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Die Globalisierung ist eine Herausforderung für Politik und Unternehmen gleichermaßen. Die aktuelle geopolitische Lage erschwert die Situation zusätzlich. Prof. Dr. Dr. Clemens Fuest, Vorstand des ifo Instituts, wagt einen Blick in die Zukunft.
VC Magazin: Die Einbindung in die globale Arbeitsteilung und den internationalen Handel sind wichtige Grundpfeiler für die deutsche Wirtschaft und den Wohlstand. Was hat sich durch den Konflikt in der Ukraine verändert oder wird sich noch verändern?
Prof. Dr. Fuest: Der Ukraine-Konflikt wird die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland für viele Jahre massiv beschädigen. Der Handel mit Russland macht nur 2% des deutschen Außenhandels aus, aber für die Energieversorgung spielt das Land eine wichtige Rolle. Deutschland wird gemeinsam mit anderen Ländern fossile Brennstoffe verstärkt aus anderen Nationen importieren. Das wird die Energiekosten steigern, allerdings auch den Druck, erneuerbare Energien auszubauen.
VC Magazin: Ein verkeilter Superfrachter im Suezkanal oder die Abhängigkeit von Kabelbäumen aus der Ukraine legten beispielsweise Teile der Autoindustrie lahm. Haben wir uns – in erster Linie aus monetären Gründen – zu abhängig von einzelnen Bezugsquellen oder Regionen gemacht?
Prof. Dr. Fuest: Gerade die deutsche Wirtschaft profitiert sehr von der internationalen Arbeitsteilung. Dass es dabei auch bisweilen zu Friktionen kommt, ist unvermeidlich, spricht aber nicht gegen die Arbeitsteilung. Sicherlich muss man die Abwägung zwischen Kostensenkungen durch Massenproduktion und Just in Time-Lieferungen einerseits und Resilienz durch Diversifizierung der Lieferanten ständig neu justieren.
VC Magazin: Wie abhängig sind wir von Rohstoffimporten aus Russland? Was bedeutet die Umstellung auf mögliche neue Energiequellen für die bereits heute signifikant steigenden Inflationszahlen?
Prof. Dr. Fuest: Abhängig sind wir vor allem von der Gasversorgung aus Russland. Das russische Gas durch solches aus anderen Quellen oder andere Energieträger zu ersetzen oder zumindest Strukturen aufzubauen, die es uns erlauben, falls nötig auf russisches Gas zu verzichten, wird teuer. Die Inflation wird dadurch in den kommenden Jahren weiter angeheizt.
VC Magazin: Welche Maßnahmen können wir gegen die erwarteten massiven Preissteigerungen auf den internationalen Märkten ergreifen?
Prof. Dr. Fuest: Man kann wenig tun. Manche Staaten senken Steuern auf Benzin oder Gas, aber das schafft die erhöhten Kosten der Energieimporte nicht aus der Welt. Derartige Maßnahmen schaden eher, weil sie die Preise weiter in die Höhe treiben. Besser ist es, den am härtesten getroffenen Haushalten und Unternehmen Transfers zukommen zu lassen, die Preise aber nicht anzutasten.
VC Magazin: Erwarten Sie, dass viele Unternehmen Teile der Produktion aus sicherheitspolitischen Gründen nach Deutschland oder in die EU zurückholen?
Prof. Dr. Fuest: Viele Unternehmen werden geopolitische und andere Risiken sicher neu bewerten; sie werden darauf aber nicht notwendigerweise reagieren, indem sie die Produktion nach Deutschland oder Europa verlagern. Sie werden die Produktionsstandorte eher international diversifizieren. Die Politik ergreift derzeit Maßnahmen, um eine Produktionsverlagerung zu erreichen, beispielsweise durch hohe Subventionen für die Ansiedlung von Chipfabriken. Das kann durchaus zu einem sehr teuren Subventionswettlauf führen.
VC Magazin: Zumindest die westliche Welt präsentiert sich derzeit als eingeschworene Einheit. Wie gefährdet sehen Sie die Handelsbeziehungen zu China?
Prof. Dr. Fuest: China ist sowohl für Deutschland als auch für die EU der wichtigste Handelspartner. Unterstützte es in der aktuellen Lage Russland, würde das die Wirtschaftsbeziehungen zum Westen gefährden. China selbst wäre der größte Verlierer. Deshalb rechne ich nicht damit, aber ausschließen kann man nichts.
VC Magazin: Welche Entwicklungen erwarten Sie an den Weltbörsen im Jahr 2022?
Prof. Dr. Fuest: Finanzmärkte haben die Eigenschaft, verfügbare Informationen sehr schnell zu verarbeiten und einzupreisen. Deshalb ist es kaum möglich, vorherzusagen, ob die Börsen in nächster Zeit steigen oder fallen werden. Es liegt auf der Hand, dass viel vom weiteren Verlauf des Kriegs abhängen wird. Wegen der bestehenden politischen Instabilitäten wäre ich nicht überrascht, wenn die Volatilität hoch bleibt.
VC Magazin: Trotz Ukraine-Krieg, Inflation, Fachkräftemangel und der Herausforderungen durch den Klimawandel sind die Auftragsbücher deutscher Unternehmen besser gefüllt denn je. Was stimmt Sie sonst in diesen schwierigen Zeiten positiv?
Prof. Dr. Fuest: Mich stimmt positiv, dass die EU-Staaten, das Vereinigte Königreich, Japan, die USA und viele andere Demokratien in dieser Krise gemeinsam gehandelt haben. Gemeinsam verfügen sie über hinreichend militärische und wirtschaftliche Macht, um die Freiheit zu verteidigen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Prof. Dr. Dr. h.c. Clemens Fuest ist Präsident des ifo Instituts. Seine Forschungsgebiete sind Wirtschafts- und Finanzpolitik, Internationale Besteuerung, Steuerpolitik, europäische Integration.