Dachfonds sind im Wagniskapitalbereich bislang selten. Multiple Capital ist der erste, der dieses Feld in Deutschland besetzt hat. Anlegern wird damit indirekt Zugang zu einer großen Zahl von Start-ups ermöglicht.
Als Ertan Can vor acht Jahren bei einem großen Family Office in Deutschland zu arbeiten anfing, hatte er einen klaren Auftrag: Er sollte ein Portfolio von europäischen Technologie-Start-ups zusammenkaufen. Das machte er mit einigem Erfolg, aber er hatte bei jedem Deal das unbefriedigende Gefühl, die richtig guten Gelegenheiten vielleicht gar nicht zu kennen und damit zu verpassen. Der Markt für Start-ups ist schließlich nicht transparent. Man kann nirgends nachlesen, in welchem Land gerade wie viele Start-ups ihre Ideen in diesem oder jenem technologischen Feld entwickeln. Um das herauszufinden, bräuchte man ein sehr großes Team mit umfangreichem technischem Sachverstand und einem großen Netzwerk, das über eine lange Zeit die Vielzahl von Märkte sondierte – für ein Family Office keine vernünftige Option. Nach mehr als 20 Direktbeteiligungen machte er seinem Auftraggeber daher einen Vorschlag: Wäre es nicht besser, einen Dachfonds zu gründen, der sich an europäischen Venture Capital-Fonds beteiligt – und zwar an solchen, die in einer ganz frühen Phase einsteigen? Der Vorschlag wurde akzeptiert und Can begann damit, ein Portfolio aus Wagnisfonds aufzubauen. Er sah sich Hunderte an, in Lettland und Portugal, in Deutschland und England. Schließlich investierte er nach und nach in zehn. Schnell zeichnete sich ab, dass dieses Geschäft bedeutend besser lief als das Direktportfolio.
Sehr früh in viele Kleine investieren
2018 machte sich Can mit seiner Idee selbstständig und gründete Multiple Capital. Mit diesem Venture Capital-Dachfonds investiert er seither europaweit in sogenannte Mikro-VCs – in Fonds, deren Investitionsvolumen zwischen 10 Mio. und 50 Mio. EUR liegt. Die Höhe ist stark abhängig von der Region. Im Baltikum sind die Fonds eher kleiner, an Orten wie Berlin eher größer. Allen gemeinsam ist indessen, dass sie bei Start-ups in einer sehr frühen Phase einsteigen. „Je früher man in ein Tech-Start-up investiert, desto größer ist das Wachstumspotenzial der Bewertung“, sagt Can. Dahinter steht die Erfahrung, dass Unternehmen anfangs noch günstig sind; haben sie aber erste Erfolge nachzuweisen, stürzen sich gleich alle darauf. Ein Einstieg wird dann teuer und ist unter Umständen auch gar nicht mehr möglich. Investitionen in Frühphasen sind allerdings auch riskanter. Dieses Risiko grenzt Multiple Capital durch eine starke Diversifizierung ein. „Unser Ansatz ist es, durch eine hohe Diversifikation die Ausreißer zu erfassen. Das sind oft Unicorns, manchmal auch Dekacorns“, so Can. Auf diese Weise hat er beispielsweise vor Jahren das rumänische Start-up UiPath entdeckt, das mittlerweile an der New Yorker Börse über 20 Mrd. USD wert ist. Damit die Strategie funktioniert, schauen sich Can und sein Partner Michael Jackson, den er vor Kurzem an Bord geholt hat, jedes Jahr zwischen 300 und 400 Wagnisfonds in allen Teilen Europas an. Danach investieren sie in fünf bis zehn neue Fonds. Ziel ist es, zwischen 500 und 1.000 Start-ups im Portfolio zu haben, die das gesamte Techspektrum abdecken: von Deeptech über Life Sciences bis hin zu IT- und Softwareunternehmen.
Bestes Risiko-Rendite-Profil
Mit seiner Dachfondsstrategie spricht Multiple Capital Family Offices, Stiftungen und Versorgungskassen ebenso an wie vermögende Privatanleger, etwa den Partner einer Anwaltskanzlei oder einen Unternehmer. Private können ab 200.000 EUR einsteigen, Institutionen ab 1 Mio. EUR. Bei solchen vergleichsweise niedrigen Investitionsvolumina sei eine Diversifizierung der Investition in viele Start-ups schlicht nicht möglich, befindet Can. Dennoch verspricht Multiple Capital seinen Investoren das beste Risiko-Rendite-Profil, das sie bekommen können. Can beschreibt es wie folgt: „Wir haben 1.000 Start-ups. In unserem Modell gehen wir davon aus, dass wir etwa 50% verlieren, aber wenn wir es schaffen, Ausreißer zu haben, die um ein Vielfaches höher bewertet sind, dann kommt am Ende eine bessere Performance heraus, als man in anderen Assetklassen erzielen kann.“
Nützlicher Wettbewerb
Im Bereich Private Equity haben Dachfonds eine jahrzehntelange Tradition – ganz anders dagegen bei Venture Capital. „Als ich Multiple 2018 gegründet habe, war das damals der einzige registrierte Dachfonds in Deutschland in diesem Bereich. Das war Pionierarbeit“, sagt Can, der Finanzen studiert, einen MBA draufgesetzt und später bei JP Morgan und DWS in der Vermögensverwaltung gearbeitet hat. Inzwischen sind auch andere auf den Geschmack gekommen. Gleich mehrere Venture Capital-Dachfonds sind in Vorbereitung oder haben gerade mit Investitionen begonnen. Can begrüßt es, bald Wettbewerber zu haben: Wenn das Produkt von mehreren Seiten angeboten wird, erhöht sich dadurch seine Bekanntheit und damit schließlich auch die Akzeptanz bei potenziellen Investoren. Die jahrelange Erfahrung in diesem Bereich sichert ihm dabei immer eine Nasenlänge Vorsprung, so sein Kalkül.
Das Umfeld stimmt
Das Start-up-Ökosystem entwickelt sich derzeit gut. Manche sprechen schon von einem Hype, der nicht zuletzt durch große Vorbilder wie Tesla mit einer Marktkapitalisierung von über 1 Bio. USD beflügelt wird. Die Gründungsbereitschaft ist in vielen Teilen Europas hoch, etwa in Osteuropa. Dieses rege Gründungsgeschehen sieht Can als gute Voraussetzung für den weiteren Erfolg von Multiple Capital, denn die neuen Tech-Start-ups werden in der Frühphase von Wagnisfonds finanziert, an denen sich wiederum der Dachfonds beteiligen kann. Erklärtes Ziel ist es, Returns zu erzielen, die im oberen Viertel aller weltweiten Dachfonds liegen. „Wenn man zu den Top 25% langfristig gehört, erzielt man immer eine Überrendite. Wenn in diesem oberen Viertel 10% Rendite erwirtschaftet werden, dann streben wir 10% an, sind es 20%, streben wir 20% an“, sagt Can.