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Das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands gilt seit jeher als dessen wirtschaftliches Kraftzentrum. Der dynamische Wirtschaftsstandort im Herzen Europas lebt von der Kreativität sowie Motivation seiner Menschen und Unternehmen. Mit seinen rund 17,9 Mio. Einwohnern erwirtschaftet das Land 697 Mrd. EUR Bruttoinlandsprodukt. Etwa ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts Deutschlands entfällt somit auf NRW. Die Region zwischen Rhein und Ruhr blickt auf eine jahrhundertalte Industriegeschichte zurück. Die Wirtschaftsstruktur ist so vielfältig wie das Bundesland selbst. So haben 18 der 50 umsatzstärksten deutschen Unternehmen ihren Sitz in NRW, zum Beispiel Bayer, Bertelsmann, Deutsche Post, Deutsche Telekom, E.on, Henkel, Metro, Rewe, RWE oder thyssenkrupp. Doch neben diesen Großkonzernen ist das Bundesland auch Heimat für mehr als 700.000 kleine und mittlere Unternehmen (KMU), die das wirtschaftliche Rückgrat bilden. Jeder vierte deutsche Weltmarktführer stammt aus NRW. Doch über diese langjährig gewachsene und traditionelle Wirtschaftsstruktur hinaus hat sich in NRW im vergangenen Jahrzehnt ein viel beachtetes Start-up Ökosystem entwickelt. Rund 20% aller deutschen Start-ups sind inzwischen in NRW zu Hause. Ein herausragendes Forschungs- und Entwicklungsnetzwerk bildet die besten Voraussetzungen für Innovation und Technologietransfer von Hochschulen auf Unternehmen.
Beteiligungskapital in Deutschland
Aufgrund dieser Standortfaktoren verwundert es nicht, dass NRW traditionell im Fokus von Beteiligungskapitalgesellschaften ist. Ihnen bietet sich um Rhein und Ruhr ein attraktives Investitionsumfeld mit einer Vielzahl von Investitionsmöglichkeiten, ob im Mittelstand oder im Gründungsbereich.
Im Jahr 2021 investierten Beteiligungsgesellschaften in Deutschland laut vorläufiger Statistik des BVK 12,6 Mrd. EUR. Knapp 1.000 Unternehmen wurden in einem herausfordernden wirtschaftlichen Umfeld mit Beteiligungskapital finanziert. Nach den Rekordjahren 2019 und 2020 bleibt das Investitionsniveau in allen Marktsegmenten hoch, wobei das Wachstum bei Venture Capital besonders herausragt. Mit knapp 4,0 Mrd. EUR investierten Beteiligungsgesellschaften 2021 so viel Wagniskapital in Deutschland wie noch nie. Nachdem im Buyout-Bereich in den beiden Vorjahren mit jeweils mehr als 11 Mrd. EUR noch Rekordwerte erreicht worden waren, konnte dieses Investitionsniveau 2021 nicht erreicht werden. Insgesamt summierten sich die Investitionen auf 5,5 Mrd. EUR. Dies ist jedoch nicht verwunderlich, da 2020 und 2021 herausragende Jahre im Buyout-Geschäft waren und von Großtransaktionen, wie beispielsweise ThyssenKrupp Elevators, getrieben wurden. Minderheitsbeteiligungen (Wachstums-, Replacement- und Turnaround-Finanzierungen) bei mittelständischen Unternehmen und gereiften, ehemaligen Start-ups wuchsen demgegenüber deutlich aufgrund einiger großer Einzelinvestments auf 3,1 Mrd. EUR – nach 1,3 Mrd. EUR im Vorjahr.
Beteiligungskapital in NRW
NRW positioniert sich verlässlich unter den Bundesländern mit den höchsten Investitionen. So belegt es im Jahr 2021 mit Investitionen in Höhe von knapp 1,3 Mrd. EUR den dritten Platz nach Berlin und Bayern. Rund 0,13 Mrd. EUR entfallen hiervon auf Venture Capital-Finanzierungen. 73 Unternehmen wurden insgesamt mit Beteiligungskapital finanziert.
Bei Betrachtung der vergangenen fünf Jahre summieren sich die Private Equity-Investitionen auf insgesamt 8,20 Mrd. EUR. NRW belegt für diesen Zeitraum bundesweit den vierten Platz. Die Gesamtinvestitionen in NRW profitieren regelmäßig davon, dass einige der größten Einzelinvestitionen eines jeden Jahres im Bundesland stattfinden.
Vielfältige Kapitalgeber für die Unternehmen
Nicht nur der wirtschaftliche Erfolg zeichnet den Standort NRW aus – auch die einheimische Private Equity-Szene kann sich sehen lassen. Mehr als 70 Beteiligungsgesellschaften, darunter Wagniskapitalgeber über Sparkassenbeteiligungsgesellschaften, öffentliche Institutionen, Mittelstandsfinanzierer bis hin zu Büros von ausländischen Beteiligungsgesellschaften, haben hier ihren Sitz. Dabei ist die Szene in den letzten Jahren stark gewachsen, unter anderem dank einiger neuer Corporate Venture Capital-Gesellschaften und internationaler Investoren.
Eine besondere Rolle nimmt die NRW.Bank im Bundesland ein, die den Beteiligungsmarkt seit vielen Jahren wesentlich unterstützt. Mit eigenen Fonds etwa für Venture Capital, Mittelstand, Restrukturierungen sowie Programmen für die Ausgründung aus Hochschulen werden praktisch alle Unternehmensphasen abgedeckt. Die NRW.Bank trägt mit ihrer Arbeit maßgeblich zum nachhaltigen Wachstum der Branche im Bundesland bei.
Unternehmen mitten im Transformationsprozess
Die Herausforderungen, denen sich die Wirtschaft gegenübersieht, sind vielfältig. Fortschreitende Digitalisierung, Dekarbonisierung, explodierende Energiepreise sowie instabile Lieferketten sind hier nur beispielhaft zu nennen. Um in diesem Umfeld erfolgreich bestehen zu können, bedarf es kluger Investitionen, Innovationskraft sowie verlässlicher und strategischer Finanzierungspartner. Beteiligungskapital kommt hier eine Schlüsselposition zu. In NRW hat man dies frühzeitig erkannt und unterstützt diese Entwicklung auch politisch nicht zuletzt durch die NRW.Bank selbst oder durch verschiedene Initiativen. Nicht nur die Unternehmen im Bundesland selbst, sondern deutschlandweit brauchen bei der Bewältigung dieser Prozesse eine adäquate Ausstattung mit Eigenkapital, und ohne eine solide Finanzierung wird es schwer werden, die ambitionierten Ziele zu erreichen.
Über die Autorin:
Ulrike Hinrichs ist Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften.