatkräftig unterstützen und zu einem langfristigen Unternehmenserfolg maßgeblich beitragen.
Lukas André ist Managing Partner Schweiz bei Redstone, einer führenden Venture Capital-Plattform in Europa. Redstone initiiert und verwaltet mehr als acht spezialisierte Unternehmens- und Sektorfonds und bietet Venture Capital as a Service-Leistungen für Fonds, etablierte Unternehmen und Family Offices an.