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Die Kassen der Investoren sind prall gefüllt, die Branche streitet um lukrative Anlageobjekte. Und immer häufiger fällt der Fokus auf kleine und mittlere Unternehmen. Diese hatten mit Beteiligungskapitalgebern bislang wenig Berührungspunkte. Doch das dürfte sich in Zukunft ändern – mit Buy and Build-Strategien und der Unterstützung von spezialisierten M&A-Beratern.
Unter Finanzinvestoren herrscht seit Jahren ein Luxusproblem: Einerseits ist der Markt mit einer regelrechten „Geldschwemme“ geflutet, in deren Folge Investoren rund 700 Mrd. EUR sogenanntes Dry Powder besitzen, also verfügbares Kapital, das für Buyouts vorgesehen ist. Andererseits werden in den nächsten drei Jahren bis zu 70.000 Unternehmer altersbedingt dringend eine Nachfolgelösung benötigen. Nahezu 95% dieser Nachfolgen stehen dabei jedoch in Unternehmen mit Umsätzen unter 10 Mio. EUR an. Viele Investoren geraten damit in eine Zwickmühle: Die Anzahl „lohnender Investments“ ist nicht groß genug, um das Dry Powder sinnvoll ausgeben zu können. Doch besteht ein Überfluss an kleineren Unternehmen, die händeringend einen Nachfolger suchen. Aus Investorensicht ist ein isoliertes Investment in solche Gesellschaften in der Regel jedoch nicht sonderlich lohnend, da allein die Fixkosten der Akquisition (für Berater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte sowie interne Aufwendungen) schnell im sechsstelligen Bereich liegen.
Königsweg aus der Nachfolgekrise
Sowohl für Investoren als auch für Unternehmer kann die richtige Buy and Build-Strategie die Lösung eines solchen Dilemmas sein: Der Investor erwirbt ein initiales Zielunternehmen („Plattform“) mit einer adäquaten Unternehmensgröße und ergänzt dieses anschließend durch strategisch passende Zukäufe („Add-on“), bei denen es sich typischerweise um kleinere Unternehmen handelt. Für diese kleineren Investments zahlt der Investor in der Regel einen niedrigeren Multiplikator als bei seinem initialen Investment in die Plattform. Somit reduziert der Investor den durchschnittlichen Einstiegsmultiplikator der Plattform und steigert zeitgleich die Unternehmensgröße des Unternehmensverbunds. Spätestens beim Wiederverkauf („Exit“) sorgt der Größeneffekt für eine multiple Arbitrage – also eine Erhöhung des Multiplikators basierend allein auf der Tatsache, dass die zu verkaufende Einheit nun größer ist – und damit für ein stärkeres Wachstum des Unternehmenswerts und der Rendite für den Investor.
Investor als strategischer Erwerber
Kleinere Unternehmen rücken so stärker in den Fokus von Investoren, denn durch die Anwendung einer Buy and Build-Strategie werden plötzlich Unternehmen attraktiv, die dem Investor vormals als isoliertes Investment zu klein wären. In gewisser Weise wird der Investor im Rahmen einer solchen Strategie auch zum strategischen Erwerber. Steht bei einer „Stand-alone-Transaktion“ häufig vor allem der Einsatz von Fremdkapital als Werthebel (Leverage-Effekt) im Fokus, so partizipiert der Investor im Falle von Buy and Build-Strategien auch an Synergieeffekten zwischen den einzelnen Beteiligungen.
Verkäufer als Profiteure von Buy and Build
Der Investor ist ähnlich wie ein strategischer Investor in der Lage, die zu erwartenden Synergieeffekte zu bepreisen und dem Verkäufer hierfür eine Prämie zu zahlen. Auch im Falle von Buy and Build-Strategien sind Synergieprämien, die bis zu 20% des Kaufpreises ausmachen können, durchaus keine Seltenheit mehr. Ein weiterer Vorteil solcher Strategien für Unternehmer ist die Tatsache, dass die Investoren bereits über Branchenexpertise verfügen und diese nicht – wie normalerweise üblich – im Rahmen der Due Diligence erlangen müssen. Der Aufwand für die Due Diligence dürfte sich daher auch für den Verkäufer reduzieren.
