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Arm, aber sexy – den Slogan von Ex-Oberbürgermeister Klaus Wowereit hat Berlin längst hinter sich gelassen und ist als Start-up-Metropole in den Fokus von Gründern und Investoren gerückt. Seit 2016 ist die Berliner Wirtschaft stets über dem Bundesschnitt gewachsen – und stand vor der Corona-Pandemie damit an der Spitze der Bundesländer.
VC Magazin: Welche Bedeutung hat die Gründerlandschaft für den Wirtschaftsstandort Berlin?
Dr. Franzke: Den Standort Berlin zeichnet weit mehr aus als die Summe des hier investierten Wagniskapitals. Die Nachricht, dass im vergangenen Jahr die sagenhafte Summe von 10,5 Mrd. EUR in Berliner Start-ups investiert wurde, ist aber eine klare Antwort auf die Frage, welche Bedeutung die Gründungsszene in der Stadt hat. Dieser neue Rekord ist eben kein Versehen, sondern das Ergebnis harter Arbeit aller Beteiligter. Wir sind froh, dass unsere Unterstützung in den Milliardenbranchen Fintech, E-Commerce, Mobility, Health und Energy sich auszahlt. Dass diese Branchen fast deckungsgleich mit unseren Innovationsclustern sind, zeigt, dass wir auf die richtigen Themen setzen.
VC Magazin: Wo sehen Sie Berlin im europäischen Vergleich zu London, das in Rankings in der Regel den ersten Platz belegt?
Dr. Franzke: Heute ist Berlin Zukunftshauptstadt der Ideenrepublik Deutschland. Rund 1.300 Gründerinnen und Gründer zufolge, die in ganz Europa für die Startup Heatmap 2021 befragt wurden, ist Berlin der beste Start-up-Standort in Europa. Wir lösen damit London als Spitzenreiter ab und belegen in der jährlichen Meinungsumfrage erstmals den ersten Platz. Und natürlich freuen wir uns sehr über diesen ersten Platz in der Startup Heatmap-Umfrage. Berlin baut damit seine Position als das Epizentrum der europäischen Start-up-Szene weiter aus. Wir wissen aber auch, dass der Erfolg der führenden Start-up-Communities in London und Berlin auf einer engen Zusammenarbeit beruht, welche auf den Werten Kreativität, Innovation und Vielfalt aufbaut. Der sportliche Wettkampf um den ersten Platz in der Profiliga gehört aber auch dazu.
VC Magazin: Elon Musk spricht gern von Berlin als Standort für seine Gigafactory, obwohl sie sich in Brandenburg befindet. Wie sieht das Zusammenspiel generell zwischen Berlin und dem Nachbarland aus?
Dr. Franzke: In keiner Region Deutschlands ist die länderübergreifende Zusammenarbeit so eng wie hier. Mit dieser engen Zusammenarbeit haben sich Berlin und Brandenburg im internationalen Standortwettbewerb eine gute Position erarbeitet. Insbesondere bei Themen wie der Mobilität der Zukunft, der Energiewende und der Gesundheitswirtschaft zählt die deutsche Hauptstadtregion zu den Vorreitern. Mit der Ausweitung der Zusammenarbeit auch auf die Felder Fachkräfte, Gewerbeflächen und Digitalwirtschaft arbeiten wir gemeinsam daran, die Grundlagen für eine weitere erfolgreiche Entwicklung zu sichern. Dies gilt ebenso für die länderübergreifenden Clustermanagements sowie für die Unterstützung ansässiger mittelständischer Firmen bei der internationalen Markterschließung und im Technologietransfer. Teamwork ist hier wichtig.
VC Magazin: Berlin ist bekannt als Melting Pot und zieht viele internationale Talente an. Welche Potenziale sehen Sie hier?
Dr. Franzke: Berlin war und ist ein Magnet für internationale Talente: Menschen aus mehr als 170 Ländern haben hier einen Platz zum Leben und Arbeiten gefunden. Das muss auch so bleiben, denn die Zuwanderung von hoch qualifizierten Fachkräften ist für den Standort Berlin überlebenswichtig. Weil wir im internationalen Wettbewerb um die klügsten Köpfe sind, haben wir jetzt mit einer umfangreichen Umfrage innerhalb der Zielgruppe eruiert, welche Argumente internationale Fachkräfte letztlich überzeugen, die Koffer zu packen und nach Berlin überzusiedeln. Eine erste Auswertung zeigt, dass es inzwischen nicht mehr nur die ganzen jungen Talente sind, die nach Berlin kommen – heute ist der Arbeitsmarkt so attraktiv, dass die zuziehenden Talente älter, erfahrener, hoch ausgebildet und sehr international sind. Das freut uns sehr, aber daran müssen wir ohne Unterbrechung weiterarbeiten, sonst reißt dieser Zustrom ab.
VC Magazin: Die vergangenen zwei Jahre waren eine historische Zäsur. Mit Blick nach vorn: Was sind die Learnings? Was hat sich für Berlin Partner beim Thema Gründung geändert?
Dr. Franzke: Der Weg zurück in die Normalität, was immer das heißen mochte und mag, ist länger als erwartet, und wir können ihn – als Unternehmen, als Stadt und als Gesellschaft – nur Schritt für Schritt gehen. Wir werden agiler sein und digitaler, wir werden nachhaltiger und innovativer arbeiten, wir werden das Gelernte behalten und uns weiter verbessern. Als Unternehmen haben wir uns mit einem neuen Bürokonzept noch stärker auf die Bedürfnisse unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eingestellt. Mit einem großen Workshop- und Veranstaltungsbereich wollen wir Raum für kreativen Austausch schaffen, der mit Videokonferenzen nicht zu ersetzen ist. Andererseits bieten wir denjenigen, denen zu Hause die Ruhe fehlt, eine Stillarbeitszone. Der Großteil unseres Büros steht unserer Hauptbeschäftigung zur Verfügung: der Begegnung und dem Austausch. Wir werden gleichermaßen auf die veränderten Bedürfnisse der Gründerinnen und Gründer reagieren, um bestmöglich, individuell und langfristig zu helfen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Gespräch.
Zum Interviewpartner:
Dr. Stefan Franzke ist Geschäftsführer der Berliner Wirtschaftsförderung Berlin Partner. Seit 2014 vermarktet der promovierte Maschinenbauingenieur die deutsche Hauptstadt im In- und Ausland.