Nicht selten sind sogenannte Leaver-Regelungen intensiver Verhandlungsgegenstand bei Finanzierungsrunden. Wesentliche Fragen sind dabei, wie lange die Gründer an die Gesellschaft gebunden sein sollen und unter welchen Voraussetzungen sie die Gesellschaft verlassen können, ohne (auch) ihre bereits „erdienten“ Anteile an der Gesellschaft ganz oder teilweise zu verlieren.
In zeitlicher Hinsicht werden in der Regel 48 Monate vereinbart, wovon die ersten (zumeist) zwölf normalerweise eine sogenannte Cliff-Periode darstellen, bei denen ein Leaver-Ereignis, unabhängig von dessen Grund, zum Verlust aller Anteile führt. Inhaltlich wird zumindest zwischen dem sogenannten Good Leaver und dem Bad Leaver unterschieden. Zu Letzterem zählt jedenfalls die Kündigung des Anstellungsverhältnisses durch die Gesellschaft oder die Abberufung als Geschäftsführer aus wichtigem Grund. Teilweise werden auch noch zusätzlich bestimmte Bad Leaver-Fälle vorgesehen, etwa bei einem Verstoß gegen das Wettbewerbsverbot.
Investoren erwarten festes Commitment
Zunehmend findet sich zudem ein sogenannter Intermediate Leaver, wobei es inhaltlich um Regelungen geht, die in gewissen Fällen die Folgen eines (eigentlichen) Bad Leaver-Falls, nämlich den Verlust sämtlicher Anteile, abschwächen sollen. Wichtiger als Begrifflichkeiten ist es, gewisse Themen im Auge zu behalten, hinsichtlich derer möglichst frühzeitig eine Verständigung erfolgen sollte, da sie andernfalls den von allen Beteiligten erhofften zügigen Vertragsschluss nicht unerheblich verzögern können. Für Gründer ist mit diesen Themen häufig auch ein emotionaler Aspekt verbunden: Einerseits die (allerdings zumeist unbegründete) Befürchtung, dass ihnen aus geringem Anlass ihre Anteile „weggenommen“ werden könnten, und sie andererseits „auf immer und ewig“ oder zumindest sehr lange an die Gesellschaft gebunden sein könnten. Die Investorensicht ist freilich eine etwas andere: Inzwischen werden auch in Deutschland selbst bei Seed-Runden oft Millionenbeträge im mittleren einstelligen Bereich investiert: Hier ist die Erwartungshaltung der Investoren ein festes Commitment der Gründer für einen Zeitraum von in der Regel 48 Monaten.
Intermediate-Lösung im Gespräch
Dagegen finden sich in dem derzeit eher gründerfreundlichen Umfeld unter dem Schlagwort „Intermediate Leaver“ zunehmend Vorschläge (teilweise unter Berufung auf einen angeblich bereits „neuen“ Marktstandard in Deutschland), nach denen ein Gründer nach (zum Beispiel) zwei Jahren von sich aus ordentlich kündigen und die Gesellschaft verlassen können soll und dennoch die Hälfte (= 24/48) seiner Anteile behalten darf. Hier sollte der Bogen nicht überspannt werden. Zwar mögen grundsätzlich Gestaltungen denkbar sein, die es beispielsweise nach 36 Monaten zulassen, dass ein Gründer ordentlich kündigt und dann nicht alle Anteile verliert – jedoch sollte dies einzelfallabhängig sein. Grundsätzlich denkbar ist das möglicherweise etwa dann, wenn das Unternehmen schon seit Längerem vor dem Vestingbeginn von den Gründern aufgebaut wurde. Der Verfasser kann nicht bestätigen, dass sich in Deutschland inzwischen ein oben erwähnter Marktstandard herausgebildet hat.
Wettbewerbsverbot klar definieren
Kombiniert werden solche Vorschläge nicht selten mit dem einer Abschwächung des Bad Leaver-Falls bei Verstößen gegen das Wettbewerbsverbot (zum Beispiel nur bei „wesentlichen“ Verstößen oder nur nach vorheriger Abmahnung); hier ist die bessere Lösung für alle Beteiligten, das Wettbewerbsverbot so präzise wie möglich zu fassen, damit es zu Verstößen hiergegen „aus Versehen“ (so die Argumentation eines Rechtsberaters in von dem Verfasser kürzlich geführten Verhandlungen) gar nicht kommen kann. Hinzu tritt teilweise der Vorschlag, Nebentätigkeiten der Gründer pauschal für ein bestimmtes Stundenkontingent zuzulassen, sofern nicht gegen das Wettbewerbsverbot verstoßen wird, und/oder eine Kündigung der Anstellungsverhältnisse von Gründern innerhalb der Cliff-Periode nur mit deren Zustimmung zuzulassen, sodass dies letztlich nicht möglich ist. Auch diesbezüglich finden sich zumeist vernünftige Lösungen (beispielsweise, dass wenigstens zwei von drei Gründern der Kündigung zustimmen müssen, wenn es drei Gründer gibt).
Aus Gründersicht kommt es darauf an, zum einen hinreichend Commitment zu demonstrieren, ohne die Möglichkeit der mehr oder weniger künstlichen „Erzeugung“ eines Bad Leaver-Falls durch andere Gesellschafter zu ermöglichen. Letzteres ist aber ohnehin nicht die Absicht von Investoren, die in der Regel auch und gerade wegen des Gründerteams investieren. Zum anderen mag es Fälle geben, bei denen es dem Gründer möglicherweise tatsächlich nicht zumutbar ist, weiter für die Gesellschaft tätig zu sein, und der Verlust sämtlicher Anteile deshalb nicht gerechtfertigt sein könnte. Solche betreffen zum Beispiel schwere Krankheit des Gründers (oft dann aber ohnehin ein Good Leaver-Fall) oder naher Angehöriger. Letzteres wird teilweise ebenfalls unter dem Stichwort „Intermediate Leaver“ diskutiert. Es stellt sich aber bei solchen Vorschlägen stets die Frage, was beziehungsweise wer alles „schwere Krankheiten“ und „nahe Angehörige“ sind. So ist dem Verfasser bei Verhandlungen kürzlich der Vorschlag unterbreitet worden, dass hierzu auch die Schwiegermutter gehören solle. In ganz besonderen Einzelfällen mag dies eventuell diskussionswürdig sein – in der Regel sollte dieser Kreis aber stark begrenzt sein, und es ist auch in dieser Hinsicht zwischen dem allgemeinen Lebens- und Unternehmerrisiko und wirklich legitimen Interessen von Gründern zu unterscheiden. Augenmaß ist hier auf allen Seiten gefragt (übrigens auch bei den jeweiligen Rechtsberatern).
Dr. Thomas Derlin, LL.M., ist Rechtsanwalt und Partner bei der Wirtschaftskanzlei GSK Stockmann. Seine Tätigkeitsschwerpunkte liegen in den Bereichen Venture Capital, Private Equity, Corporate/M&A sowie kommerzielles Vertragsrecht.