Die Zahl der Beteiligungen der bm|t beteiligungsmanagement thüringen ist in den letzten beiden Jahren sprunghaft angestiegen – positive Aussichten für die Thüringer Start-up-Landschaft.
VC Magazin: Im Bundesländerranking des Branchenverbands BVK liegt Thüringen beim Investitionsvolumen im letzten Drittel. Ist diese Platzierung gerechtfertigt oder wird dadurch das Potenzial des Bundeslandes verschleiert?
Reeder: Weil Thüringen ein kleines Bundesland ist, mit knapp über zwei Millionen Einwohnern, ist es klar, dass wir in solchen Tabellen zum absoluten Investitionsvolumen nicht oben liegen werden. Klar ist aber auch, dass diese Betrachtung die Attraktivität Thüringens als Investmentstandort verschleiert. Klein, aber fein!
VC Magazin: Was macht Thüringen als Investitionsstandort aus?
Reeder: Aus meiner Sicht sind zwei Kernelemente wichtig, um als Standort ein attraktives Investmentziel zu sein. Erstens müssen exzellente, bahnbrechende Innovationen vorhanden sein. Dies sehen wir in vielen Branchen, wo Thüringen wirklich auf weltführendem Niveau ist, zum Beispiel im Bereich Optik/Laser. Zweitens sollte der Investmentteich noch nicht durch zahlreiche Investoren überfischt sein. Dies trifft definitiv auch auf Thüringen zu. Wir sehen immer noch keine privaten Investoren, die hier zu Hause sind und Tickets über 1 Mio. EUR schreiben. Sehr wenige machen die kurze Reise aus Berlin, München oder Frankfurt. Thüringen wird aber zunehmend als attraktiver Investmentstandort entdeckt, was schnell durch unsere Statistiken bei der bm|t bewiesen ist. Im Freistaat waren die Investmentaktivitäten in den letzten Jahren extrem robust, mit Rekordzahlen anno 2020, die dann 2021 sogar getoppt worden sind. Die Gesamtsumme an investiertem Kapital und die Zahl an siebenstelligen Runden bewegten sich beide auf sehr hohem Niveau. The trend is our friend!
VC Magazin: Welche Besonderheiten bringt Thüringen für Gründer mit?
Reeder: Weil Thüringen klein ist, finden Gründer hier ein sehr gut verzahntes Netzwerk. Das Wirtschaftsministerium, das Finanzministerium, die Thüringer Aufbaubank, die Landesentwicklungsgesellschaft, die Bürgschaftsbank Thüringen, die Stiftung für Technologie, Innovation und Forschung Thüringen und wir als bm|t arbeiten alle sehr eng und konstruktiv miteinander, um Unternehmen hier eine nahezu „Plug & Play Experience“ zu gewährleisten, wenn sie hier in Thüringen gründen und/oder wachsen wollen. Die sehr starken Universitäten und Forschungsinstitute hier in Thüringen bieten zudem ein ideales Ökosystem für die Entwicklung weltklassiger Innovationen. Insbesondere die Unistädte Jena, Weimar und Ilmenau zeigen auch im bundesweiten Durchschnitt eine hohe Patentdichte und Gründungsintensität. Die zentrale Lage in Deutschland und die sehr kurzen Wege zu den Hauptmetropolen in allen Richtungen sind sicherlich auch von Vorteil für viele Firmen.
VC Magazin: Kann das durch die Pandemie etablierte Homeoffice mehr Gründer und deren Mitarbeiter nach Thüringen ziehen?
Reeder: Der Durchbruch von mobilem Arbeiten ist spannend, aber auch ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite machen es diese Möglichkeiten leichter für Thüringer Firmen, bundesweit oder international gute Mitarbeiter zu gewinnen. Der Fachkräftemangel ist hier eine echte Herausforderung. Aber auf der anderen Seite bemerken wir auch eine neue Tendenz: Die größeren Techfirmen werben nicht nur gute Mitarbeiter von der Berliner Start-up-Szene ab, sondern zunehmend auch Mitarbeiter hier aus Thüringen.
VC Magazin: Welche Trends und Entwicklungen in der thüringischen Start-up-Landschaft sehen Sie? Welche Branchen liegen im Fokus?
