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Wer am Campus der Universität des Saarlandes (UdS) in Richtung Mensa läuft, erkennt sie von Weitem: die beiden roten „Scheer-Tower“, benannt nach ihrem Bauherren, Prof. Dr. August-Wilhelm Scheer. Der Unternehmer und Universitätsprofessor steht im Saarland als Inbegriff für erfolgreichen Gründungstransfer aus der Wissenschaft. Im Schatten dieser Türme wirkt die aktive saarländische Start-up-Szene beinahe „blass“. Dabei wissen wenige, dass die UdS 1995 mit dem bundesweit ersten Starterzentrum ein Pionier der heute allseits betonten „Third Mission“ war. 500 Gründungen sind allein aus dem universitären Umfeld mit Unterstützung der eigens etablierten Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer (KWT) im kleinsten deutschen Flächenland entstanden. Mit einem breiten Unterstützungsportfolio erhalten Gründungswillige Starthilfe – von der Businessplan-Erstellung bis zum Saarland-Pitch für Investoren. Ist das Saarland mit seinem Slogan „Großes entsteht immer im Kleinen“ also ein „Hidden Champion“ für Investoren?
Erst kürzlich machte das an der UdS angesiedelte Cispa Helmholtz-Zentrum für Informationssicherheit mit einem 50-Mio.-EUR-Invest von sich reden. Die Spitzenforschung zu Themen wie künstliche Intelligenz, neue Werkstoffe oder Life Sciences wird flankiert durch Institute wie das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Leibniz-Institut für Neue Materialien (INM) oder das Helmholtz-Institut für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS). Sie sorgen seit Jahren für innovative Ausgründungen aus dem universitären Ökosystem. Mit der Max-Planck-Innovation GmbH hat die UdS einen IT-Inkubator ins Leben gerufen, der zu einem umfassenden Venture Builder für Technologietransfer weiterentwickelt werden soll. Dieser Gründerkosmos bringt so circa 30 Start-ups jährlich hervor.
Kapital findet ins Saarland
Es gibt sie, die interessanten Investorenbeispiele – etwa das Start-up Natif.ai, das dokumentenbasierte Prozesse automatisiert. Kapitalgeber wie 468 Capital und der High-Tech Gründerfonds (HTGF) investierten eine siebenstellige Summe; dieses Jahr folgten weitere 5 Mio. EUR unter anderem von Redalpine, F-Log Ventures und Entrepreneur Phillipp Rechberg. Ähnlich erfolgreich auf Kapitalsuche waren Start-ups wie KeepLocal samt digitalisiertem Geschenkgutscheinsystem, Seawater Cubes für nachhaltigen Aquakulturanlagenbau oder SurFunction, die laserbasierte funktionale Oberflächenlösungen anbieten.
Universität als Kristallisationspunkt für Netzwerkbildung
Für Gründungsinteressierte ist es nicht immer leicht, sich zu orientieren. Kritiker beklagen die Fragmentierung der Gründungslandschaft, denn es ist viel „im Werden“: Neue Player suchen ihre Nische, private Initiativen bieten alternative Standortkonzepte und an der UdS entsteht mit dem Bau des Innovation Center ein Leuchtturmprojekt in der Großregion. Ziel ist es dabei, die heutige Infrastruktur auf die nächste Ebene zu heben, um Forschung noch näher an die Wirtschaft zu bringen. Das hat Potenzial, denn schon jetzt sorgt das etablierte Ökosystem der UdS für Vernetzung und übergreifende Zusammenarbeit, beispielsweise im monatlichen „Gründer-Jour Fixe“ mit zentralen Akteuren. Die französische Bezeichnung spiegelt ein Stück Realität wider: Mit Frankreich, Belgien und Luxemburg „um die Ecke“ können Start-ups Internationalität direkt mitdenken und in ihr Geschäftsmodell übertragen. Das ist ein Standortvorteil, der auch für Investoren attraktiv ist.
Fazit
Wenn es dem Saarland gelingt, die Innovationsleistungen seiner Hochschulen mit der guten Vernetzung und den internationalen Potenzialen noch mehr zu bündeln, kann hier in Zukunft noch viel „Großes im Kleinen“ entstehen.
Über den Autor:
Jens Krück unterstützt als Verantwortlicher der Kontaktstelle für Wissens- und Technologietransfer sowie Geschäftsführer der Unternehmenstochter WuT GmbH der UdS die saarländische Start-up-Szene auf dem Unicampus.