Die Bundesregierung hat sich mit dem Zukunftsfonds das Ziel gesetzt, mehr Wachstumskapital für deutsche Start-ups zu generieren. Den ersten Baustein hat KfW Capital bereits ins Rollen gebracht und stand auch während der Corona-Pandemie jungen Technologieunternehmen zur Seite.
VC Magazin: Wo steht der Zukunftsfonds aktuell und was ist noch geplant?Goschin: Der Zukunftsfonds ist ein Maßnahmenpaket der Bundesregierung, das darauf abzielt, die Wachstumsfinanzierung nachhaltig zu verbessern. Es besteht aus verschiedenen Maßnahmen und Instrumenten, die alle Entwicklungsphasen von Unternehmen mit einem Schwerpunkt auf Wachstumsfinanzierung ansprechen. KfW Capital hat die Aufgabe, das Maßnahmenbündel mit der Politik und den weiteren Partnern zu strukturieren. Und ja: Die ersten drei Bausteine sind bereits implementiert. Dazu zählt die ERP/Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität, die KfW Capital mit Unterstützung des ERP-Sondervermögens und des Zukunftsfonds umsetzt. Weitere Bausteine sind die German Future Fund/EIF-Wachstumsfazilität des Europäischen Investitionsfonds und der DeepTech Future Fonds, aufgehängt beim High-Tech Gründerfonds, der direkt in technologieintensive Start-ups investiert. Wir erhöhen durch die Wachstumsfazilität unser Investitionsvolumen von 2 Mrd. auf 4,5 Mrd. EUR bis 2030. Erste Commitments aus der Fazilität sind bereits getätigt. Der Zukunftsfonds bedeutet einen wichtigen Schritt nach vorne für europäische Venture Capital- und Wachstumskapitalfonds und den deutschen Wagniskapitalmarkt insgesamt. Weitere Instrumente befinden sich bereits in der Konzeptionsphase, unter anderem ein Venture Debt-Programm, das die KfW umsetzen wird, oder „Separate Managed Accounts“. Über die Ausgestaltung und mögliche Themenfelder – zum Beispiel Diversity oder Impact – sind wir derzeit in enger Abstimmung mit dem Bund.
VC Magazin: Welche Bedingungen bringt die ERP/Zukunftsfonds-Wachstumsfazilität mit?
Goschin: Mit der Budgeterhöhung investieren wir in spätphasige Venture Capital- und Wachstumskapitalfonds, weil hier Kapital im Markt fehlt. Seit Juni läuft das Programm, und wir haben die Budgeterhöhung dieses Jahr schon anteilig investiert. Die Fonds können maximal 50 Mio. EUR erhalten, wenn sie mit dem ERP-Venture Capital-Fondsinvestment kombiniert wird, sogar bis zu 75 Mio. EUR. Das Kapital fließt in europäische Venture Capital-Fonds, die in späten Phasen aktiv sind und die Skalierung von innovativen Technologieunternehmen in Deutschland begleiten. Wir geben einen deutlichen Impuls für den deutschen Wagniskapitalmarkt, wobei wichtig ist, dass das Kapital stets pari-passu und nach Bedarf des Marktes investiert wird.
VC Magazin: Sehen Sie hierzulande nach wie vor eine Kapitallücke in der Anschlussfinanzierung?
Goschin: Es fehlt immer noch an einem Angebot von Wachstumskapital von deutschen und europäischen Venture Capital-Fonds. Das Kapital für größere Anschlussfinanzierungen kommt überwiegend aus den USA und Asien oder auch von Private Equity-Gesellschaften, die zunehmend im Growth-Segment aktiv sind. Es gibt hingegen bislang kaum einen hiesigen Venture Capital-Fonds, der größer als 1 Mrd. EUR ist.
VC Magazin: Welche Hebel bringen Ihre Investments hier mit?
Goschin: Wir investieren maximal 19,9% des Fondsvolumens, das bedeutet, die Fonds sind mindestens fünfmal größer als unser Commitment. Das kommt den deutschen Start-ups zugute, denn wir investieren nur in Fonds, die in Deutschland aktiv sind. Bislang wurden durch die Fonds, in die wir investiert haben, mehr als 1.200 Start-ups und Technologieunternehmen finanziert.
VC Magazin: KfW Capital hat im Rahmen der Pandemie eine Corona Matching-Fazilität aufgesetzt für Start-ups in Schieflage – wie sieht Ihr persönliches Fazit dafür aus?
