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Einen historischen Rekord vermeldet der Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) am Mittwoch bei der Veröffentlichung der Jahreszahlen für 2021. Mit knapp 4 Mrd. EUR Investitionsvolumen im Bereich Venture Capital hat sich die Zahl im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt. 2020 wurden 1,9 Mrd. EUR vermeldet. Der gesamte Venture Capital- und Private Equity-Markt zeigte sich mit 12,6 Mrd. EUR ebenfalls stabil, wenngleich die Investitionen im Vergleich zum Vorjahr um 16% rückläufig waren.
Neuer Rekord zeigte sich nach sechs Monaten
Im Venture Capital-Segment stand der neue Rekord bereits nach dem Halbjahr fest, was vor allem an den hohen Finanzierungsrunden bei Unicorns wie unter anderem Celonis, Enpal, Tier oder Personio lag. Rund 600 Start-ups erhielten 2021 frisches Kapital – und sie machten damit 61% aller mit Beteiligungskapital finanzierten Unternehmen aus. Buyouts hingegen übernahmen nur 9%, Wachstumsfinanzierungen 30%. „Die neuen Rekordwerte machen Mut für all diejenigen, die in Venture Capital investieren und Interesse am Technologiestandort Deutschland haben. Erfreulich sind auch die vielen neuen Fondsclosings, die wir im letzten Jahr gesehen haben“, sagte Mark Schmitz, stellvertretender Vorstandssprecher des BVK, und sieht die Gründe für Verdopplung im Vergleich zu 2020 coronabedingt in der höheren Nachfrage nach Technologien und Innovationen, wenngleich die aktuelle geopolitische Lage für einen Eintrübung sorgen wird. Bedauert hat Schmitz zudem, dass die großen Finanzierungen nach wie vor mit überwiegend ausländischem Kapital ihr Wachstum stemmen und es hierzulande nur wenige Venture Capitalisten gibt, die hohe Volumina stemmen können. Immerhin: Fast jedes dieser Unternehmen hatte einen deutschen Frühphaseninvestor an Bord. Für das aktuelle Jahr zeigt er sich hingegen kritisch. Die hohen Bewertungen hätten schon vor der Krise viel Druck auf den Markt ausgeübt. Krisenbedingt sieht Schmitz verlangsamte Investitionsprozesse: „Abwarten ist die Maxime der Stunde, aber wir haben keine generelle Skepsis, da die Themen Nachhaltigkeit und Unabhängigkeit künftig verstärkt besetzt werden.“
Buy-Out erreicht Vorjahreswert nicht
Im Buy-Out-Segment ließen die rosigen Zeiten der beiden Vorjahre, die mit mehr als 11 Mrd. EUR jeweils Rekorde verzeichneten, etwas nach und es kamen lediglich 5,5 Mrd. EUR an investiertem Kapital zusammen. Dennoch zeigte sich Frank Hüther, Vorstandssprecher des BVK und Geschäftsführer der Abacus alpha, optimistisch und betont: „Beteiligungskapital ist kein Randthema, sondern eine wichtige Finanzierungsform und Stütze der deutschen Wirtschaft. Auch die Akzeptanz von Beteiligungskapital bei Familienunternehmen wird immer größer.“ Knapp 1,4 Mio. Beschäftigte sind in mit Beteiligungskapital finanzierten Unternehmen tätig, die zusammen 274 Mrd. EUR Umsätze erwirtschaften. Dass die Gesamtbeteiligungen im Vergleich zum Vorjahr rückläufig waren, begründet Hüther vor allem mit der wirtschaftlichen Abkühlung im zweiten Halbjahr, das unüblicherweise schwächer war als das erste. Auch die Inflation, Probleme bei Lieferketten sowie mögliche Zinserhöhungen waren im zweiten Halbjahr Anlass für Zurückhaltung. Nichtsdestotrotz hat das Buyout-Segment nach wie vor den größten Einfluss auf das allgemeine Investitionsniveau. Von den insgesamt 12,58 Mio. EUR Investitionsvolumen machen die Buyout-Finanzierungen 43% aus, gefolgt von Venture Capital-Investments mit 32%, Wachstumsfinanzierungen liegen bei 25%.
Berlin an der Spitze
Mit Blick auf die einzelnen Bundesländer schaffte es Berlin mit rund 4,9 Mrd. EUR auf den ersten Platz, gefolgt von Bayern mit 2,5 Mrd. EUR und Nordrhein-Westfalen mit 1,25 Mrd. EUR. Die Hauptstadt, so Schmitz weiter, landete vor allem durch den hohen Venture Capital-Anteil auf dem ersten Platz. „Hier wird der Mittelstand von morgen geschaffen“, sagte der Managing Director von equation.
Ukraine-Krieg trübt Stimmung ein
Mit Blick auf dieses Jahr und die aktuelle geopolitische Lage sah Ulrike Hinrichs, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des BVK, die Branche vor einer Herausforderung. „Ich gehe davon aus, dass die Stimmung am Markt durch den Krieg in der Ukraine eintrübt.“ Der Verband hat in einer Umfrage unter seinen Mitgliedern analysiert, dass die Situation die Aktivitäten der Beteiligungsgesellschaften direkt nur gering tangiert, die Portfoliounternehmen aufgrund von Absatz- und Beschaffungsmärkten, Produktionsstandorten und Mitarbeitern in beiden Ländern jedoch breit betroffen sind. „Der Krieg ist ein einschneidendes Ereignis in der Architektur Europas und der gesamten Welt, aktuell liegt das Hauptaugenmerk auf der Bewältigung der humanitären Lage, weitere Entwicklungen werden sich aber sicher noch zeigen“, so Hüther. Von den aktuell 30 Gesellschaften, die sich bislang an der Umfrage beteiligt haben – jeweils hälftig Venture Capital- und Private Equity-Investoren, haben nur zwei russische LPs in ihren Fonds. Schmitz sieht zudem keine Auswirkungen auf die Venture Capital-Branche, da ihm hier keine russischen Investoren bekannt seien.
Neue Bundesregierung zeigt sich ambitioniert
Erfreulicher blickt Hinrichs auf die ambitionierten Ziele der neuen Bundesregierung, die eine neue Start-up-Strategie aufsetzt, erste Workshops hierzu finden bereits diese Woche statt und sollen die Rahmenbedingen der Jungunternehmen weiter verbessern. „Wieviel von den im Koalitionsvertrag festgesetzten Plänen am Ende umgesetzt wird, bleibt durch die aktuelle Krise abzuwarten“, so Hinrichs weiter. Zumindest der Zukunftsfonds soll in den Kernpunkten fortgeführt werden. Auch das Fondsstandortgesetz plant der Bundesfinanzminister nochmals anzupacken und bei der Mitarbeiterkapitalbeteiligung nachzujustieren. In punkto Umsatzsteuerbefreiung auf die Management Fee wird aktuell diskutiert, für welche Fonds diese Befreiung gelten soll. „Wir setzen uns natürlich dafür ein, dass alle Fonds umsatzsteuerbefreit sind. Aber es ist ein schwieriges Thema, das wir schon lange mit dem Bundesfinanzministerium besprechen und wir müssen abwarten, wie sich der Gesetzgeber nun verhält“, prognostiziert die Verbandschefin.