Bildnachweis: © Multiple Capital.
Der auf Venture Capital spezialisierte Dachfonds Multiple Capital ist weltweit in zahlreiche Single-Venture Capital-Fonds und darüber in über 800 Portfoliounternehmen investiert. Ein Marktüberblick.
VC Magazin: In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Venture Capital-Fonds entstanden. Hält dieser Trend noch immer an?
Can: Dieser Trend hält ungebrochen an. Wir haben in den letzten neun Jahren noch nie die Entstehung von so vielen neuen Venture Capital-Fonds erlebt. 2021 war mit Sicherheit der Höhepunkt in den letzten zehn Jahren, nicht nur für neue, auch für bestehende Fonds, die diesen Trend genutzt haben, um deutlich größere Volumina für ihre neuen Fonds zu raisen.
VC Magazin: Wie unterscheiden sich die Managementteams der neuen Fonds von denen vor einem Jahrzehnt?
Can: Auch hier lässt sich ein klarer Trend zu operativen Venture Capitalisten ausmachen: Viele Gründer beziehungsweise Mitarbeiter der ersten Stunden von erfolgreichen Start-ups starten heute Fonds, um mit ihrer operativen und oft technischen Gründererfahrung andere Gründer in den frühen Phasen besser unterstützen zu können. Zudem gibt es einen klaren Trend von Mitarbeitern der zweiten Riege in etablierten Venture Capital-Gesellschaften, die den Entschluss fassen, diese nach ein paar Jahren zu verlassen und einen eigenen Fonds zu gründen. Hinzu kommt, dass viele der erfolgreichen Techgründer heute als LPs auftreten und ihre früheren Kollegen und Mitarbeiter mit Fondsinvestments unterstützen.
VC Magazin: Sie haben eine Vielzahl von Fonds und deren Portfoliounternehmen im Blick. Wie schätzen Sie die aktuellen Marktbewertungen ein? Welche Erwartungen haben Sie für das Jahr 2022?
Can: Es besteht aktuell eine hohe Wahrscheinlichkeit einer Überbewertung in vielen späteren Phasen in wagnisfinanzierten Unternehmen. Der Grund liegt primär in einer sehr hohen Kapitalverfügbarkeit für Late Stage, Growth und mittlerweile auch von Private Equity und Hedgefonds. Dieses in den letzten ein bis zwei Jahren eingesammelte Kapital muss heute deployt werden, was zu vermehrtem Wettbewerb und hohen Bewertungen in späteren Phasen führt. In den letzten zwölf Monaten sind diverse Techaktien um 50% bis 80% gefallen, was das aktuelle IPO-Umfeld erschwert und die teilweise enorm hohen Bewertungen der privaten Late Stage-Finanzierungsrunden weniger attraktiv macht. Auch wir erwarten in unserem Portfolio eine Korrektur bei den spätphasigen Unternehmen, mit dem Unterschied, dass alle Firmen in unserem Portfolio in der Seed-Phase aufgenommen wurden und daher eine Korrektur einer Unicorn-Bewertung einen geringeren Einfluss auf den Gesamtreturn hat.
VC Magazin: Erste Stimmen erwarten für dieses Jahr eine Marktbereinigung. Wie ist Ihre Sichtweise dazu? Wie stark könnte sie ausfallen?
Can: Ich glaube, dass eine Marktbereinigung in gelisteten Märkten bereits stattfindet und viele öffentliche Techaktien in den letzten zwölf Monaten starke Rückgänge hatten. Die privaten Märkte werden verzögert nachziehen und korrigieren. Die größte Frage ist wie immer das Timing: Wir erwarten schon seit Jahren eine Korrektur sowohl der Aktien- als auch der damit verbundenen privaten Private Equity- und Venture Capital-Märkte. Bisher hat diese nicht in breitem Maße stattgefunden. Daher legen wir ganz bewusst erheblichen Wert darauf, in unserer Strategie keine Timingentscheidungen bei Investments und Exits zu haben, und sehen die gesamte Assetklasse Venture Capital als eine, in der man das Timing bestmöglich vermeiden sollte. Wir empfehlen eine langfristige, breite Allokation über Zyklen hinweg, was historisch in Venture Capital zu einer deutlichen Überperformance geführt hat.
VC Magazin: Ihr Portfolio reicht von Life Sciences über Fintech bis Impact. Welche Themen und Branchen sind Ihrer Meinung nach momentan hoch im Kurs? Welche Trends sehen Sie?
Can: Es gibt einen ungebrochenen Trend zu Blockchain, Crypto und Web3, Impact- und Climate-Themen. Weiterhin sehen wir vermehrt neue Teams mit technisch-operativen Hintergründen und damit einen Anstieg bei Deeptechthemen. Multiple legt sich nicht auf Trends fest, sondern investiert hoch diversifiziert in Vertikale, die hauptsächlich durch ein starkes Management getrieben sind. Aktuell halten wir Allokationen in Themen wie zum Beispiel Web3, Life Sciences, Deeptech, Impact/Climate, KI, Machine Learning und Quantentechnologie.
VC Magazin: In den USA gibt es seit Jahrzehnten eine signifikante Zahl an Venture Capital in Dachfonds. Hierzulande waren Sie mit Multiple Capital lange Zeit Einzelkämpfer. Was hat sich geändert, sodass der Wettbewerb auch im deutschsprachigen Raum Fahrt aufnimmt?
Can: Europa liegt häufig ein Jahrzehnt hinter großen Trends, die in den USA entstehen. Natürlich sind die USA nach wie vor führend in Sachen Venture Capital und Techinvestments. Dies sieht man insbesondere auch in der Art des Zugangs zu dieser Assetklasse, der schon seit Jahrzehnten häufig über Dachfonds geschieht. Bei Venture Capital handelt es sich um eine Assetklasse, die sowohl bei einzelnen Assets hochriskant als auch hinsichtlich des Zugangs extrem intransparent ist. Eine Dachfondsstrategie ist daher für die meisten Investoren sinnvoller als in anderen Assetklassen. Insofern ist die Entwicklung in den letzten Monaten mit diversen neuen Dachfonds, die in Europa gestartet sind, sehr zu begrüßen. Bedenken sollten Investoren, dass es sich bei den meisten davon um Manager handelt, die bisher relativ wenig Erfahrung mit Venture Capital-Fonds-Investments gemacht haben. Erwähnenswert ist zudem, dass häufig interessierte Investoren für europäische Dachfonds außerhalb von Europa kommen. Auch hier erkennen US- und asiatische Investoren früher als europäische den Wert von Technologieunternehmen in Europa.
VC Magazin: Sie haben zum Jahresende ein erfolgreiches Closing erzielt. Welche Pläne und Wünsche haben Sie für dieses Jahr?
Can: Wir sind hoch fokussiert auf das, was wir tun, und würden gerne nach fast einer Dekade als einer der Ersten in Europa weitere Dekaden mit diesem Fokus wachsen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Zum Interviewpartner:
Ertan Can ist ein Venture Capital-Dachfonds-Pionier und Gründer von Multiple Capital, den ersten auf Micro-Venture Capital-Fonds fokussierten Dachfonds in Europa.