Bildnachweis: BayBG.
Die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft finanziert bayerische Start-ups. Was Start-ups generell mitbringen müssen, um für einen Investor interessant zu werden und welche Fehler Gründer vermeiden sollten, dazu sprachen wir mit Dr. Marcus Gulder, Leiter Venture Capital der BayBG.
VC Magazin: Was sind aus Sicht des Venture Capital-Gebers die wichtigsten Voraussetzungen, um eine Finanzierung zu erhalten?
Gulder: Es braucht ein international skalierbares Businessmodell mit einem stimmigen Produkt-/Market-Fit, Kunden müssen also bereit sein, für dieses Produkt nachhaltig zu bezahlen. Zudem muss ein interessantes Milliarden-Umsatz-Marktpotenzial vorhanden und sollten erste Erfolge beim Exekutieren des Geschäftsmodells erkennbar sein. Am wichtigsten ist aber das Managementteam: Es muss komplementäre Fähigkeiten und Erfahrungen mitbringen, Wandlungsbereitschaft besitzen und in der Lage sein, gute Mitarbeiter für seine Vision zu begeistern. Außerdem braucht es den Willen, ein nachhaltiges internationales Geschäftsmodell aufzubauen. Gründer, die nur an den Exit denken, werden es zunehmend schwerer haben.
VC Magazin: Wie finde ich als Start-up den für mich beziehungsweise mein Projekt passenden Kapitalgeber?
Gulder: Das Management muss frühzeitig den Finanzierungsprozess starten, mindestens sechs, besser neun Monate vor der geplanten Kapitalaufnahme. Dafür sollten die Gründer ihre persönlichen Netzwerke nutzen, sich mit anderen Start-ups zu deren Erfahrungen mit Investoren austauschen und auch auf die Entrepreneurship-Lehrstühle der Hochschulen zugreifen. Gerade hier in Bayern hilft das professionell aufgestellte Netzwerk von BayStartUp. Das sind gute Informationsquellen, um zielgerichtet Investoren für eine erste Finanzierungsrunde anzusprechen. Deutlich einfacher läuft es dann bei Folgerunden: Zusammen mit den bereits investierten Kapitalgebern verfügt das Management in aller Regel selbst schon über ein eigenes Investorennetzwerk für eine fokussierte Ansprache.
VC Magazin: Neben den zuvor beschriebenen allgemeinen Voraussetzungen für Venture Capital – gibt es weitere für die BayBG wichtige Kriterien in Bezug auf Firmensitz, Branche und Unternehmensphase?
Gulder: Unsere Besonderheit liegt darin, dass wir mit unseren Venture Capital-Aktivitäten regelmäßig nur in Start-ups investieren, die entweder ihren Firmensitz oder zumindest einen Standort in Bayern haben. Als BayBG Venture Capital liegt unser Fokus auf frühen A-Runden und einem initialen Investment von 0,5 Mio. bis 5 Mio. EUR. Wir können Nachfinanzierungen bis 10 Mio. EUR pro Start-up darstellen. Das sind also regelmäßig Start-ups, die bereits Investoren aus Seed- und Business Angel-Runden an Bord haben. Idealerweise stellen dann direkt die Seed-Investoren den Kontakt zu uns her. Wir verfolgen keinen speziellen Branchenfokus, investieren diesbezüglich opportunistisch und haben neben den klassischen B2B-SaaS-Geschäftsmodellen auch interessante Med- und Cleantechfirmen im Portfolio.
VC Magazin: Welches sind die häufigsten Fehler, die Start-ups bei der Ansprache und der Zusammenarbeit mit einem Wagniskapitalgeber machen, aber tunlichst vermeiden sollten?
Gulder: Venture Capital ist ein komplexes Geschäft, und jedem Gründerteam wird seitens der Investoren eine entsprechende Lernkurve zugestanden. Wenn ich pro Prozessschritt je einen unnötigen und typischen „Anfängerfehler“ benennen darf, wären dies: Beim Pitch fällt es schwer, das Geschäftsmodell in einem Satz zu erklären. Beim Term Sheet wird über branchenübliche Due Diligence-Kosten diskutiert. Beim Vertrag stören langwierige Verhandlungen über die Geschäftsgarantien, und bei der Zusammenarbeit schließlich, und da wird es richtig gefährlich für das Unternehmen und insbesondere für eine vertrauensvolle und erfolgreiche Partnerschaft, werden Probleme nicht rechtzeitig offen angesprochen.
VC Magazin: Was hilft Start-ups beim Erstkontakt mit Ihnen, um die Chance auf eine Zusammenarbeit zu erhöhen, und welche Schritte folgen anschließend?
