Bildnachweis: © VentureCapital Magazin/NBank Capital.
Die Coronapandemie hat das Jahr bestimmt, der Beteiligungsmarkt hat sich aber nicht beeinflussen lassen – im Gegenteil. Das Rekordjahr für die Branche neigt sich dem Ende, 2022 steht kurz bevor. Der Advent ist eine willkommene Gelegenheit, inne zu halten zurück und nach vorn zu blicken. In der Reihe „Adventsgespräche“ ziehen Köpfe der deutschen Venture Capital- und Private Equity-Szene ein Fazit zu 2021 und schauen auf die kommenden zwölf Monate.
VC Magazin: Das Jahr 2021 neigt sich dem Ende – wie fällt Ihr Rückblick auf den Beteiligungsmarkt aus?
Struwe-Ramoth: Corona hat eine starke Nachfrage nach Wagniskapital insbesondere aus der Startup-Szene geprägt. Die bereitgestellten Bundesmittel aus Säule II wurden gut genutzt. Bislang ist noch keine ausgeprägte Nachfrage von etablierten Unternehmen zu verzeichnen, was uns etwas erstaunt; wohl aber auf ausreichende Hilfsprogramme des Bundes zurückzuführen ist.
VC Magazin: Ein Blick auf Ihr Geschäft: Was war Ihr persönliches Highlight in diesem Jahr?
Struwe-Ramoth: Das war die Beteiligung an Corat Therapeutics, das ein antikörperbasiertes Medikament für die Behandlung von Covid-19-Patienten entwickelt. Die erste Finanzierungsrunde fand bereits 2020 statt, inzwischen gab es zwei weitere Finanzierungrunden mit Einstieg eines strategischen Investors sowie umfangreiche Bundesförderung in jeweils zweistelliger Millionenhöhe. Die erste klinische Studienphase konnte abgeschlossen werden, eine zweite, umfangreiche Studienphase steht kurz vor dem Start. Das Medikament wurde in Rekordtempo entwickelt. Bei einem erfolgreichem Verlauf ist eine Zulassung 2022 realistisch.
Borchers: Wichtig für das Autoland Niedersachsen ist der neue NTransformation-Fonds, um den Wandel in der Automobilzulieferindustrie aktiv zu unterstützen. Die erste Beteiligung liegt mit HANMAG aus Hannover auch schon vor. Wie im letzten Jahr sind die Mitarbeiter von NBank Capital aufgrund der besonderen Situation in der Corona-Zeit sehr stark gefordert gewesen. Ihnen ist es wieder vorbildlich gelungen, alle Anforderungen unter einen Hut zu bringen und das Optimum für die Unternehmen in Niedersachsen zu ermöglichen.
VC Magazin: Zu Ihren Portfoliounternehmen zählt das Life Science-Start-up Implandata, das einen implantierbaren Sensor für die kontinuierliche Messung des Augeninnendruckes entwickelt hat. Erzählen Sie uns mehr dazu.
Borchers: Es handelt sich um eine sehr spannende Technologie zur Behandlung von Glaukom-Patienten. Patienten mit Glaukom-Erkrankung, auch Grüner Star genannt, leiden an zu hohem Augeninnendruck, der schrittweise die Seenerven zerstört und so zu partieller oder gar vollständiger Erblindung führt. Diese Patienten werden mit augendrucksenkenden Tropfen behandelt, die aber bisher zu ungenau dosiert sind, da der Augendruck ständig variiert. Das mindert den therapeutischen Erfolg erheblich. Die passgenaue Dosierung der Medikamente auf der Basis kontinuierlicher Augendruckmessung führt zu deutlich besserem Therapieerfolg und kann das Fortschreiten der Erkrankung deutlich verlangsamen. Ein großer Gewinn für die Betroffenen.
VC Magazin: Welche Pläne und Ziele hat sich Implandata für die nächsten fünf Jahre gesetzt?
Borchers: Der bisher entwickelte Sensor-Chip muss aufgrund seiner Größe noch mittels OP in das Auge eingefügt werden. Jetzt wird an einer drastisch verkleinerten Chipgeneration gearbeitet, die die Implantation des Chips durch eine Pipette ermöglicht, das wäre weit weniger aufwändig und würde die Marktakzeptanz deutlich verbessern. Diese neue Produktgeneration wollen wir dann mit Hilfe strategischer Partner weltweit vermarkten.
VC Magazin: Der Pandemie zum Trotz hat sich die Beteiligungsbranche zu neuen Rekordwerten im Fundraising und bei den Investments aufgeschwungen. Welche Erwartungen haben Sie für den Markt im kommenden Jahr?
Struwe-Ramoth: Bei den Start-ups sehen wir weiter eine geteilte Welt: Einerseits neue Rekorde bei Wachstumsfinanzierungen ab Series A und B, aber weiterhin Zurückhaltung privater Investoren bei der Frühphasen-Finanzierung, die naturgemäß risikoreicher ist. Diese Lücke wollen wir mit unseren Beteiligungsangeboten füllen. Außerdem erwarten wir eine steigende Nachfrage von etablierten Unternehmen / KMU, wenn die Sonderprogramme von Krediten mit Haftungsfreistellung auslaufen.
Zu den Interviewpartnern:
Stephen Struwe-Ramoth führte die Geschicke der NBank bis zum Ende des Jahres 2020 gemeinsam mit Georg Henze, der aus dem Unternehmen ausgeschieden ist. Parallel leitete der Banker sieben Jahre lang die Beratungsstelle Lüneburg, später zusätzlich die Beratungsstelle Braunschweig.
Ralf Borchers kam 2018 zur Gesellschaft und ist dort seitdem für die Start-up-Förderung zuständig. In dieser Funktion engagiert er sich auch für die Landesinitiative startup.niedersachsen. Zuvor war er 25 Jahre in verschiedenen Funktionen im niedersächsischen Wirtschaftsministerium tätig und hat dort insbesondere Erfahrungen in der Mittelstands- und Gründungsförderung gesammelt.