Ein bemerkenswertes Jahr liegt (fast) hinter der Branche, auch in puncto M&A. Während über Deutschland die vierte Corona-Welle schwappt, prägen inzwischen andere Themen den Markt für Unternehmensbeteiligungen.
Zeit für ein (vorläufiges) Resümee und einen Ausblick auf den deutschen M&A-Markt: Nachdem der Markt in der ersten Jahreshälfte 2020 eine jähe Bremsung erlebt hatte, wurden seitdem nicht nur viele aufgeschobene Transaktionen nachgeholt – auch die Marktdynamik insgesamt hat sich 2021 erheblich beschleunigt. Besonders gefragt war dabei alles, was einen Bezug zu den Begriffen „Tech“ und „Digital“ hatte. Das ist wenig überraschend, hatte die Pandemie doch einmal mehr die Stärke von Technologieunternehmen unterstrichen und die digitalen Defizite in Deutschland schmerzlich sichtbar gemacht. Kaum ein Unternehmen sucht nicht nach Möglichkeiten, digitaler zu werden, und da entsprechendes Fachpersonal hierzulande rar ist, verspricht auch der Zukauf eines Techunternehmens eine schnellere digitale Transformation des Bestandsproduktportfolios oder des Geschäftsmodells.
Licht und Schatten
Nicht nur Strategen waren auf Käuferseite aktiv: Auch Finanzinvestoren nutzen ihre sehr gut gefüllten Taschen für Zukäufe. Bereits vor Pandemiebeginn hohe Bewertungen wurden weiter in die Höhe geschraubt, ein Umsatzvielfaches ist inzwischen keine Seltenheit mehr. Ein Ende der Hochpreise ist nicht in Sicht, aber zumindest steigen die Bewertungen auch nicht weiter an, da nun doch angesichts der Inflationsanstiege die Zinsen nicht weiter sinken sollten. Deutlich zugenommen hat zudem die Abschlussgeschwindigkeit bei zahlreichen Transaktionen. Gerade Private Equity-Investoren gehen schon früh an Beteiligungsziele heran, bieten eine sehr attraktive Bewertung. Im Gegenzug verlangen sie Exklusivität für wenige Wochen – und schließen so teils schon in zehn Tagen den Deal. Dabei sind die Preise so attraktiv, dass sich für den Verkäufer das Warten auf weitere Bieter gar nicht mehr lohnt. Allerdings ist dies nur die eine Seite des M&A-Markts. Auf der anderen Seite stehen „Problembranchen“ wie Automotive. Hier herrscht – Ausnahmen bestätigen die Regel – wenig Angebot, da das Käuferdesinteresse bekannt ist. Zu groß ist die Scheu, in dieser Phase der Marktveränderung auf Unternehmen zu setzen, denen die Transformation möglicherweise nicht gelingen wird.
Unterschätzte Chancen
Dabei bieten sich als Akquisitionsziele gerade jetzt Industrieunternehmen an: Die Bewertungen sind vergleichsweise moderat und mit einer erfolgreichen digitalen Transformation sind die Perspektiven hervorragend. Voraussetzung sind dabei aber die Transformationsfähigkeit und -bereitschaft im Unternehmen. Ein neuer Gesellschafter kann sowohl mit Kapital als auch mit Digitalisierungs-Know-how den Wandel vorantreiben. Dazu braucht es nicht unbedingt eine Übernahme und Integration von Techunternehmen oder Start-ups, sondern vor allem eine aktive Begleitung und den Transformations-Erfahrungs-Transfer. Private Equity-Investoren, die den Erfahrungsaustausch der Beteiligungsunternehmen untereinander fördern und über ein Netzwerk externer Begleiter verfügen, sind dabei eine besonders interessante Option für Industrieunternehmen. Da sie teilweise auch Mezzanine-Finanzierungen anbieten, gibt es einen weiteren Finanzierungshebel zur Umsetzung von Digitalisierungsvorhaben. Schließlich kann das transformierte Unternehmen die neue Stärke auch dazu nutzen, im nächsten Schritt mit einer Buy and Build-Strategie weniger digitale Unternehmen zu attraktiver Bewertung aufzunehmen und dadurch schneller im Markt zu wachsen.
Megatrends Digitalisierung und Nachhaltigkeit
Das kommende Jahr wird zeigen, ob mehr Investoren diese strategische Transformation angehen und ob sie die Mittel haben, Unternehmen erfolgreich auf den Digitalisierungspfad zu bringen. Mancher wird daran scheitern, weil er mehr versprochen hat, als er halten kann – doch für Käufer mit dem entsprechenden Digitalisierungs-Know-how dürfte sich diese Strategie bezahlt machen, denn das Aufwärtspotenzial ist groß. Zumindest ist diese Strategie vielversprechender, als zuerst auf den reinen Techbereich zu setzen; dort sind die Abwertungsrisiken nach dem schwindelerregenden Preisanstieg hoch. Aber noch ein Trend wird den M&A-Markt der Zukunft prägen: Nachhaltigkeit. Schon jetzt zeigt sich, dass Aktien- und Anleiheinvestoren verstärkt in das ESG-Segment investieren. Auch im außerbörslichen Markt für Beteiligungen wird Nachhaltigkeit in absehbarer Zeit zur Conditio sine qua non werden: Wer nicht Mindestanforderungen an Nachhaltigkeit und sozialer Verantwortung genügt, wird immer seltener Kaufinteressenten finden. Auf Deutschlands Unternehmen wartet daher eine zweite große Transformationsanforderung, für die es ebenfalls Kapital und Know-how – also auch neue Finanzierungspartner – brauchen wird, damit der Nachhaltigkeitswandel schnell gelingen kann.
Ausblick
Und was ist mit Corona? Wer gehofft hatte, die Pandemie mit der breiten Verfügbarkeit von Impfstoffen ad acta legen zu können, sieht sich in diesen Wochen bitter enttäuscht – auch jetzt sind wieder Produktions- und Lieferausfälle in Mitteleuropa und damit einhergehende Preisanstiege zu erwarten. Doch anders als in den 21 Monaten zuvor ist mit den medizinischen Fortschritten durch Impfungen und auch in der Behandlung deutlich mehr Licht am Ende des Tunnels zu sehen.
Über den Autor:
Christian Futterlieb ist Managing Partner und Geschäftsführer bei der Frankfurter Beteiligungsgesellschaft VR Equitypartner und verantwortlich für Akquisition und Wertsteigerung von Direktbeteiligungen/Mezzanine-Finanzierungen.