Gulder: Eine gute Vorbereitung ist entscheidend; auch sollten alle tiefer gehenden Informationen direkt nach dem Erstgespräch verfügbar sein. Sobald ein gemeinsames Verständnis über die Unternehmensbewertung hergestellt werden konnte, hilft der Austausch zwischen weiteren Investoren der Finanzierungsrunde, um den Prozess zu beschleunigen und zum Beispiel eine gemeinsame Due Diligence zu organisieren. Wir sind als Investor an einem effizienten Prozess interessiert und leisten unseren Beitrag, um zügig herauszufinden, ob es für beide Seiten passen kann. Wenn wir uns in einem Term Sheet auf eine Zusammenarbeit verständigt haben, ist es unser Anspruch, das Projekt in vier bis sechs Wochen durchzuziehen.
VC Magazin: Wie eng gestaltet sich die Zusammenarbeit nach erfolgter Finanzierung? Wie viel Reporting-Aufwand kommt auf Start-ups zu?
Gulder: Das hängt von den Vorstellungen des Managements, dem jeweiligen Reifegrad der Firma und gegebenenfalls unserer Rolle als Investor innerhalb eines Finanzierungskonsortiums ab. Wir bringen gerne unsere Erfahrungen und unser Netzwerk im Rahmen der Betreuung unserer Portfoliofirmen ein. In der Regel gibt es bei mehreren Investoren im Gesellschafterkreis eine Aufgabenteilung und regelmäßig ein bis zwei Lead-Investoren, meist diejenigen mit den größten Investmenttickets. In Ausnahmefällen, zum Beispiel wenn ein Corporate oder ein Stratege signifikant investiert ist, kann es durchaus auch sein, dass ein Investor der ersten Stunde das Unternehmen am engsten begleitet. Dem Managementteam sollte klar sein, dass der Reporting-Aufwand nicht für den Investor betrieben wird, sondern es auch selbst die Informationen und KPIs benötigt, um die Firma strategisch und operativ gut zu steuern.
VC Magazin: Es ist viel Kapital im Markt, und auch coronabedingt sind einige Branchen im Aufschwung. Wie bewerten Sie den aktuellen Markt?
Gulder: Die Zeiten sind extrem gründerfreundlich. Die Einstiegsbewertungen für Investoren sind ohne Zweifel sportlich und die Runden deutlich größer als früher: Waren es einst eher
3 Mio. bis 5 Mio. EUR, fängt heute die A-Runde kaum unter 8 Mio. bis 12 Mio. EUR an. Gleichzeitig gibt es für reife und noch nicht profitable Geschäftsmodelle zu Venture Capital interessante Finanzierungsalternativen wie Venture Debt oder ertrags- beziehungsweise umsatzbasierte Finanzierungen. Die Zeiten, in denen wir auf guten Dealflow warten konnten, sind definitiv vorbei. BayBG Venture Capital bemüht sich aktiv und früh um den Kontakt zu guten Start-ups, sobald diese eine Seed-Runde abgeschlossen haben.
VC Magazin: Wie positioniert sich BayBG Venture Capital in diesem kompetitiven Markt, gibt es Alleinstellungsmerkmale?
Gulder: Wir sehen mittlerweile auch Growth-Investoren, die in A-Runden einsteigen, und der Wettbewerb unter den Investoren wird dadurch intensiver. BayBG Venture Capital ist ein verlässlicher, stabiler Investor und wir haben viel Transaktionserfahrung im Venture-Team. In den letzten fünf Jahren haben wir uns an zahlreichen Start-ups neu beteiligt und gleichzeitig mehrere Anschlussinvestments bei Portfoliounternehmen realisiert. Als Gesamthaus sind wir seit 50 Jahren am Markt und seit mehr als 20 Jahren im Venture Capital-Geschäft aktiv. Mit unserer Evergreen-Fonds-Struktur unterliegen wir zudem keinen zeitlichen Restriktionen oder dem Exit-Druck wie ein klassischer Wagniskapitalfonds. Auch unterscheidet uns, dass wir flexibel von Venture Capital auf Venture Debt in einer späteren Unternehmensphase umschwenken und nachfinanzieren können. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist unser Mittelstandsportfolio, von dem die Start-ups profitieren. Hier gibt es zahlreiche interessante Zielkunden, es entstehen sehr wertvolle Synergien aus diesem wohl in Deutschland einmaligen Portfolio unter dem Dach einer einzigen Beteiligungsgesellschaft mit insgesamt über 400 Beteiligungen, darunter mehr als 40 Hightech-Start-ups sowie 50 Mittelständlern mit einem Umsatzvolumen über 50 Mio. EUR.
VC Magazin: Herr Dr. Gulder, vielen Dank für das Interview.
Zum Interviewpartner: Dr. Marcus Gulder ist seit 2012 Head of Venture Capital der BayBG. Er arbeitet seit 1999 in der Beteiligungsbranche und hat zahlreiche Portfoliounternehmen bis zum erfolgreichen Trade Sale oder IPO begleitet. Vor der BayBG war er für eine Private Equity-Gesellschaft in Frankfurt tätig. Die BayBG Venture Capital ist aktuell mit rund 60 Mio. EUR in mehr als 35 Tech-Start-ups investiert: www.baybg-vc.de.