Goschin: Corona hat uns Anfang des Jahres 2020 alle überrascht. Wir bekamen Anfang April letzten Jahres vom Bund den Auftrag, das Start-up-Hilfspaket zu konzipieren und einzuführen. Innerhalb von sechs Wochen arbeitete unser Team das Programm aus, für das es keine Blaupause gab. Das Programm wurde Ende Juni dieses Jahres planmäßig eingestellt. Es hat den Venture Capital-Markt in einer Phase der totalen Unsicherheit deutlich stabilisiert. Im zweiten Quartal 2020 wurde die Talsohle durchschritten und nach dem zweiten Quartal 2021 lag das Geschäftsklima sogar auf einem Allzeithoch.
VC Magazin: Nachhaltigkeit ist in diesem Jahr zu einem wichtigen Thema aufgestiegen. Ihre aktuelle ESG-Studie hat ergeben, dass es mehr in den Köpfen der Wagniskapitalgeber als in denen der Gründer angekommen ist. Wie setzen Sie sich dafür ein, dass Ihre Fonds das Thema stärker spielen?
Goschin: Wir haben unsere „ESG-Toolbox“ in die Vorinvestitionsprüfung beim Themenfeld ESG eingebaut. Die Fonds haben das sehr positiv aufgenommen, weil es sie dabei unterstützt, ihre eigene ESG-Strategie zu formulieren, umzusetzen und darüber zu berichten. Gleichzeitig bekommen damit auch die Portfoliounternehmen Impulse, ESG-Kriterien zu berücksichtigen. In Zeiten, in denen Investoren zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit legen, ist das natürlich nicht nur gut für die Umwelt, Mitarbeiter und Kunden, sondern auch für den Unternehmenswert und damit für potenzielle Verkaufspreise.
VC Magazin: Welche Entwicklungen werden wir in den nächsten Jahren bei ESG erleben?
Goschin: Das Thema wird immer stärker Fuß fassen. Vor allem das E – also „Environmental“ – nimmt durch die aktuellen Klima- und Impact-Diskussionen deutlich an Fahrt auf. Aber auch „Social“ und „Governance“ sind große Themen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen.
VC Magazin: Wie engagiert sich die KfW Capital in puncto Diversity?
Goschin: Diversity hat viele Facetten, von Gender über Know-how und Erfahrung bis hin zu Internationalität. Grundsätzlich zeigen Studien, dass Diversity zu einer nachhaltig besseren Performance und weniger Risiko führt. Wir haben auch mit unserem Beirat, einem 28-köpfigen Expertenkreis aus dem Venture Capital-Ökosystem, über Diversity diskutiert. Wir sind von der Stärke gemischter Teams überzeugt. Bei uns selbst liegt die Frauenquote bei 46%. Wir möchten das Thema auch verstärkt in den Wagniskapitalmarkt tragen. Viele Fonds aus diesem Bereich haben die Wichtigkeit bereits erkannt, aber wissen nicht, wo genau sie ansetzen sollen. Ein offener Austausch, Verweise auf bestehende Initiativen im Markt oder andere Fonds, die in dem Feld bereits weiter sind, können hier helfen.
VC Magazin: Welche Trends erwarten Sie mit Blick auf den Markt im kommenden Jahr?
Goschin: Ich erwarte, dass sich der Venture Capital-Markt in Deutschland und Europa weiter positiv entwickeln wird, denn seine Akteure, Fonds und Start-ups sind zunehmend professionell und innovativ aufgestellt und haben dies insbesondere auch während der Krisenzeit beeindruckend gezeigt. Durch den Zukunftsfonds und die Unterstützung der Politik sowie letztlich durch die Hebelung von privatem Kapital wird es gelingen, die Finanzierungssituation auf breiter Front deutlich zu verbessern. Wir werden mehr und größere europäische Wachstumsfonds sehen und sicherlich auch mehr Fondsgründungen, was sehr zu begrüßen ist. Auch ausländische Investoren werden weiter verstärkt auf den europäischen Markt schauen, denn hier ist das Bewertungsniveau zum Beispiel aus Sicht von US-Investoren recht günstig. Die Themen ESG, Impact und Diversity werden zunehmend an Bedeutung gewinnen.
VC Magazin: Und beim Blick auf Branchen – wer zählt da zu Ihren Favoriten im kommenden Jahr?
Goschin: Das Thema Life Sciences wird wahrscheinlich ein wichtiger Sektor bleiben, der durch die Pandemie weiter profitiert; hier dreht sich das Forschungsrad immer schneller. Aber auch in vielen anderen Themenfeldern wird es weitere spannende Entwicklungen geben, sodass branchenübergreifend innovative Ideen gepaart mit professionellem Management sehr gute Investmentchancen bieten!
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Jörg Goschin ist Geschäftsführer der KfW Capital. Der promovierte Wirtschaftsingenieur ist selbst Gründer und erfahrener Investment Professional.