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Es herrscht ein großes Ungleichgewicht in der gesundheitlichen Versorgung von Mann und Frau. Bisher hat unsere Gesellschaft die Probleme von Frauen als “normal” abgestempelt, und Forschung und Entwicklung von medizinischen Lösungen für Frauen lange vernachlässigt. Femtechs gehen dieses Problem jetzt an. Doch dabei eröffnen sich neue Schwierigkeiten, denn den größtenteils männlichen Investoren fällt es oft schwer, die Probleme von Frauen zu erkennen und nachzuvollziehen. Daher fehlt es häufig an den nötigen Investitionen. Beispielsweise gingen 2021 nur 1,4% aller Investments im Bereich Healthtech in Femtechs und nur 4% aller Forschungs- und Entwicklungsgelder des Gesundheitswesens in die Gesundheit von Frauen. Die Folge: eine enorme Unterversorgung und folglich eine Notwendigkeit an besseren Produkten und Versorgungspfaden. Kurz gesagt, die Branche braucht echte Gamechanger!
Bisherige Lösungen nur selten ausreichend
Zu oft wurden in den letzten Jahren bestehende Lösungen wie z. B. Verhütung zwar zugänglicher, aber nicht innovativer gemacht. Natürlich ist es schön, wenn eine Frau ihre Periode und Fruchtbarkeit durch eine App überwachen kann. Allerdings verändert das nichts am medizinischen Ungleichgewicht der Geschlechter. Fakt ist, Frauen werden sich ihrer gesundheitlichen Bedürfnisse immer bewusster, doch es fehlt ihnen bisher an konkreten Lösungen. Ein Beispiel: Es bringt nichts, einer Frau mit Kinderwunsch zu sagen, dass sie unfruchtbar ist, ohne ihr die medizinischen Möglichkeiten aufzuzeigen, die ihr Problem lösen können. Solange wir es nicht schaffen, das in der Praxis umzusetzen, bleibt die Akzeptanz von Femtech Anwendungen längerfristig niedrig.
Datenlücken zwischen Männer- und Frauengesundheit
Hat nun aber beispielsweise ein Start-up eine innovative Idee, steht es vor der nächsten Herausforderung: der Gender-Data-Gap. Da Frauen bis 1993 von klinischen Studien ausgeschlossen waren, entstand eine gewaltige Forschungs-Lücke zwischen männlicher und weiblicher Gesundheit. Doch Investor:innen wollen bei medizinischen Konzepten schon im Vorhinein Evidenz durch klinische Studien sehen – doch diese kosten Geld. Das ist genau das Geld, das Femtechs bei Investor:innen einwerben wollen. Die investieren aber nicht ohne klinische Daten. Ein Teufelskreis, der aber einen wichtigen Punkt unterstreicht: Femtechs können maßgeblich zur Schließung der Gender-Data-Gap beitragen. Das ist der Grund, weshalb wir Unternehmen suchen, die auf dieses Ziel hinarbeiten.
Innovation durch bessere Daten
Meiner Meinung nach gibt es zwei Arten, auf die ein Femtech innovativ sein kann. Erstens: Es muss die Ergebnisse von derzeitigen, fragmentieren Versorgungspfaden um das Zehnfache verbessern, zum Beispiel die Wartezeit auf einen Frauenarzttermin um das Zehnfache verkürzen. Das wird möglich, wenn Technologie eine vollständig integrierte End-to-End Versorgung bietet. Aber auch Neo-Kliniken, also hybride Lösungen aus digitaler und stationärer Behandlung, für Frauengesundheit gehören dazu. Also innovative Versorgungspfade für eine frauenzentrierte, wertorientierte Versorgung an der Front. Tia, Oula oder Kindbody sind hier erwähnenswerte Beispiele.
Zweitens: Ein Femtech gilt für mich auch dann als innovativ, wenn es neuartige Biomarker, Therapien oder Maßnahmen zur Diagnosestellung bereitstellt. Das Umsatz generierende erste Produkt muss ein ansprechendes Front-End haben, das durch Vertrauen eine große Gemeinschaft von Frauen aufbaut, die bereit sind, die Forschungsarbeit mit wertvollen Daten zu unterstützen. Dieser Datensatz generiert dann das zweite Produkt, in dem der wahre Wert des Unternehmens liegt. Das erfordert eine starke Back-End-Infrastruktur.
Vertrauen in das Team
Wenn das Produkt stimmt, gibt es noch eine weiteren entscheidenden Faktor für mich: das Gründer:innen-Team. Besteht ein Team ausschließlich aus Männern und hat keine Frau an Bord, investiere ich nicht. Ich wünsche mir Expert:innen mit medizinischem, klinischem und technologischem Hintergrund. Natürlich sollten sie auch eine gewisse Business-Affinität haben und auch der Bereich Marketing sollte abgedeckt sein. Denn Femtech ist noch neu und es ist wichtig, dass in Aufklärung und Bewusstsein investiert wird. Angesichts der vielfältigen Probleme braucht das Team zudem Kampfgeist und ein enormes Durchhaltevermögen. Eine starke Gründerin, die das Vertrauen der Kund:innen gewinnen kann, ist außerdem Gold wert. Und nicht zuletzt braucht es den unbedingten Willen, die Gender-Data-Gap zu schließen. Nur so lässt sich der Weg für neue Therapie- und Behandlungsmöglichkeiten ebnen. Im Endeffekt suche ich also ein ziemlich multidisziplinäres Team, was leider selten ist. Femtechs müssen mir deshalb folgende Fragen beantworten, um zu beweisen, dass sie Gamechanger sind:
● Welches Problem von Frauen verbessert ihr um den Faktor 10?
● Wie kann eure Lösung genügend Daten erheben, um der Gender-Data-Gap entgegenzuwirken?
● Wie stellt euer Start-up Frauen als Patientinnen in den Vordergrund?
● Ist es euer langfristiges Ziel, neue Behandlungsmöglichkeiten zu ermöglichen?
● Wie schafft euer Produkt es, eine weibliche Community aufzubauen, die bereit ist ihre Daten erheben zu lassen?
Ich empfehle jeden angehenden Femtech Gründer:innen sich vor einem Pitch ausgiebig mit den obigen Fragen zu beschäftigen und zu hinterfragen, ob ihr Produkt wirklich eine langfristige, positive Veränderung für Frauen bringt.
Über die Autorin:
Hana Besbes hat eine Mission: Die Gender-Data-Gap schließen. Als Investment Managerin beim VC Fond Heal Capital hat sie den Schwerpunkt Femtech und arbeitet so aktiv an der Schließung der Daten-Lücke.