Bildnachweis: NRW.Bank.
Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Einklang mit der wachsenden Wirtschaft und der weiteren Digitalisierung des Mittelstandes zu bringen, zählt zu den Herausforderungen der aktuellen Zeit. Wo der Mittelstand im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW aktuell steht, wie die Ziele zu meistern sind und welche Rolle dabei Private Equity spielen kann, steht im Fokus der 16. Private Equity-Konferenz NRW.
VC Magazin: Kernthemen der 16. Private Equity-Konferenz NRW sind Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaften bei gleichzeitigem Wachstum, der Ausbau der Digitalisierung und die vielschichtigen Auswirkungen der Globalisierung. Wie stark haben Sie Ihre Investitionsstrategie an diesen Themen ausgerichtet?
Büth: Die Konferenzthemen bilden die aktuellen Herausforderungen für den Mittelstand ab. Wir haben die Betroffenheit der Unternehmen und ihrer Geschäftsmodelle stark im Blick und möchten zu Lösungsansätzen in der Digitalisierung und im nachhaltigen Wirtschaften beitragen. Das sind für uns auch relevante Punkte, die wir bei jeder Due Diligence unter die Lupe nehmen. Wir investieren dabei nach wie vor branchenagnostisch und fokussieren uns nicht auf spezielle Wirtschaftszweige. Vielmehr prüfen wir bei jedem Unternehmen, inwieweit es auf dem Weg der Transformation ist beziehungsweise welche technologischen Innovationen es entwickelt. Mit unseren Eigenkapitalinvestments möchten wir Unternehmen darin bestärken und sie dabei unterstützen, ihr Wachstumspotenzial auf dem Weg hin zu mehr Nachhaltigkeit und Digitalisierung auszuschöpfen und neue Antworten auf die sich verändernden Bedingungen im internationalen Marktgeschehen zu finden.
VC Magazin: Welche Unternehmen aus Ihrem Portfolio stehen für diese Themen?
Büth: Beispielsweise haben wir jüngst in die Einhundert Energie GmbH investiert. Der Kölner Full Service-Dienstleister für die Nutzung von Solarenergie bietet Immobilienunternehmen ein Komplettpaket für skalierbaren Mieterstrom an – von der Eignungsprüfung der Gebäude über die Installation der Fotovoltaikanlagen bis hin zur laufenden Stromversorgung. Das Start-up ist ein plastisches Beispiel für die Transformation in der Energietechnik, auf dem besten Weg zum Mittelständler – und das mit einem Geschäftsmodell, das die Themen Transformation, Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz vereint.
VC Magazin: Wie geht es Ihren mittelständischen Portfoliounternehmen nach zwei Jahren Pandemie und angesichts der neuen Herausforderungen rund um immens gestiegene Betriebskosten, Inflation und Fachkräftemangel?
Büth: Die Mittelständler aus unserem Portfolio haben sich überwiegend gut mit der Pandemie arrangiert, schnell und viel aus der ungewohnten Situation gelernt und ihre Prozesse und Arbeitsweisen umgestellt. Einzelne haben auch von der Krise profitiert. Fachkräftemangel ist zu einem Dauerthema geworden. Zugleich bestehen nach wie vor Engpässe bei den Lieferketten, wo wir gehofft hatten, dass sich das in dieser Phase der Pandemie stabilisiert. Aber hier haben die Entwicklungen im Ukraine-Konflikt leider zu weiteren Herausforderungen und Kostensteigerungen geführt.
VC Magazin: Der Angriff auf die Ukraine hat auch weitere Auswirkungen auf den Mittelstand hinsichtlich Produktionsstandorten, Absatzmärkten und Mitarbeitern. Wie unterstützen Sie Ihr Portfolio in dieser schwierigen Zeit?
Büth: Wir sind eng an den Unternehmen dran und engagieren uns im Rahmen unserer Mandate in den Beiräten, Aufsichtsräten und Gesellschafterversammlungen. Jetzt gilt es vor allem, frühzeitig den Blick auf weitere mögliche Folgen des Ukraine-Konflikts zu lenken, auf Zweit- und Drittrundeneffekte, die die Stabilität und Planbarkeit der Lieferketten erneut belasten können. Wir stehen in direktem Austausch mit den Geschäftsführungen und haben die Möglichkeit, mit Förderprogrammen der NRW.Bank, des Landes NRW, des Bundes und der EU finanziell zu unterstützen und darüber hinaus Beratung anzubieten.
VC Magazin: Welche der Herausforderungen beeinträchtigen Ihr Tagesgeschäft derzeit am stärksten?
Büth: Der so wichtige persönliche Austausch hat mir am meisten gefehlt. Wir haben uns zwar daran gewöhnt, Investments in Unternehmen zu tätigen, ohne dass persönliche Treffen stattfanden – das hätte man sich vor der Pandemie kaum vorstellen können. Doch trotz der vielen positiven Erfahrungen mit den mittlerweile etablierten Videokonferenzen hoffen wir sehr, dass sich die aktuellen Erleichterungen für persönliche Treffen und Veranstaltungen festigen. In Zukunft wird sich gewiss ein Nebeneinander von digitalen Treffen und traditioneller Kommunikation etablieren.
VC Magazin: In diesem Jahr findet die Private Equity-Konferenz NRW zum 16. Mal statt. Wie hat sich die Beteiligungsszene in NRW in dieser Zeit verändert? Wie würden Sie den Status quo beschreiben?
Büth: Das ist eine lange Zeit: 16 Jahre, in denen sich nicht nur unsere Investmentaktivitäten, sondern die gesamte Szene in NRW im Venture Capital- wie auch im Private Equity-Segment deutlich gewandelt und professionalisiert hat. Im Wagnisbereich sehen wir eine große Dynamik, viele technologiebezogene Gründungen finden statt, die Universitäten engagieren sich stark und es gibt heute eine weitaus breitere und vielschichtigere Szene an Investoren aus Business Angels und etablierten Venture Capital-Fonds, die durch regionale Fonds mit öffentlichem Kapital ergänzt wird. Hier entstehen immer mehr Erfolgsgeschichten, die das Gründungsgeschehen voranbringen. Auf der Mittelstandsseite haben sich im Laufe der Zeit zahlreiche neue Player unter den Investoren hervorgetan. Das sind nicht nur die klassischen Private Equity-Fonds, sondern auch Serial Entrepreneurs oder Family Offices, die die Anlageklassen für sich entdecken und zum Beispiel „Unternehmerkapital“ aus eigenen erfolgreichen Exits wieder in Unternehmen investieren. Das ist in der Breite eine sehr positive Entwicklung. Auf dieser Basis gilt es aufzusetzen, die großen Standortvorteile NRWs zu nutzen, um auch im Vergleich zu anderen Bundesländern weiteren Boden gutzumachen.
VC Magazin: An welches Bundesland denken Sie hier speziell?
Büth: Berlin ist im Venture-Bereich sehr stark, aber man kann einen Stadtstaat nicht mit einem polyzentrischen Flächenland vergleichen. NRW bringt zahlreiche Vorteile mit: Wir haben 18 Millionen Einwohner und damit verbunden viele Kunden im B2B- und B2C-Bereich und die gesamte Industrie in einer Breite, die es anderswo so nicht gibt. Darüber hinaus verfügt das Land über eine große Zahl an Forschungsinstituten und Universitäten mit mehr als 756.000 Studierenden, unter denen zweifellos reichlich Potenzial für Innovationen und Gründergeist zu finden ist.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Christoph Büth ist Leiter des Bereichs Eigenkapitalfinanzierungen bei der NRW.Bank.