Bildnachweis: Weitnauer Rechtsanwälte.
Dr. Wolfgang Weitnauer ist Experte für Venture Capital-Finanzierungen und berät als Rechtsanwalt mit seiner Kanzlei Investoren und Unternehmer. Zudem zeichnet er sich als Autor zahlreicher Handbücher zu Wagniskapital aus.
VC Magazin: Ihr neues Werk „International Venture Capital Terms“ soll Anfang April erscheinen. Was erwartet den Leser auf den rund 1.000 Seiten?
Dr. Weitnauer: Es ging mir bei diesem englischsprachigen und durch die internationale Verlagskooperation Beck/Hart/Nomos vertriebenen Werk darum, ausgehend von den jeweiligen nationalen Venture Capital-Rahmenbedingungen für einschlägige Fonds und Start-ups in führenden Industrienationen weltweit (EU-Staaten, China, Indien, Israel, Japan und UK/USA) anhand eines Muster-Term-Sheets darzustellen, ob es eine weltweit verwendbare „Wagniskapitalsprache“ gibt und wie sie in Vertragsdokumenten umgesetzt wird. Es zeigt sich, dass die wesentlichen Unterschiede im Fondsbereich, aber auch bei der Mitarbeiterbeteiligung, wie zu erwarten war, vor allem in den steuerlichen Rahmenbedingungen liegen, dass aber die „Terms“ überall auf der Welt verstanden werden, auch wenn ihre Umsetzung in den jeweiligen Staaten unterschiedlich ausfällt.
VC Magazin: Wo sind die Bedingungen besonders wagnisfreundlich?
Dr. Weitnauer: Pauschal lässt sich dies so kaum sagen, denn steuerliche Förderungen etwa für F&E oder auch Business Angels existieren in so gut wie allen Ländern. Besonders erwähnen möchte ich aber die steuerlichen Vergünstigungen für innovative Unternehmen in Israel oder auch in den USA für Investments in Qualified Small Business Stock (QSBS). Im Übrigen ist aber auch festzustellen, dass sich etwa anrechenbare Liquidationspräferenzen fast überall in der derzeitigen Marktsituation durchgesetzt haben und dass in den meisten Staaten, insbesondere im angloamerikanischen Rechtskreis, aber auch etwa in Frankreich, das Beteiligungsvertragswerk formfrei auch mit elektronischen Signaturen abgeschlossen werden kann.
VC Magazin: Wie würden Sie die Bedingungen für Venture Capital in Deutschland im internationalen Kontext einordnen?
Dr. Weitnauer: Die Benachteiligung forschungsintensiver Start-ups durch den Fortfall von Verlustvorträgen beim Gesellschafterwechsel ist inzwischen erfreulicherweise entfallen, auch durch die Möglichkeit des fortführungsgebundenen Verlustvortrags auf Antrag. Auch der INVEST-Zuschuss hat Investments von Business Angels angeregt. Der staatliche Fördereinfluss, sei es auf nationaler Ebene durch KfW Capital, die sich als Ankerinvestor an Fonds beteiligt, oder auf Ebene der Bundesländer durch dortige Förderbanken beziehungsweise Beteiligungsgesellschaften, hat zu einem aktiven Investorenumfeld in Deutschland beigetragen. Zu größerer Transparenz hat die Entwicklung der frei verfügbaren GESSI-Standardverträge auf Initiative von BAND und des Startup-Verbands geführt, woran ich mitwirken durfte. Die Bewertung von Start-ups hat durch die Corona-Pandemie nicht gelitten – vielmehr wurde deutlich, welche Bedeutung Biotech- oder im Zeitalter der Digitalisierung auch IT-Unternehmen haben. Daher ist ein Trend zu deutlich größeren Finanzierungsrunden auf Basis höherer Bewertungen zu beobachten, der uns auf ein international eher vergleichbares Level führt. Dies liegt sicher auch daran, dass auch die Gründerszene inzwischen reifer geworden ist und sich durch „Serial Entrepreneurs“ auszeichnet.
VC Magazin: Wo sehen Sie noch Optimierungspotenzial zum Wohl der deutschen Wagnis- und Start-up-Landschaft?
Dr. Weitnauer: Nach der auch Dank des großen Erfolgs des HTGF inzwischen behobenen Marktschwäche des Seed-Bereichs steht nun die Förderung der Wachstumsfinanzierung im Vordergrund. Dem dient der Zukunftsfonds, mit dem über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zu 10 Mrd. EUR für Venture Capital-Investments bereitgestellt werden sollen. Auch um die Wettbewerbsnachteile gegenüber dem Ausland auszugleichen, wurde durch das Fondsstandortgesetz die Umsatzsteuerbefreiung der Managementvergütung auf Wagniskapitalfonds ausgedehnt und wurde für die Mitarbeiterbeteiligung die Dry Income-Besteuerung bei Einräumung einer offenen Beteiligung an Mitarbeiter abgeschafft. Nach wie vor besteht hier aber in der praktischen Umsetzung Unsicherheit und erscheint auch zweifelhaft, ob der bloße Aufschub der Lohnbesteuerung, der unter anderem beim Ausscheiden des Mitarbeiters endet, erhebliche Vorteile gegenüber der üblichen Phantom Stock-Gestaltung bietet. Hier wäre eine klare und eindeutige Steuerbefreiungsregelung sicherlich hilfreicher gewesen. Auch kranken Fördermaßnahmen für F&E, etwa die Förderprogramme von ZIM und KMU innovativ oder auch die Steuervergünstigung des FoZulG, beihilferechtlich daran, dass ausgerechnet Start-ups aufgrund ihrer regelmäßigen bilanziellen Überschuldung häufig unter die Ausnahme von „Unternehmen in Schwierigkeiten“ fallen.
VC Magazin: Sie sind nicht nur Autor einer Vielzahl von Publikationen, sondern auch viel beschäftigter Anwalt mit eigener Kanzlei. Was sind Ihre nächsten Projekte?
Dr. Weitnauer: Die Arbeiten an der siebten Auflage des Handbuchs Venture Capital sind abgeschlossen. Es wurde grundlegend überarbeitet und um weitere Teile, wie insbesondere Fonds-Compliance, auch unter Berücksichtigung der neuen Transparenzregeln, oder „Arbeitsrecht für Start-ups“ ergänzt. Nicht ausbleiben wird zudem die vierte Auflage des KAGB-Kommentars. Aber auch meine eigene Kanzlei steht vor einer „Neuauflage“: Ich werde die Geschäftsführung in jüngere Hände legen und mich noch stärker darauf fokussieren, meine langjährige Erfahrung im Venture Capital- und Kapitalmarktrecht für meine Mandatsarbeit und weitere innovative Projekte, etwa im Bereich Legaltech, einzusetzen. Das ist das, was mir Freude bereitet – und dafür freue ich mich über jede weitere Verstärkung unseres Teams.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Dr. Wolfgang Weitnauer ist Gründer und Partner von Weitnauer Rechtsanwälte. Die Sozietät hat Büros in München, Mannheim, Berlin und Hamburg. Unter https://www.weitnauer.net/ueber-uns/karriere finden sich die aktuellen Stellenangebote.