Reeder: Wir bei der bm|t sind beauftragt, in innovative Firmen aus nahezu allen Branchen – natürlich außer klassische No-go-Sektoren wie Drogen et cetera – zu investieren. Und weil wir 90%+ Marktanteil in der Frühphasenfinanzierung mit Venture Capital hier in Thüringen haben, erlaubt unser Portfolio an Investee-Partnern einen ausgezeichnetes Blick auf die gesamten Venture Capital-Aktivitäten in Thüringen. In unserem Kreis der Investee-Partner haben wir natürlich Schwerpunkte in den klassischen Stärken der Region wie Optik, Laser, Material Sciences, Robotik und Machine Tools. Wir sehen aber auch, dass sich Innovationen in diesen Bereichen zusammengetan und dadurch sehr spannende neue Entwicklungen hervorgebracht haben. So entstehen weltführende Produkte und Methoden in den Sparten Life Sciences, Medtech und Diagnostik, auch in Thüringen.
Viele unserer größten Erfolge kommen aus dem Bereich Life Sciences: Carl Zeiss Meditec, Analytik Jena, InflaRx, c-Lecta. Nahezu 40% unseres Portfolios sind in dieser Sparte positioniert. Diese Entwicklung freut uns sehr, denn bei den Life Sciences handelt es sich um einen hoch bewerteten Sektor mit hohen Eintrittsbarrieren. Thüringen weist insgesamt einen starken B2B-Fokus auf, der zunehmend mehr Corporate Venture Capital anlockt. Diesen Trend sehen wir auch für zukünftige Fundraisings und Exits als besonders entscheidend.
VC Magazin: bm|t hat im Corona-Jahr 2021 einen neuen Rekord an Investments aufgestellt. Wie fällt Ihr Fazit für die Thüringer Start-up-Landschaft nach zwei Jahren Pandemie aus?
Reeder: Wie oben beschrieben, haben wir mit 2020 und 2021 zwei Rekordjahre erlebt. In aller Ehrlichkeit: Die Gesamtzahlen für die Venture Capital-Industrie in Deutschland und weltweit waren auch sehr stark durch die Pandemie. Persönlich denke ich, dass das säkulare Wachstum des Start-up- und Venture Capital-Markts in Deutschland noch sehr lange Beine hat. Es kann natürlich sein, dass exogene Shocks diesen säkularen Schwung kurzzeitig ausgleichen oder ausblenden, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass der Anteil von Frühphasenfinanzierungen gegenüber dem hiesigen BIP eine lange Zeit noch wachsen wird – und in diesem Hinblick hat Thüringen sicherlich noch mehr unausgeschöpftes Potenzial als der Durchschnitt.
VC Magazin: Inwiefern hat Ihr Portfolio von der Pandemie profitiert?
Reeder: Wir haben als bm|t das Glück gehabt, dass manche Investee-Partner in der Pandemie oder wegen der Pandemie ihre Stärke noch besser ausspielen konnten. Die rooom AG in Sachen digitale 3D-Technologie für Messen und Produktpräsentationen sowie die c-Lecta GmbH durch ihre Enzyme für Impfstoffe sind zwei gute Beispiele.
VC Magazin: Mit dem Exit bei c-Lecta sind Sie erfolgreich in das aktuelle Jahr gestartet. Welche Pläne und Ziele haben Sie für die zweite Jahreshälfte?
Reeder: Trotz der extrem hohen Aktivitäten in den letzten zwei Jahren sehe ich weiterhin eine aktive zweite Jahreshälfte vor uns. Wir haben 60 Investee-Partner mit vielen herausragenden Entwicklungen, die ohne Zweifel weiterhin Investoreninteresse generieren werden. Unser großes Jahresevent, die Investor Days Thüringen, findet am 14. und 15. Juni statt und wird sicherlich wie jedes Jahr zahlreiche Leads und Investments anstoßen.
VC Magazin: Vielen Dank für das Interview.
Über den Interviewpartner:
Kevin Reeder ist Geschäftsführer der bm|t beteiligungsmanagement Thüringen GmbH.