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Nach anderthalb Jahren Coronapandemie hat sich vieles verändert: Neue Trends sind entstanden, Branchen stärker in den Fokus gerückt, die Arbeitswelt ist digitaler geworden. Es ist Zeit für ein erstes Fazit und einen Blick nach vorn. In den Sommerinterviews erzählen Persönlichkeiten aus der Private Equity- und Venture Capital-Branche von Fundraising- und Investmenterfahrungen, schätzen den aktuellen Markt ein und berichten von ihren Erwartungen für 2022.
VC Magazin: Wie hat sich Ihr persönliches Geschäft durch Corona verändert?Schuster: Nach etwas mehr als 1,5 Jahren Corona-Pandemie können wir feststellen, dass sich überraschend wenig in unserem Geschäft verändert hat. Selbstverständlich mussten wir unsere Arbeitsweise anpassen. Insbesondere der direkte Austausch mit Gründerinnen und Gründern hat sich anders dargestellt, als wir es aus der Vergangenheit gewohnt waren. Dass wir in ein Team investieren, welches wir ausschließlich aus Video-Konferenzen kennen, war vor 2 Jahren noch undenkbar gewesen. Jetzt können wir feststellen, dass dies auch im digitalen Rahmen gut funktionieren kann, wobei ich mich natürlich trotzdem wieder auf die Teilnahme an physischen Events und den persönlichen Austausch mit allen Beteiligten freue. Ansonsten hat sich unser Geschäft nicht verändert. Mit Ausbruch der Corona-Krise gab es eine kurze Phase, in der wir uns auf die Stärkung unserer sächsischen Portfoliounternehmen fokussiert haben. Danach haben wir unsere Investitionstätigkeiten genauso fortgeführt wie zuvor. Dies hat dazu geführt, dass wir mit dem TGFS im vergangenen Jahr an mehr als 25 Finanzierungsrunden teilgenommen haben und deutschlandweit zu den aktivsten VC-Investoren gehören. Ein Grund dafür ist, dass wir uns als technologieorientierter Frühphaseninvestor im besonderen Maße auf zukunftsfähige Lösungen und Technologien fokussieren und damit auch ein großes Exposure im Bereich der digitalen Lösungen besitzen. Durch den anhaltenden Digitalisierungsschub nehmen wir deshalb für unsere Portfoliounternehmen günstige Rahmenbedingungen wahr.
VC Magazin: Werden diese Veränderungen auch in Zukunft anhalten?
Schuster: Ich gehe davon aus, dass die Corona-Krise die Digitalisierungsbemühungen vieler Branchen beschleunigt und verstärkt hat und auch weiterhin verstärken wird. Dieser Trend, kombiniert mit einem stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz, führt dazu, dass die innovativen Lösungen unserer Portfoliounternehmen eine schnellere Adaption erfahren als ursprünglich angenommen. Dies zeigen auch unsere erfolgreichen Exits bei Rhebo und evan in diesem Jahr. Insgesamt gehen wir davon aus, dass die innovativen Unternehmen gestärkt aus der Corona-Pandemie hervorgehen werden und von den Veränderungen, die über alle Branchen hinweg sichtbar sind, profitieren werden.
VC Magazin: Wie beurteilen Sie die geschäftliche Situation Ihrer Branche?
Schuster: Nach einem kurzen Dämpfer in der Corona-Phase hat sich der Trend, der in anderen Asset-Klassen ebenfalls zu beobachten ist, auch im Venture Capital-Segment fortgesetzt. Wir beobachten viele Finanzierungsrunden – einige davon in Größenordnungen, die vor einigen Jahren undenkbar waren – und nehmen viele neue Player am Markt wahr. Gleichzeitig beobachten wir nach wie vor Zurückhaltung in der frühen Phase von Deep-Tech Unternehmen, wo wir als TGFS (oder ähnliche Vehikel in anderen Bundesländern) häufig allein den Anschub finanzieren.
VC Magazin: In welche Branchen und Geschäftsmodelle würden Sie derzeit persönlich investieren?
Schuster: Es ist nicht die eine Branche oder das eine Geschäftsmodell, auf welches man sich derzeit fokussieren sollte. Vielmehr ist es meine Überzeugung, dass innovative Gründerinnen und Gründer, deren Lösungen dafür sorgen, dass Unternehmen die Herausforderungen der aktuellen und zukünftigen Megatrends bewältigen können, vielversprechende Investments darstellen. Zu diesen Megatrends gehören: Digitalisierung, Gesundheit, Konnektivität, Individualisierung, Mobilität sowie (Cyber-)Sicherheit – und dies alles unter den Anforderungen von nachhaltiger Ökonomie und Globalisierung. Durch die breiten Auswirkungen dieser Trends fokussieren wir uns als TGFS weniger auf die Branche als auf Technologien mit Alleinstellungsmerkmalen, welche das Potential besitzen, in ihrem Segment Marktführer zu werden.
VC Magazin: Wie stufen Sie das derzeitige Preisniveau am Markt ein?
Schuster: Das derzeitige Preisniveau ist hoch, da es durch das aktuelle Niedrigzinsniveau getrieben wird. Momentan sehen wir die Preise wieder auf Vor-Corona-Niveau, vielleicht schon darüber. Geld sucht nach Anlagemöglichkeiten, was dazu führt, dass die Preise von allen Asset-Klassen deutlich steigen. Darüber hinaus steigt auch der Kapitalbedarf der Unternehmen. Mitarbeiter mit begehrten Qualifikationen sind zunehmend schwerer zu finden, sodass die Personalausgaben im Vergleich gestiegen sind. Gleichzeitig nehmen aber auch die Exit-Bewertungen zu, weshalb mich die aktuellen Einstiegspreise nicht beunruhigen, solange das Verhältnis von Einstieg zu Exit weiterhin gesund ist.
VC Magazin: Ein Blick in die Glaskugel: Wie schätzen Sie Ihr geschäftliches Umfeld im Sommer 2022 ein?
Schuster: Ich bewerte die weitere Entwicklung des geschäftlichen Umfeldes positiv. Die Auswirkungen der Corona-Krise, aber auch die der dargestellten Megatrends, werden Unternehmen und Gesellschaft weiterhin beschäftigen. Innovative Unternehmen sowie Gründerinnen und Gründer werden bei der Bewältigung dieser Herausforderungen eine große Bedeutung einnehmen. Darüber hinaus wird das Niedrigzinsumfeld weiter dafür sorgen, dass dem Private Equity-Segment vermehrt Geldmittel zufließen werden, was der Branche nicht schaden wird. Insgesamt gehe ich von einem geschäftigen Jahr 2022 aus, bei dem wir als TGFS eine Vielzahl von sächsischen Unternehmen dabei unterstützen, ihren Markt zu erschließen.
Zum Interviewpartner:
Sören Schuster ist als Geschäftsführer der CFH Management GmbH (Leipzig) für den Bereich Frühphaseninvestments zuständig und leitet seit 2008 den TGFS Technologiegründerfonds Sachsen. Der Diplom-Physiker ist seit 1996 in der Venture Capital-Industrie aktiv und war für verschiedene nationale und internationale Fonds tätig.