Bildnachweis: heiden associates .
Die Beteiligungsszene ist stark gewachsen, hat sich verjüngt und signifikant verändert. Dr. Thomas Heiden blickt als Personalberater und Vertrauter von Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften seit Jahren auch hinter die Kulissen der Szene.
VC Magazin: Sie sind seit 20 Jahren in der Beteiligungsszene unterwegs, haben mehrere Zyklen durchlebt. In welchem Zyklus befinden wir uns in Ihren Augen?Heiden: Bis auf den Zyklus 2007/08/09, in dem die Szene in einem Abwärtstrend war, hatte die Branche in den Folgejahren wachsenden Personalbedarf zu verzeichnen. Das hat sich bis heute nicht verändert. Was sich hingegen geändert hat, sind die Anforderungen unserer Klienten – Stichwort Diversity. Durch die Vielzahl an neuen Fonds und Corporate Venture Capitalisten ist das Wachstum der Beteiligungsbranche insgesamt und damit der Personalbedarf fortlaufend gewachsen.
VC Magazin: Qualifizierte Beteiligungsmanager sind ein knappes Gut?
Heiden: Der Markt zeichnet sich durch eine hohe Volatilität aus. Gründungspartner von Fonds planen nach 20 bis 30 Jahren Berufserfahrung ihren persönlichen Retirement-Exit, Beteiligungsmanager wechseln in Portfoliounternehmen als Manager, neue Fonds kommen auf den Markt. Dies führt zu einer gesteigerten Nachfrage an qualifiziertem Personal – was mich als Personalberater freut, ist eine Herausforderung für unsere Klienten.
VC Magazin: Welche Personen und Ausbildungsrichtungen sind derzeit besonders gefragt?
Heiden: Die wichtigsten Skills: unternehmerisches Denken und Handeln mit naturwissenschaftlichem Background und guten betriebswirtschaftlichen Kenntnissen. Seit zwei bis drei Jahren nimmt Diversity eine immer wichtigere Rolle ein. Eine Frau mit drei bis fünf Jahren Venture Capital-Erfahrung, die einen belastbaren Track Record samt Exits – also End to End-Erfahrung – vorweisen kann, als Sahnehäubchen international aufgestellt, kann sich als „Ms. Perfect“ die Jobs derzeit aussuchen. Im Life Sciences- oder Software-/E-Commerce-Bereich gibt es inzwischen gute Kandidatinnen; je hardwarelastiger es wird, desto schwieriger bis aussichtslos wird eine Suche.
VC Magazin: Wie haben sich die Anforderungsprofile insgesamt verändert?Heiden: Im Venture Capital-Bereich steht nach wie vor der innovative, mutige und risikoaffine Typus im Vordergrund, im Private Equity-Sektor stärker der zahlengetriebene, analytisch denkende Berater aus einer Top-Strategieberatung. Unabhängig vom Segment: Die Person muss eine hohe Frustrationstoleranz und Stressresilienz gepaart mit Bodenhaftung aufweisen.
VC Magazin: Was tut sich in puncto Ausbildung von Investmentmanagern in Deutschland?
Heiden: Hinsichtlich der berufsbegleitenden Ausbildung gibt es in Deutschland in erster Linie das Programm der Technischen Universität München gemeinsam mit dem BVK. Darüber hinaus ist Training on the Job sicherlich die profundeste Ausbildung für Berufseinsteiger. Viele Kandidaten verdienen sich bei öffentlichen Venture Capital-Fonds ihre ersten Sporen, womit sie als Kandidaten attraktiv für private Beteiligungsgesellschaften oder Corporates werden. Dieser Fluktuation bei Senior Professionals entgegenzuwirken erfordert die gesamte Klaviatur der Mitarbeiterbindung inklusive attraktiver Vergütungsmodelle.
VC Magazin: Fixum, variable Komponente, Carry – wie setzen sich Gehälter in Beteiligungshäusern derzeit zusammen?
Heiden: Tendenz eins: ganz klar steigend. Für jüngere Kandidaten sind neben dem Gehalt die Entwicklungsmöglichkeiten entscheidend – also welche Chance habe ich, in eine führende Position zu kommen und damit auch am Carry zu partizipieren? Hier gilt es seitens der Fonds, den Kandidaten einen Entwicklungsprozess aufzuzeigen. Vielen Fonds gelingt dies aus diversen Gründen nicht. Beim wichtigen Kriterium Gehalt bestehen signifikante Unterschiede zwischen öffentlichen Beteiligungsgesellschaften, halbstaatlichen Fonds, Corporate Venture Capitalisten, deutschen und angloamerikanischen Venture Capital-Gesellschaften. Sind öffentliche in ihren Gehaltsbandbreiten aus regulatorischen Gründen oftmals limitiert, zeigen sich private bei Top-Bewerbern deutlich flexibler. Bei Positionen ab Investment Director aufwärts geht es in erster Linie um den Carry. Diejenigen, die eine klassische Fondsstruktur haben, sind hier im Vorteil, weil das 80-20-Modell Verteilungsmasse für den Carry bietet. Wer dagegen aus der Bilanz investiert, muss sich alternative Varianten wie Net Asset Value-Steigerungen oder am Exit-Erlös anteilig partizipieren.
VC Magazin: Wie hat ESG den Recruitingprozess verändert?
Heiden: Kandidaten fragen kaum noch nach Firmenfahrzeugen, das ist inzwischen fast ein Unwort in Bewerbungsgesprächen. Dagegen steht eine Bahncard 100 hoch im Kurs. Nach einer Zeit der digitalen Kommunikation haben sowohl Bewerber als auch Unternehmen wieder Lust, sich persönlich zu treffen – dann aber bitte mit der Bahn und nicht dem Flugzeug anreisen! Verändert hat sich in den letzten zwei Jahren auch die Kleiderordnung bei Bewerbungsgesprächen. Statt Business Casual ist durchaus Smart Casual auf beiden Seiten des Tisches anzutreffen, ohne dass eine der Parteien dies negativ notiert.
VC Magazin: Welche Auswirkungen haben Corona, Inflation, Fachkräftemangel und der Krieg in der Ukraine auf das Recruiting in der Beteiligungsszene?
Heiden: Corona hat ganz klar die digitale Kommunikation im Bewerbungsprozess vorangetrieben, die fast zweistellige Inflation dürfte zu noch höheren Gehaltsforderungen führen, der Fachkräftemangel begleitet uns schon länger, was den Aufwand der Kandidatenansprache und unsere Überzeugungsarbeit erhöht. Der Ukrainekrieg und dessen Auswirkungen sind derzeit schwer für unsere Branche zu bewerten. Ich möchte derzeit kein Zukunftsforscher sein, denn jede Prognose ist mit großen Unwägbarkeiten verbunden.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Dr. Thomas Heiden ist Geschäftsführer der heiden associates Personalberatung, die seit Jahren schwerpunktmäßig Venture Capital- und Private Equity-Gesellschaften in der DACH-Region sowie deren Portfoliounternehmen beim Management-Audit und im Executive Search berät.