Rückbeteiligung für Alteigentümer
Besonders interessant ist eine Buy and Build-Strategie für Verkäufer, die ein mittelfristiges Interesse am Verbleib in der Firma haben. Investoren bieten den Alteigentümern häufig die Möglichkeit einer Rückbeteiligung an. Bei dieser tauscht der Unternehmer (in der Regel steuerneutral) Anteile an der unverschuldeten operativen Gesellschaft gegen Anteile an der verschuldeten Holding. In diesem Fall erhält der Veräußerer einen Ausgleich für die Wertminderung seiner Anteile durch die Verschuldung, zum Beispiel in Form einer höheren Beteiligung an der Holding. Der Unternehmer kann so einen Großteil des Unternehmenswerts bereits „hinter die Brandmauer bringen“, partizipiert jedoch künftig an der Entschuldung und am vermeintlich höheren Multiplikator beim Exit.
M&A-Berater als Mediatoren
Eine wichtige Rolle bei der Initiierung und Unterstützung von Buy and Build-Strategien kommen M&A-Beratern zu. Sie nehmen als Transaktionsberater nicht nur eine strategisch wichtige Rolle zwischen Verkäufern und Investoren ein, sondern stellen zeitgleich fundiertes Wissen über die erfolgreiche Durchführung von Verkaufsprozessen zur Verfügung. Mehr noch: Sie sind in der Lage, zwischen den einzelnen Parteien zu vermitteln, die bis dato kaum Berührungspunkte hatten, denn allein ein Großteil der Investoren ist überwiegend Bieterprozesse bei Unternehmen mit teils über 1.000 Mitarbeitern gewohnt. Hier können M&A-Berater Brücken bauen und alle für den Verkaufsprozess erforderlichen Daten prüfen und zur Verfügung stellen.
Mangelnde Targets als Game Changer: Investoren suchen neue Branchen
Besonders geeignet für Buy and Build-Strategien sind Branchen, die ein hohes Potenzial für eine Branchenkonsolidierung bieten. Paradebeispiel ist hierfür die Delabo.Group, ein bundesweiter Zusammenschluss von Dentallaboren. Diese werden typischerweise als Einzelunternehmen mit einem Zahntechniker als Inhaber geführt, verfügen jedoch über langfristige Kundenbeziehungen und sind aufgrund der individuellen Anforderungen nur schwierig durch Automatisierung oder Digitalisierungsmaßnahmen zu ersetzen. Die Delabo.Group, hinter der der Finanzinvestor Avedon Capital steht, ist seit Mitte 2020 von einer Plattform auf inzwischen rund 15 Dentallabore angewachsen.
Bau und Handwerk rücken in den Fokus
Darüber hinaus sind Investoren, auch aufgrund des Mangels an passenden Targets, in den vergangenen Jahren deutlich offener bezüglich der Branchen geworden, die für Buy and Build-Strategien geeignet sind. Als wichtiges Wachstumsfeld haben sich beispielsweise Plattformen im Bereich Bau und Handwerk positioniert – eine Branche, die Investoren vor nicht allzu langer Zeit noch als rotes Tuch galt. Ein prominentes Beispiel dafür ist Aurelius Wachstumskapital, die mit der Firma Ringbeck als Plattform eine Unternehmensgruppe im Bereich Garten- und Landschaftsbau formt. Auch im Bereich Gebäudetechnik beziehungsweise Heizung-Klima-Lüftung-Sanitär existieren inzwischen 15 Plattformen von Finanzinvestoren, die aktiv am Erwerb weiterer Add-ons Interesse zeigen. Beispiele hierfür sind die Investoren Hannover (unter anderem Bühr Gebäudetechnik), Auctus (etwa Hertner Firmengruppe), Deutsche Private Equity (Calvias) oder Adiuva Capital (darunter Konzmann Welte).
Fazit
In Zeiten prall gefüllter Kassen bieten sich für Investoren gute Anlageobjekte auch bei kleineren und mittleren Unternehmen. Diese brauchen finanzstarke Partner, um ungelöste Nachfolgefragen zu klären. Dabei geraten auch neue Branchen in den Fokus der Investoren, in denen eine Marktkonsolidierung bevorsteht. Beide Parteien sollten neue und für sie ungewohnte Beziehungen nicht scheuen. Um auch bei kleineren Investments maximale Gewinne zu erzielen, sollten Investoren auf Buy and Build-Strategien setzen. M&A-Beratungen können den Verkaufsprozess an entscheidender Stelle maßgeblich unterstützen.
Über die Autoren:
Patrick Seip ist Managing Director bei der auf Nachfolgelösungen im Small Cap-Bereich spezialisierten M&A-Beratung sonntag corporate finance. 2021 verantwortete er die Nachfolgeregelung im eigenen Haus.
Sebastian Ringleb ist Partner bei sonntag corporate finance und Branchenexperte für Bau und Handwerk, Transport und Logistik.