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Nach anderthalb Jahren Coronapandemie hat sich vieles verändert: Neue Trends sind entstanden, Branchen stärker in den Fokus gerückt, die Arbeitswelt ist digitaler geworden. Es ist Zeit für ein erstes Fazit und einen Blick nach vorn. In den Sommerinterviews erzählen Persönlichkeiten aus der Private Equity- und Venture Capital-Branche von Fundraising- und Investmenterfahrungen, schätzen den aktuellen Markt ein und berichten von ihren Erwartungen für 2022.
VC Magazin: Wie sieht Ihr aktuelles Fazit nach anderthalb Jahren Coronapandemie für die Investmentbranche aus?
Lubert: Für unseren Kernbereich, nämlich Venture Capital-Investments im Technologieumfeld, ziehen wir eine insgesamt positive Bilanz, da in Krisensituationen schneller und eindeutiger erkennbar wird, welche Teams im Portfolio das Zeug haben, unternehmerische Höchstleistungen zu bringen. Zudem hat sich gezeigt, dass das Arbeiten an ein und derselben Thematik von verteilten Arbeitsplätzen deutlich besser funktioniert als bisweilen für möglich gehalten wurde, und Corona der Digitalisierung unserer Wirtschaft und Verwaltung wichtige Impulse gegeben hat.
VC Magazin: Welchen Einfluss hatte Corona auf Ihr eigenes Geschäft?
Lubert: Die zurückliegenden 18 Monate zählen mit inzwischen bereits sieben Exits sowie mehreren sehr erfolgreichen Finanzierungsrunden zu den besten in unserer 21-jährigen Firmengeschichte. Gerade digitale Geschäftsmodelle wie z.B. eCommerce, eLearning oder eHealth haben maßgeblich dazu beigetragen.
VC Magazin: Welche Trends sehen Sie am Markt, die durch Corona einen Boost erhalten haben?
Lubert: Zweifellos haben die bisherigen Megatrends Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit durch Corona nochmal einen besonderen Innovationsschub erhalten, weil die Krise bisherige Tabus und Bedenken vom Tisch fegte und gänzlich neuen Ansätzen Raum verschaffte.
VC Magazin: Im September stehen die Wahlen für eine neue Bundesregierung an. Wie sieht Ihr Fazit zur aktuellen Legislaturperiode aus?
Lubert: Für eine Zwangsehe hat die GroKo aus meiner Sicht besser funktioniert, als ich es mir vorgestellt habe. Gerade durch die Corona-Krise wurde hier parteipolitisches Geplänkel mehrfach in den Hintergrund gerückt und wichtige Sachthemen mit Priorität angegangen und im Konsens entschieden. Wenn wir uns aber die Themen anschauen, die unser Land nach vorne bringen und die (Um-)Welt sicherer machen sollen (insbes. Digitalisierung, Klimaschutz), ist es jetzt aber an der Zeit, „Farbe“ zu bekennen.
VC Magazin: Ein Blick in die Glaskugel: Wie schätzen Sie das geschäftliche Umfeld für alternative Investments im Sommer 2022 ein?
Lubert: Ob Elektromobilität, Energieversorgung, Ernährung, Bildung, Gesundheit und viele andere Bereiche: unsere Zukunft liegt in Geschäftsmodellen, die einen nachhaltigen gesellschaftlichen bzw. ökologischen Nutzen stiften und das Zeug dazu haben, Märkte, Systeme und/oder Prozesse zu revolutionieren sowie neue weltweite Standards zu etablieren. Daher wird das Angebot an alternativen Investments nicht nur bis Sommer 2022, sondern langfristig weiter steigen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Wolfgang Lubert ist Vorstandsvorsitzender des Private Equity Forums NRW und Geschäftsführer der EnjoyVenture Management GmbH.